Prof. Dr. Hans Josef Vogel
Rz. 128
Der Reisende muss durch den Reisemangel einen Schaden erleiden. In den seltenen Fällen (die in der Praxis kaum denkbar sind), in denen eine Pflichtverletzung des Reiseveranstalters nicht zu einem Reisemangel führt, gilt das allgemeine Leistungsstörungsrecht. Eine nicht nur schuldlos unterlassene Mängelanzeige führt auch zum Verlust von Schadensersatzansprüchen.
(1) Umfang des Anspruchs
Rz. 129
Ersatzfähig ist der gesamte durch den Mangel kausal verursachte Schaden. Hierzu können Verdienstausfall bei Körperverletzung, Beschädigung von Hab und Gut etwa bei Unfällen oder durch Organisationsmängel gehören. § 651i Abs. 3 Nr. 7 BGB stellt auch klar, dass Aufwendungen (§ 284 BGB) erstattungsfähig sind. Hierzu können frustrierte Fahrtkosten (etwa wenn ein Flug wegen nicht mitgeteilter Zeitenänderungen verpasst wurde) oder andere freiwillige Vermögensaufwendungen wegen eines Mangels gehören. Bei der Geltendmachung von Schadensersatz muss immer die Frage der Haftungsbeschränkung des Reiseveranstalters (hierzu Rdn 156) bedacht werden. Auch erlittene Schäden im Rahmen der Abhilfe sind zu berücksichtigen (wenn etwa der Reisende wegen einer fehlerhaften Flugbuchung durch den Check-In-Mitarbeiter gebeten wird, mit ihm zu einem noch erreichbaren Flug durch die Flughafenhalle zu laufen, und hierbei stürzt).
(2) Verschulden des Reiseveranstalters
Rz. 130
Das Verschulden des Reiseveranstalters wird vermutet. Ausgeschlossen ist die Haftung nach § 651n Abs. 1 BGB nur in den drei dort benannten Fällen:
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Nr. 1: wenn der Reisemangel vom Reisenden verschuldet ist; |
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Nr. 2: wenn der Reisemangel von einem Dritten verschuldet ist, der weder Leistungserbringer ist noch in anderer Weise an der Erbringung der von dem Pauschalreisevertrag umfassten Reiseleistungen beteiligt ist, und für den Reiseveranstalter nicht vorhersehbar oder nicht vermeidbar war; |
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Nr. 3: wenn der Reisemangel durch unvermeidbare, außergewöhnliche Umstände verursacht wurde. |
Hinsichtlich jedes dieser Ausschlussgründeist der Reiseveranstalter darlegungs- und beweispflichtig.
Rz. 131
Der erste Ausschlussgrund, § 651n Abs. 1 Nr. 1 BGB, liegt dann vor, wenn der Mangel vom Reisenden verschuldet ist. Das Verschulden ist hier nicht im technischen Sinne (§ 276 Abs. 1 BGB) zu verstehen, sondern vielmehr als Fall der Verursachung des Reisemangels durch den Reisenden oder einen Dritten. Mit dem Ausschlussgrund sind also die Fälle gemeint, in denen ein eigenes Handeln des Reisenden den Schaden verursacht hat. Insoweit ist auch zu berücksichtigen, dass eine Quotelung des Schadensersatzanspruchs möglich ist, wenn ein Verursachungsbeitrag des Reisenden mitgewirkt hat. Beispiele hierfür sind eine fehlende Sorgfalt des Reisenden sowie andere Fälle aus der Rechtsprechung, bei denen ein eigener Verursachungsbeitrag geleistet wird.
Rz. 132
Ein Ausschlussgrund nach § 651n Abs. 1 Nr. 2 BGB liegt vor, wenn der Schaden durch einen Dritten, der weder Leistungserbringer noch an der Erbringung der vertraglich geschuldeten Reiseleistungen beteiligt ist, verursacht wird. Hinzukommen muss, dass der Mangel für den Reiseveranstalter nicht vorhersehbar oder nicht vermeidbar war. Ursache des Mangels und des Schadens muss also das autonome Verhalten eines nicht in die Leistungserbringung eingebundenen Dritten sein, und überdies muss der Mangel entweder unvorhersehbar oder unvermeidbar gewesen sein. Umfasst sind letztlich hiervon lediglich solche Fälle, in denen ohne Kenntnis des Reiseveranstalters oder ohne Vermeidungsmöglichkeit ein autonom von außen kommendes Ereignis den Schaden verursacht.
Rz. 133
Ein Ausschlussgrund nach § 651n Abs. 1 Nr. 3 BGB liegt bei Verursachung des Mangels durch unvermeidbare, außergewöhnliche Umstände vor. Nach der Legaldefinition in § 651h Abs. 3 S. 2 BGB sind Umstände unvermeidbar und außergewöhnlich, wenn sie nicht der Kontrolle der Partei unterliegen, die sich hierauf beruft, und sich ihre Folgen auch dann nicht hätten vermeiden lassen, wenn alle zumutbaren Vorkehrungen getroffen worden wären. Hierbei handelt es sich um die nach altem Recht bekannten Fälle höherer Gewalt, ohne dass die Begriffe indes identisch wären.