Rz. 21

In § 3a ARB 2010 ist für den Fall der Anwendung des Stichentscheidverfahrens in Abs. 2 S. 2 Hs. 2 bestimmt, dass die Entscheidung bindend ist,

Zitat

"… es sei denn, dass sie offenbar von der wirklichen Sach- und Rechtslage erheblich abweicht."

Der Stichentscheid des Anwaltes muss den Streitstoff darstellen, auf die Beweissituation eingehen, sich mit Gegenargumenten auseinandersetzen und erkennen lassen, in welchen Punkten der Anwalt die Auffassung des Versicherers für unrichtig hält.[12] Der anwaltliche Stichentscheid muss sich nur auf diejenigen Punkte erstrecken, auf welche die Rechtsschutzversicherung zuvor die Ablehnung des Rechtsschutzes gestützt hatte.[13]

 

Rz. 22

Für den Fortfall der Bindungswirkung sind somit verschiedene Voraussetzungen genannt:

Zunächst muss die Entscheidung "offenbar" von der wirklichen Sach- und Rechtslage erheblich abweichen. Das Tatbestandsmerkmal der "offenbaren Unrichtigkeit" orientiert sich an dem Leitbild des § 84 VVG (§ 64 VVG a.F.), der das Sachverständigenverfahren der Schadensversicherung regelt. Eine "offenbare Unrichtigkeit" ist dann gegeben, wenn sich diese einem sachkundigen Beobachter sofort aufdrängt.[14]

 

Rz. 23

Ebenfalls entfällt die Bindungswirkung, wenn die Stellungnahme des Rechtsanwaltes die Sach- und Rechtslage gröblich verkennt.[15] Jedoch ist der Stichentscheid des Rechtsanwaltes bindend, wenn eine entscheidungserhebliche Rechtsfrage nicht eindeutig geklärt ist und es angebracht ist, dass das Gericht sich im Hauptsacheverfahren mit ihr befasst.[16] Andererseits entfällt die Bindungswirkung bei erheblicher Abweichung von der wirklichen Sach- und Rechtslage. Dies gilt insbesondere dann, wenn eine von der h.M. abweichende Ansicht des Stichentscheides unter Berücksichtigung des Gewichtes der für beide Meinungen vorgebrachten Gründe als nicht mehr vertretbar angesehen werden kann.

 

Rz. 24

Weitere Voraussetzung für die Bindungswirkung ist, dass der Rechtsanwalt die Grundlagen seiner gutachtlichen Entscheidung, den zugrunde liegenden Sachverhalt und den entscheidungserheblichen Streitstoff darstellt.

 

Rz. 25

Schließlich ist wie im Prozesskostenhilfeverfahren nur eine "Ex-ante"-Betrachtung und nicht eine "Ex-post"-Beurteilung maßgebend.

[12] OLG Köln r+s 2001, 290.
[13] OLG Frankfurt r+s 1997, 420.
[14] BGHZ 43, 374 = VersR 1965, 619; vgl. auch OLG Karlsruhe VersR 1994, 1418 = r+s 1994, 259 = zfs 1994, 72.
[15] AG und LG Düsseldorf r+s 1996, 20; AG Lörrach zfs 1991, 344.
[16] BGH VersR 1994, 1061 m. Anm. Lorenz = r+s 1994, 342 = zfs 1994, 304.

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