Prof. Dr. Hans Josef Vogel
Rz. 98
In den Fällen, in denen der Reiseveranstalter die Abhilfe verweigern kann (§ 651k Abs. 1 S. 2 BGB), ist damit der Reisende noch nicht gezwungen, die mangelhafte Leistung zu erdulden. Vielmehr muss der Reiseveranstalter, wenn der Reisemangel einen erheblichen Teil der Reiseleistungen betrifft, Abhilfe durch eine angemessene Ersatzleistung schaffen (§ 651k Abs. 3 BGB). Freiwillig kann er dies ohnehin immer. Es geht hier also nicht mehr um die Beseitigung des Mangels, sondern um eine andere Leistung, die dennoch erfüllungstauglich ist. Einen Minderwert der Leistungen, wenn also die Ersatzleistung nicht gleichwertig ist, muss der Reiseveranstalter in Geld (Herabsetzung des Reisepreises) ausgleichen. Lehnt der Reisende berechtigt die Ersatzleistung ab, kann er die Reise abbrechen und die Rechtsfolgen der Kündigung (siehe hierzu Rdn 113) geltend machen, ohne dass es auf eine Kündigungserklärung ankäme, oder aber bei Fortsetzung der Reise Minderung sowie Schadensersatz geltend machen.
(1) Angemessenheit
Rz. 99
Die Beantwortung der Frage, ob eine Ersatzleistung angemessen ist oder der Reisende diese ablehnen kann, folgt den Leitlinien, in denen nach dem alten Rechtsstand die Frage der Angemessenheit der Abhilfe beantwortet wurde. Abzustellen ist also auch hier auf die Sicht eines vernünftigen Durchschnittsreisenden. Wenn also die Sportmöglichkeiten bei einer Ersatzleistung hinter den vertraglich vereinbarten zurückbleiben oder andere, für den Reisenden wesentliche Freizeitangebote ausfallen, kann nicht mehr von einer angemessenen Ersatzleistung ausgegangen werden. Wichtig ist, insbesondere vor dem Hintergrund der Leistungsbeschreibung des Reiseveranstalters online oder in einem Katalog sowie der (vor)vertraglichen Informationen, zu prüfen, wie erheblich die Abweichung ist. Bei Unterkünften muss das als Ersatzleistung angebotene Hotel dem gebuchten Hotel zumindest objektiv gleichwertig sein und subjektiv zumutbar. Gleichwertigkeit ist nicht nur an der Kategorie des Hotels zu messen; tatsächlich vorhandene Einrichtungen, Größe und Stil sind ebenfalls von Bedeutung. Wer als Reisender ein kleines Boutique-Hotel mit 20 Zimmern gebucht hat, muss sich nicht auf ein 400-Zimmer-Ketten-Hotel verweisen lassen, selbst wenn beide Hotels mit 5 Sternen eingestuft sind. Auch höherwertige Hotels können als Ersatzunterkunft ausscheiden: Wer sich auf einen Wanderurlaub eingerichtet hat, muss sich nicht mit einem Luxus-Hotel einverstanden zeigen.
Rz. 100
Neben objektiven Kriterien sind auch subjektive Kriterien zu berücksichtigen – so wäre der Umzug in ein, wenn auch in direkter räumlicher Nähe gelegenes Hotel gleicher Ausstattung und Qualität für eine Familie mit Kinderwagen nicht zumutbar, wenn das Hotel keine Fahrstühle aufweist. Auch ein Umzug kurz vor Abreise wurde mit Rücksicht auf bestehende Urlaubsbekanntschaften als nicht zumutbar eingeordnet.
(2) Aufwand
Rz. 101
Der Aufwand des Umzugs ist vom Reiseveranstalter zu tragen, der Reisende kann in der Regel überdies eine Minderung für die Zeit des Umzugs verlangen. Auch andere mit der Abhilfeleistung verbundene Einschränkungen werden etwa im Rahmen eines Minderungsrechts berücksichtigt.
(3) Ablehnung durch den Reisenden
Rz. 102
Problematisch sind in der Praxis regelmäßig die Fragen, ob dem Reisenden noch Ansprüche nach Angebot der Abhilfe/Ersatzleistung zustehen. Der Reisende mag eine Leistung als nicht angemessen abgelehnt haben und nach Urlaubsrückkehr weiter Ansprüche geltend machen. Auch hier gilt (wie bei der Abhilfe, Rdn 82): Die Differenzen zwischen vertraglicher Leistung und Ersatzleistung müssen, wenn der Reiseveranstalter entsprechend seiner Darlegungs- und Beweislast substanziiert vorträgt, durch erheblichen Vortrag vorgebracht werden. Allgemeine Ausführungen wie "entsprach nicht dem Standard", "war nicht in der Nähe" oder "war anders" reichen nicht. Zudem fehlt auch in der Rechtsprechung der Instanzgerichte eine einheitliche Linie. Angemessenheit und Zumutbarkeit sind notwendig subjektive Kriterien. So wurde entschieden, dass ein als Abhilfe angebotenes Hotel mit 680 Zimmern gegenüber dem gebuchten Hotel mit 92 Zimmern als Abhilfe angemessen sei, wenn durch den Privatstrand ein Baden in Badekleidung möglich sei, während andererseits auf den Unterschied zwischen einem kleineren Hotel und einem 1100-Betten-/5-Sterne-Hotel als Grund der fehlenden Vergleichbarkeit abgestellt wurde.