Nach § 35 Abs. 1 Satz 1 GewO muß die Ausübung eines Gewerbes ganz oder teilweise untersagt werden, wenn Tatsachen vorliegen, welche die Unzuverlässigkeit des Gewerbetreibenden oder einer mit der Leitung des Betriebes beauftragten Person in Bezug auf dieses Gewerbe dartun (Nr. 3.1), sofern die Untersagung zum Schutze der Allgemeinheit oder der im Betrieb Beschäftigten erforderlich ist (Nr. 3.2). Ein Ermessen besteht bei dieser Entscheidung nicht.

 

3.1

Unzuverlässigkeit

Unzuverlässig ist, wer nach dem Gesamtbild seines Verhaltens nicht die Gewähr dafür bietet, daß er das von ihm ausgeübte Gewerbe ordnungsgemäß betreiben wird.

 

3.1.1

Nicht ordnungsgemäß ist die Gewerbeausübung durch eine Person, die nicht willens oder nicht in der Lage ist, die im öffentlichen Interesse zu fordernde einwandfreie Führung ihres Gewerbebetriebes zu gewährleisten. Im Hinblick auf den mit einer Gewerbeuntersagung verbundenen Eingriff in die Berufsfreiheit muß das zur Last Gelegte von erheblichem Gewicht sein. Eine Vielzahl kleinerer Verstöße rechtfertigt die Annahme der Unzuverlässigkeit jedoch dann, wenn daraus ein Hang zur Mißachtung der Berufspflichten erkennbar ist. Verletzungen zivilrechtlich begründeter Pflichten (z.B. ordnungsgemäße Vertragserfüllung) sind nur dann von Bedeutung, wenn dieses Verhalten zugleich auch im Interesse der Allgemeinheit bestehende Bestimmungen (z. B. des Straf- oder Ordnungswidrigkeitenrechts) verletzt.

 

3.1.2

Als Tatsachen - bloße Vermutungen reichen nicht aus -, welche die Unzuverlässigkeit dartun, kommen Handlungen oder Unterlassungen oder auch Eigenschaften des Gewerbetreibenden beziehungsweise der mit der Leitung des Betriebes betrauten Personen in Betracht. Sie brauchen nicht in jedem Fall Tatbestände darzustellen, die mit Strafe oder Geldbuße bedroht sind, und müssen auch nicht im Rahmen des konkret betriebenen Gewerbes eingetreten sein. Allerdings muß zwischen den Tatsachen und dem Gewerbebetrieb ein innerer Zusammenhang dergestalt bestehen, daß auf eine nicht nur entfernte Möglichkeit unzuverlässigen Verhaltens in der Zukunft geschlossen werden kann. Verschulden ist nicht erforderlich. Unzuverlässigkeit kann auch die Folge von Geisteskrankheit oder unverschuldeter Vermögenslosigkeit sein.

 

3.1.2.1

Liegen noch nicht getilgte Strafurteile oder Bußgeldbescheide schon mehrere Jahre zurück und hat sich der Betroffene seitdem nichts mehr zuschulden kommen lassen, ist - unter Berücksichtigung von Art und Schwere der Gesetzesverstöße - besonders sorgfältig zu prüfen, ob allein wegen dieser Vorkommnisse eine Gewerbeuntersagung gerechtfertigt ist. Mit der Untersagung soll einem künftigen nicht ordnungsgemäßen Verhalten begegnet, nicht aber vergangenes Verhalten zusätzlich geahndet werden. Die Verwertungsverbote des § 51 BZRG und des § 153 Abs. 5 und 6 GewO sind zu beachten.

 

3.1.2.2

Als Tatsache kommt auch mangelnde wirtschaftliche Leistungsfähigkeit (Ausübung des Gewerbes ohne die dafür erforderlichen finanziellen Mittel) in Betracht, insbesondere wenn der Gewerbebetrieb die Verwaltung fremder Vermögenswerte umfaßt oder wenn an die finanzielle Vertrauenswürdigkeit und Leistungsfähigkeit des Gewerbetreibenden aus anderen Gründen besondere Anforderungen zu stellen sind. Dies gilt auch dann, wenn er seine wirtschaftliche Leistungsunfähigkeit nicht verschuldet hat oder diese infolge des Verhaltens Dritter eingetreten ist. Siehe hierzu aber Nr. 5.2.

Auch mangelnder wirtschaftlicher Leistungswille kann die Unzuverlässigkeit des Gewerbetreibenden begründen, z.B. wenn er sich beharrlich weigert, seinen Gläubigem Einblick in seine Vermögensverhältnisse zu gewähren, obwohl er hierzu gesetzlich verpflichtet ist (vgl. § 807 ZPO).

 

3.1.2.3

Für die Berücksichtigung der Verletzung steuerlicher Pflichten ist der Erlaß des Staatsministeriums der Finanzen über die Auskunftserteilung an Gewerbebehörden in gewerberechtlichen Verfahren vom 13.1.1988 (Az. 38-S 0130-40/45-76616/87, geändert in Tz. 1 durch Erlaß vom 20.11.1989 (Az: 38-S 0130-40/58-72103) maßgeblich. (Vgl. hierzu die entsprechenden Erlasse des Bundesministeriums der Finanzen vom 17.12.1987 und vom 9.10.1989 in BStBl. 1988 I S. 2 und 1989 1 S. 390.)

 

3.1.2.4

Die Nichtabführung von Sozialversicherungsbeiträgen oder sonstigen Beiträgen (z. B. Arbeitgeberanteile, Beiträge zu Berufsgenossenschaften und Zusatzversorgungskassen), gleichgültig ob sie vom Lohn beziehungsweise Gehalt der Arbeitnehmer einbehalten werden oder nicht, über einen längeren Zeitraum und in einem für die Verhältnisse des Betriebes erheblichen Umfang rechtfertigt die Annahme der Unzuverlässigkeit, wenn aus dem Verhalten des Gewerbetreibenden der Schluß gezogen werden kann, daß es ihm an dem für die ordnungsgemäße Ausübung des Gewerbes erforderlichen Willen fehlt, seine Pflichten als Arbeitgeber zu erfüllen (Nr. 3.2.1.2).

 

3.1.2.5

Auch ein Verhalten, das auf mangelndes berufliches Verantwortungsbewußtsein zurückzuführen ist, kann als eine die Unzuverlässigkeit begründende Tatsache in Betracht komm...

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