Prof. Dr. Hans Josef Vogel
Rz. 116
Die Minderung (§ 651m BGB) tritt kraft Gesetzes ein; weitere Ansprüche blieben unberührt. Die Minderung entfällt ab einer angemessenen Ersatzleistung oder einer Mängelbeseitigung durch Abhilfe.
(1) Grundlage der Minderung
Rz. 117
Die Grundlage der Minderung ist der vollständige Reisepreis, ungeachtet der Frage, welche einzeln abgrenzbare Leistung betroffen ist. Soweit anlässlich der Reise weitere Leistungen erworben oder gebucht werden, die aber außerhalb der Pauschalreise stehen (Ausflüge, Versicherungen, Erwerb von Reiseführern), erhöhen diese nicht den der Berechnung der Minderung zugrunde liegenden Reisepreis.
Gemindert ist der Reisepreis für die Dauer des Reisemangels (§ 651m Abs. 1 S. 1 BGB). Hieraus ergibt sich, dass zunächst der Tagesreisepreis zu errechnen ist:
Gesamtreisepreis : Tage der Reise = Tagesreisepreis
Die in Minderungstabellen (siehe hierzu Rdn 121) ausgeworfenen Beträge beziehen sich nicht auf den gesamten Reisepreis, sondern auf den Tagesreisepreis. Die Dauer der Beeinträchtigung ist also zu ermitteln und auch in einer möglichen Klage genau zu bezeichnen. Erst aus der Multiplikation des Tagesreisepreises mit der Anzahl der Tage, an denen eine Beeinträchtigung vorlag, ergibt sich der Minderungsbetrag.
(2) Zeitliche Erweiterung der Minderung
Rz. 118
Ausnahmen von diesem Gleichlauf zwischen Mangel und Minderung ergeben sich in seltenen Fällen, in denen der Wert der Urlaubsreise insgesamt auf bis zu 0 EUR gemindert sein kann. Bespiele hierfür sind ein Beinahe-Absturz auf dem Rückflug, bei dem der Passagier nachvollziehbar Todesangst erleidet, oder ein Unfall mit erheblichen Verletzungen und Intensivstationsaufenthalt auf dem Weg ins Hotel.
(3) Personenkreis
Rz. 119
Grundsätzlich kann nur der direkt durch den Mangel betroffene Reisende aus der Minderung Ansprüche geltend machen. Mittelbar betroffene Reisende, die im Rahmen einer Gruppe oder Familie durch den Mangel betroffen sind, können sich aber ebenfalls auf eine Minderung berufen. Hierzu gehören Fälle wie etwa fehlende Kinderbetreuung (Auswirkung auf die Eltern) oder die Verletzung eines Ehegatten, die den Urlaub des mitreisenden anderen Ehegatten beeinträchtigt.
(4) Ermittlung der Minderungshöhe
Rz. 120
Die Höhe der Minderung ist nach § 651m Abs. 1 S. 2 BGB zu berechnen. Tatsächlich wird die Minderungsquote in der Regel nach § 287 Abs. 2 ZPO geschätzt. Diese Minderung wird als Prozentquote vom Tagesreisepreis ausgewiesen. Letztlich wird die Minderung durch eine wertende Gesamtbetrachtung ermittelt.
Der Maßstab, anhand dessen die Beeinträchtigung ermittelt wird, ist ein objektiver; es kommt also nicht auf die subjektive Befindlichkeit des Reisenden an. Die Bewertung der Minderung orientiert sich an der Schwere des Reisemangels, dem Nutzen der Reise sowie Dauer und Ausmaß der Nutzungsbeeinträchtigung. Eine Baustelle neben dem Hotel ist deutlich beeinträchtigender bei einem All-Inclusive-Urlaub, bei dem der Reisende die meiste Zeit im Hotel verbringt, als bei einem Aufenthalt im Hotel nur zu Schlaf und Frühstück, während ansonsten andere Aktivitäten im Vordergrund stehen. Die Anforderungen an eine Tour durch Peru sind andere als die an einen Badeurlaub in einem 5-Sterne-Resort; dementsprechend sind die Einschränkungen andere. Gleiches gilt im Übrigen auch für besondere Highlights: Hier wird für einen Ausfall des Highlights ein höherer Minderungsbetrag angemessen sein. Ebenso ist die Sperrung eines hoteleigenen Golfplatzes für einen Badeurlauber deutlich weniger einschränkend als bei einem als Golf-Urlaub ausgeschriebenen Urlaub.
(5) Vortrag im Prozess
Rz. 121
Angesichts dieser weiten Spanne der Faktoren und der unterschiedlichen Bewertungen bleibt nur eine möglichst konkrete Darlegung einerseits der die Qualität der Reise bestimmenden Faktoren und andererseits der tatsächlichen Einschränkungen. Bloß allgemeine Darlegungen ("entsprach nicht den Erwartungen", "Essen nicht dem Standard entsprechend", "Pool war übervoll") reichen nicht aus. Eine wertvolle Hilfe bei der Ermittlung der zutreffenden Minderungshöhe sind die Minderungstabellen. Die "Frankfurter Tabelle" empfiehlt sich dagegen nicht, u.a. da sie seit 1994 nicht aktualisiert wurde. Gleichwohl ist es entscheidend, bei der Suche nach einem zutreffenden Minderungssatz ebenso die konkrete Situation, die dem Urteil zugrunde lag, zu ermitteln, wie den Vergleich mit dem eigenen Sachverhalt vorzunehmen. Letztlich geben die Tabellen einen ersten Anhaltspunkt, aber auch nicht mehr.