Prof. Dr. Hans Josef Vogel
Rz. 18
Für den Reisenden war es nicht immer ohne weiteres erkennbar, ob er eine Pauschalreise buchte oder lediglich zwei oder mehr Reiseleistungen vermittelt wurden. Diese Unsicherheit zu beseitigen war eines der wesentlichen Ziele der Reform des Pauschalreiserechts. Es sollte nach objektiven Kriterien bestimmbar sein, ob eine Pauschalreise vorliegt oder nicht. Zudem sollte der Reisende durch umfassende Informationen und Formularhinweise zum Inhalt und zur Rechtsnatur seiner Reise klar und umfassend aufgeklärt werden. Das Pauschalreiserecht bestimmt nun, dass derjenige Unternehmer Reiseveranstalter ist, der objektiv einen Vertrag über eine Pauschalreise abschließt, unabhängig davon, ob er sich als Reiseveranstalter bezeichnet oder ob er aus Sicht des Kunden als Reiseveranstalter auftritt. Die Eigenschaft des Reiseveranstalters soll also nach Sicht des Gesetzes objektiv festgestellt werden.
Rz. 19
Diese objektiven Grundsätze sind in § 651b BGB geregelt. Hiernach kann sich ein Unternehmer nicht darauf berufen, nur Verträge zu vermitteln, welche die einzelnen Reiseleistungen ausführen sollen,
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wenn dem Reisenden mindestens zwei verschiedene Arten von Reiseleistungen – für den Zweck derselben Reise – erbracht werden sollen und |
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der Reisende die Reiseleistung in einer einzigen Vertriebsstelle des Unternehmens |
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im Rahmen desselben Buchungsvorgangs auswählt, |
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bevor er der Zahlung zustimmt. |
Rz. 20
Da sich die Gewährleistungsrechte des Reisenden bei der Pauschalreise deutlich von denen des Vermittlungsvertrags unterscheiden, ist die Frage, ob eine Pauschalreise vorliegt oder nur die gleichzeitige Vermittlung mehrerer einzelner Reiseleistungen, von entscheidender Bedeutung. Nur wenn der wegen Mängeln in Anspruch genommene Unternehmer tatsächlich Reiseveranstalter ist, stehen dem Reisenden die mannigfaltigen Gewährleistungsrechte des Pauschalreiserechts zu. Nur dann steht ein Ansprechpartner für Mängel und als Beklagter in einem Prozess zur Verfügung. Handelt es sich um eine bloße Vermittlung, ist der einzelne Leistungserbringer (also derjenige, der die Leistung tatsächlich ausführt) für die Qualität der Leistung verantwortlich. Stellen sich bei der Fallbearbeitung Zweifel, ob es sich um einen Pauschalreisevertrag handelt oder lediglich mehrere Reiseleistungen vermittelt worden sind, sind insbesondere die Buchungsunterlagen sorgfältig zu beachten. Insbesondere wenn lediglich eine Buchungsnummer für den gesamten Vorgang vergeben wird, spricht alles dafür, dass es sich um eine Pauschalreise handelt. Notfalls muss hier auch der Ablauf der Buchung oder der Website tatsächlich in Augenschein genommen werden. Ebenso muss die Rechnung geprüft werden, der oder die Zahlungsempfänger und schließlich auch die Informationen, die der Reisende im Zuge der Buchung erhalten hat. Nach Art. 250 § 2 Abs. 1 EGBGB muss dem Kunden ein Formblatt ausgehändigt werden, in dem die Einordung der Reise als Pauschalreise bestätigt wird (Anlage 11 (zu Art. 250 § 2 Abs. 1 EGBGB): "Formblatt zur Unterrichtung des Reisenden bei einer Pauschalreise nach § 651a des Bürgerlichen Gesetzbuchs").
Rz. 21
Es gibt weitere Sonderfälle, in denen dem Unternehmer die Berufung auf die Vermittlung versperrt ist, § 651b Abs. 1 Nr. 2, 3 BGB. Eine solche Berufung auf die bloße Vermittlung ist dem Unternehmer dann nicht gestattet, wenn er die Reiseleistung zu einem Gesamtpreis anbietet, zu verschaffen verspricht oder in Rechnung stellt, oder wenn er die Reiseleistung unter der Bezeichnung "Pauschalreise" oder einer ähnlichen Bezeichnung bewirbt oder auf diese Weise zu verschaffen verspricht. Derartige Bezeichnungen sind typische Begriffe wie "Komplettangebot" und alle Begriffe, die eine Bündelung mehrerer Reiseleistungen zum Ausdruck bringen (z.B. "Kulturwochenende" bei Kombination von Eintritt und Hotel, "Wellness-Tage" bei Kombination von Wellness-Behandlungen und Hotel, "Junggesellen-Tour" bei Kombination von Flug, Hotel und Transfer). Wichtig ist: Auch wenn der Unternehmer erklärt, nur Vermittler zu sein, darf er sich hierauf nicht berufen, sondern wird als Pauschalreiseveranstalter behandelt.
Rz. 22
Durch § 651b BGB wird also eine "Flucht in die Vermittlung" verhindert und werden dem Reisenden weitreichende Gewährleistungsrechte an die Hand gegeben, wenn zwar tatsächlich durch den Unternehmer eine bloße Vermittlung gewünscht war, dieser aber die Buchung nicht den Anforderungen des Gesetzes entsprechend vorgenommen hat.