Dr. iur. Karl-Peter Pühler
Rz. 61
Sowohl im Kündigungsschutzprozess als auch bei der Verhandlung einer außergerichtlichen Aufhebungsvereinbarung ist sorgfältig darauf zu achten, dass die vorliegenden vertraglichen Vereinbarungen vertragsgerecht umgesetzt werden. In der Regel bedarf es auch zum Vollzug einer abschließenden Regelung für die bAV entsprechender Auskünfte von Dritten, insbesondere bei sämtlichen mittelbaren Durchführungswegen der betrieblichen Altersversorgung durch das Lebensversicherungsunternehmen, die Pensionskasse oder den Pensionsfonds. Entsprechendes gilt auch bei der kongruent rückgedeckten Unterstützungskasse.
I. Antragstellung im Kündigungsschutzverfahren
Rz. 62
Ist im Rahmen des Kündigungsschutzverfahrens zu klären, welche Rechte beim vorzeitigen Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis für den Arbeitnehmer als unverfallbar vereinbart sind, so ist im Bereich der betrieblichen Altersversorgung grundsätzlich ein Feststellungsantrag ausreichend. Das BAG anerkennt grundsätzlich ein Interesse an der Feststellung des Inhalts des Versorgungsverhältnisses und sieht einen Feststellungsantrag als geeignet an, sodass ein Verweis auf den Vorrang der Leistungsklage nicht entgegen gehalten werden kann.
Formulierungsbeispiel
Es wird festgestellt, dass dem Kläger unverfallbare Ansprüche auf betriebliche Altersversorgung aus der Versorgungszusage vom (…) in Höhe von (…) zur Verfügung stehen.
II. Abfindung
Rz. 63
§ 3 BetrAVG verbietet die Abfindung von gesetzlich unverfallbaren Anwartschaften. Dieses gesetzliche Verbot, das nicht abdingbar ist, bezieht sich ausschließlich auf die Beendigung des Arbeitsverhältnisses, wenn in diesem Zusammenhang Abfindungsvereinbarungen abgeschlossen werden sollen (§ 3 Abs. 1 S. 1 BetrAVG). Während des Arbeitsverhältnisses können somit Abfindungsvereinbarungen ohne Beschränkungen abgeschlossen werden.
Rz. 64
Zulässig ist im Kündigungsfall allerdings die Abfindung von Bagatellrenten. Hierzu sieht das Gesetz die Möglichkeit vor, dass kleine Anwartschaften bis zu einer monatlichen Altersrente von 1 % der monatlichen Bezugsgröße nach § 18 SGB IV oder entsprechende Kapitalbeträge in Höhe von 12/10 der Bezugsgröße rechtmäßig abgefunden werden dürfen. In dieser Größe genügt das einseitige Verlangen von Arbeitgeber oder Arbeitnehmer zur Durchsetzung. Die monatliche Bezugsgröße (West) beträgt im Jahr 2023 3.395 EUR, sodass der Monatshöchstbetrag 33,95 EUR monatliche Rente, der Kapitalhöchstbetrag 4.074 EUR betragen würde.
Rz. 65
Die Höhe der Abfindung bemisst sich nach § 3 Abs. 5 i.V.m. § 4 Abs. 5 BetrAVG bei den Durchführungswegen der Direktzusage und der Unterstützungskasse aus dem Barwert der zukünftigen Versorgungsleistung. Die Berechnungsparameter sind dabei auf der Basis der für die jeweilige Durchführungsform festgelegten Rechnungsgrundlagen und Diskontierungszinssätze sowie nach den anerkannten Regeln der Versicherungsmathematik zu ermitteln. Bei den Durchführungswegen der Direktversicherung, der Pensionskasse und des Pensionsfonds entspricht die Abfindung dem gebildeten Kapital im Zeitpunkt der Abfindung.
Abfindungsvereinbarungen entgegen dem gesetzlichen Verbot sind nach § 134 BGB nichtig.
III. Übertragung
Rz. 66
Als weitere Lösungsmöglichkeit, mit der der Störfall der vorzeitigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses hinsichtlich der bAV geklärt werden kann, steht die Übertragung der Versorgungszusage auf einen Dritten zur Verfügung. Nach § 4 Abs. 1 S. 1 BetrAVG handelt es sich dabei aber ausschließlich um einen Nachfolgearbeitgeber, eine Pensionskasse, eine Lebensversicherungsgesellschaft oder einen öffentlich-rechtlichen Versorgungsträger. Die schuldbefreiende Übertragung auf sonstige Personen ist nicht zulässig.
Rz. 67
Voraussetzung für die Übertragung auf den neuen Arbeitgeber ist die Zustimmung des ausscheidenden Arbeitnehmers und eine Übernahmevereinbarung zwischen altem und neuem Arbeitgeber. Ist der neue Arbeitgeber damit einverstanden, kann der Arbeitnehmer bei Entgeltumwandlungszusagen unter bestimmten gesetzlich beschriebenen Voraussetzungen gegenüber dem alten Arbeitgeber die Übertragung der Versorgungszusage einseitig durchsetzen.
Rz. 68
Bei der Einstellung der Betriebstätigkeit und der Liquidation des Unternehmens sind besondere Übernahmemöglichkeiten nach § 4 Abs. 4 BetrAVG zugelassen. In diesem Fall können laufende Leistungen oder unverfallbare Anwartschaften von einer Pensionskasse oder einem Lebensversicherungsunternehmen ohne Zustimmung des betroffenen Arbeitnehmers über Liquidationsversicherungen übernommen werden.
IV. Auskunftsansprüche
Rz. 69
Mit dem Inkrafttreten des Alterseinkünftegesetzes am 1.1.2005 wurden in § 4a BetrAVG erweiterte Auskunftspflichten für die Arbeitgeber geschaffen. Ggf. kann es sich bei sehr unklaren Versorgungsverhältnissen empfehlen, im Rahmen eines Klageverfahrens auch zunächst einen Auskunftsanspruch und sodann einen materiellen Leistungsanspruch zu erheben (Stufenantrag). Der Auskunftsanspruch des § 4a BetrAVG besteht sowohl während des laufenden Arbei...