Prof. Dr. Hans Josef Vogel
Rz. 60
Das Pauschalreiserecht kennt eine Reihe von Rücktritts- und Kündigungsrechten des Reisenden.
aa) Rücktritt des Reisenden
(1) Grundsatz
Rz. 61
Der Reisende kann aus einer Vielzahl von Gründen vom Reisevertrag zurücktreten. Dieser Rücktritt kann für den Reisenden kostenfrei sein oder ihn zur Zahlung einer Entschädigung an den Reiseveranstalter gem. § 651h Abs. 1 S. 3 BGB verpflichten.
Ohne Entschädigungsleistung kann der Reisende in folgenden Fällen zurücktreten:
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erhebliche Leistungs- oder Preisänderung, § 651g BGB |
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Übertragung des Vertrags an Dritte, § 651e BGB (bei verbleibender gesamtschuldnerischer Haftung auf Zahlung des Reisepreises) |
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Rücktritt wegen außergewöhnlicher, unvermeidbarer Umstände, § 651h Abs. 3 BGB |
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Rücktritt bei Gastschulaufenthalten wegen fehlender Information, § 651u Abs. 3 BGB |
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Anfechtung wegen Irrtums, §§ 119 ff. BGB |
Rz. 62
Der Reisende kann jederzeit vor Antritt der Reise zurücktreten, § 651h Abs. 1 S. 1 BGB. Die Rücktrittserklärung bedarf keiner ausdrücklichen Form und kann auch konkludent erfolgen, soweit sie nur zugeht. Die Rücktrittserklärung muss dem Reiseveranstalter oder dem Reisevermittler (§ 651v Abs. 4 BGB) zugehen. Der Zeitpunkt des Zugangs bei dem jeweiligen Empfänger ist für die Fristberechnung entscheidend, ohne dass es auf eine interne Weiterleitung ankäme. Die Wahlmöglichkeit des Kunden, an wen er die Rücktrittserklärung richtet, kann nicht wirksam eingeschränkt werden. Da der Reisende für den Zugang und den Zeitpunkt beweisbelastet ist, sollte dieser festgehalten und ggf. durch Sendebeleg oder auch durch Nachfrage zum Eingang sicher nachgewiesen werden können.
Hat der Reisende die Reise angetreten (etwa indem er Gepäck aufgibt), ist ein Rücktritt nicht mehr möglich. Spezielle Rücktritts- und Kündigungsrechte (wegen eines Mangels, wegen unvermeidbarer, außergewöhnlicher Umstände, wegen einer erheblichen Leistungs- oder Preisänderung) gehen dem normalen Rücktrittsrecht vor.
(2) Rechtsfolgen/Entschädigung
Rz. 63
Der Reisevertrag entfällt ex tunc, wenn der Reisende den Rücktritt erklärt. Der Reiseveranstalter verliert den Anspruch auf Zahlung des Reisepreises, allerdings erhält er einen Anspruch auf Ersatz der Aufwendungen. Diese Entschädigung kann entweder konkret berechnet werden oder pauschaliert (vgl. § 651h Abs. 2 S. 1 und 2 BGB).
Rz. 64
Die ganz überwiegende Anzahl der Reiseveranstalter wählt die pauschalierte Berechnung der sog. Stornoentschädigung. In den AGB wird also typischerweise eine Entschädigungspauschale oder Stornoentgelte pauschal festgelegt. Für die Berechnung dieser Pauschale zählt § 651h Abs. 2 S. 1 Nr. 1 bis 3 BGB Faktoren auf, die zu unterschiedlichen Stornoentschädigungen führen. Faktoren für die Berechnung sind:
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der Zeitpunkt der Rücktrittserklärung, d.h. der Zeitraum zwischen Rücktrittserklärung und Reisebeginn; |
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die zu erwartende Ersparnis von Aufwendungen; |
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der zu erwartende Umsatz durch eine anderweitige Verwendung der Reiseleistung. |
Rz. 65
Die typische Pauschalierung nennt also einen Prozentsatz vom Reisepreis, der abhängig vom Zeitpunkt der Rücktrittserklärung bis zum Nichtantritt benannt werden kann. Typischerweise beginnen Pauschalen mit etwa 20 % des Reisepreises bei einem Rücktritt bis zu 30 Tage vor Abflug und führen bis zu 75 % bei Nichtantritt. Soweit der Veranstalter darlegen und beweisen kann, dass ihm entsprechend höhere Kosten entstanden sind, können solche höheren Pauschalen in den AGB benannt werden. Bei der Bewertung der vom Reiseveranstalter geltend gemachten pauschalierten Entschädigung muss konkret überprüft werden, wie die Klausel ausgestaltet ist, wenn nicht in jedem Fall zu hohe Pauschalen verlangt werden. Eine Entschädigung in Höhe des vollen Reisepreises ist in jedem Fall unzulässig. In den AGB muss gem. § 309 Nr. 5 Buchst. b BGB der Reisende auch darauf hingewiesen werden, dass er das Recht hat, nachzuweisen, dass dem Reiseveranstalter kein oder ein wesentlich geringerer Schaden entstanden ist.
Rz. 66
Typischerweise wird der Reisende, sollte er auf Zahlung der Stornokosten in Anspruch genommen werden, Nachweise durch den Reiseveranstalter zur Berechnung verlangen und gleichzeitig Belege dafür erwarten, dass der vom Reiseveranstalter geltend gemachte Schaden tatsächlich so entstanden ist. Allerdings kann der Reiseveranstalter, sollte die pauschalierte Erhöhung aufgrund AGB-rechtlicher Zweifel nicht zum Tragen kommen, auch noch im Rahmen eines Prozesses auf eine konkrete Berechnung der Stornokosten umwechseln. Bei dieser konkreten Berechnung muss der Reiseveranstalter im Einzelnen darlegen, welche Vorleistungen er an Leistungserbringer erbracht hat und welche Rückzahlungen er erhielt, sowie eine anderweitige Verwendung der Reiseleistung. Tatsächlich kann es dazu führen, dass der Reiseveranstalter aufgrund der konkreten Berechnung einen höheren Ersatzanspruch hat als nach der pauschalierten Berechnung. Der Wechsel zwischen beiden Anspruchsarten ist möglich....