Prof. Dr. Hans Josef Vogel
Rz. 76
Einer der Schwerpunkte reiserechtlicher anwaltlicher Beratung auf Verbraucherseite ist die Haftung des Reiseveranstalters für Mängel. Das Reiserecht bietet ein in sich abgeschlossenes Gewährleistungssystem, das dem Reisenden die in § 651i Abs. 3 Nr. 1 bis 7 BGB benannten Rechte zur Verfügung stellt. Die Gewährleistungsrechte sind, mit Ausnahme der Schadensersatzansprüche, verschuldensunabhängig; bei den Schadensersatzansprüchen wird das Verschulden vermutet. Es ist also (mit Ausnahme der Schadensersatzansprüche) nicht erforderlich, dass den Reiseveranstalter oder seine Erfüllungsgehilfen ein Verschulden trifft.
Rz. 77
Alle Gewährleistungsansprüche erfordern das Vorliegen
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einer Pauschalreise (siehe Rdn 6 ff.) sowie |
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eines Mangels (siehe Rdn 140 ff.). |
Ansonsten sind die Voraussetzungen und Rechtsfolgen unterschiedlich. Die Gewährleistungsansprüche ergänzen sich und sind, je nach Sachverhalt, miteinander zu kombinieren. So kann der Reisende einen Abhilfeanspruch haben und bis zur erfolgreichen Abhilfe auch Minderungsansprüche geltend machen oder bei erfolgloser Abhilfe ggf. kündigen.
Rz. 78
Das allgemeine Leistungsstörungsrecht findet daneben keine Anwendung, soweit die Störung zu einem reiserechtlichen Mangel führt. Erhalten bleibt die Möglichkeit der Anfechtung, sei es wegen eines Irrtums des Reisenden oder wegen einer arglistigen Täuschung. Möglich sind schließlich auch deliktsrechtliche Ansprüche wegen der Verletzung von Verkehrssicherungspflichten durch den Reiseveranstalter.
a) Abhilfe
aa) Checkliste: Abhilfe (§ 651k Abs. 1 BGB)
Rz. 79
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Voraussetzungen:
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Pauschalreise |
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Mangel |
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Abhilfeverlangen |
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Rechtsfolge:
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Beseitigung des Mangels für die Zukunft durch (Wieder-)Herstellen der vertraglich geschuldeten Situation oder durch angemessene und zumutbare Ersatzleistung |
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bb) Detailfragen der Abhilfe
Rz. 80
Durch die Abhilfe (§ 651k Abs. 1 BGB) wird der Mangel der Reisleistung beseitigt, so dass tatsächliche Beschaffenheit und vertraglich geschuldete Beschaffenheit gleich sind (zum Mangelbegriff siehe Rdn 141).
(1) Abhilfeverlangen
Rz. 81
Erforderlich ist ein Abhilfeverlangen gegenüber dem Reiseveranstalter (der Reisende muss diese Information im Rahmen der vorvertraglichen Unterrichtung (Art. 250 § Nr. 2 EGBGB) und in der Abschrift oder Bestätigung des Vertrags (Art. 250 § 6 Abs. 2 Nr. 4 EGBGB) erhalten), gegenüber dem Reisevermittler oder einem anderen Empfangsbevollmächtigten (vgl. § 651v Abs. 4 BGB) oder der örtlichen Reiseleitung. Diese muss auch erreichbar sein. Fehlt es an einer Erreichbarkeit, kann der Reisende nicht durch AGB verpflichtet werden, Abhilfeverlangen ausnahmslos an die deutsche Zentrale zu senden. Der Leistungserbringer, also z.B. der Hotelier, ist nicht Empfänger – ein häufiger Fehler der Reisenden. Ausnahmsweise liegt eine Empfangszuständigkeit vor, wenn der Reiseveranstalter den Leistungserbringer als Empfänger für Abhilfeverlangen in den vorvertraglichen Informationen und/oder der Reise-/Vertragsbestätigung bezeichnet hat. In der Praxis kommt es auch immer wieder vor, dass die Information, Beschwerden an den Leistungserbringer zu richten, von der örtlichen Reiseleitung kommt. Dieser Umstand ist, wenn es auf ein Abhilfeverlangen ankommt, dann substanziiert und unter Beweisantritt vorzutragen, da der Reisende insoweit beweisbelastet ist. Fehlt es an zutreffenden Informationen, kann sich der Reiseveranstalter nicht darauf berufen, die Kommunikation sei unterblieben.
Inhalt der Erklärung ist einerseits die Beschreibung des Mangels, andererseits die Aufforderung zur Beseitigung.
(2) Bewertung der Abhilfemaßnahmen
Rz. 82
Streitpunkt zwischen Reisenden und Reiseveranstaltern ist immer wieder die Frage, ob die Abhilfe ordnungsgemäß ist. Ordnungsgemäß ist sie, wenn sie den Mangel beseitigt.
Ob der Mangel beseitigt wird, ist immer eine Frage des Einzelfalls. In vielen Situationen liegt dies klar auf der Hand: Eine reparierte Klimaanlage ist nicht mehr mangelhaft; eine falsche Kabine ist nach Wechsel in die gebuchte Kategorie eine vertragsgerechte Leistung. Wenn aber anstelle des in der Ferienanlage zugesagten Restaurants (das z.B. wegen einer Renovierung geschlossen ist) ein Restaurant in einem benachbarten Hotel kostenfrei besucht werden kann, muss nicht ohne weiteres von einer vollständigen Abhilfe ausgegangen werden. Vielmehr kann hier, abhängig von den Gegebenheiten im Einzelnen, nach wie vor ein Mangel bestehen, der Gewährleistungsansprüche – wenn auch etwa hinsichtlich einer Minderung – in geringerem Umfang begründet. Zu berücksichtigen wäre im Fall des Restaurants etwa der Weg zum anderen Restaurant (Dauer, Beschwerlichkeit), die Frage, ob eine Reservierung notwendig ist oder nicht, und schließlich auch die Größe des Restaurants sowie die Qualität und Auswahl der angebotenen Speisen.
Rz. 83
Die Abhilfe ist dann tauglich (d.h. der Ma...