a) Überblick
Rz. 154
Im Berufungsverfahren erhält der Verteidiger die Gebühren nach Teil 4 Abschnitt 1 Unterabschnitt 3 VV (Nrn. 4124 ff. VV).
Rz. 155
Hier kann zunächst wiederum die Grundgebühr (Nr. 4100 VV) entstehen, wenn der Anwalt im Berufungsverfahren erstmals beauftragt worden ist. War der Anwalt bereits im vorbereitenden Verfahren oder im erstinstanzlichen Verfahren tätig, kann die Grundgebühr nicht mehr entstehen (Anm. Abs. 1 zu Nr. 4100 VV).
Rz. 156
Darüber hinaus entsteht auch hier immer eine Verfahrensgebühr (Nr. 4124 VV) mit einem Gebührenrahmen von 88,00 EUR bis 616,00 EUR; Mittelgebühr 352,00 EUR. Da die Berufungsverfahren ausschließlich vor dem Landgericht stattfinden, gibt es nur diesen einzigen Gebührenrahmen.
Rz. 157
Für die Teilnahme an der Hauptverhandlung erhält der Anwalt je Verhandlungstag wiederum eine Terminsgebühr nach Nr. 4126 VV in Höhe von ebenfalls 88,00 EUR bis 616,00 EUR; Mittelgebühr 352,00 EUR.
Rz. 158
Daneben kommt auch hier die allgemeine Terminsgebühr nach Nr. 4102 VV in Betracht.
Rz. 159
Des Weiteren können auch im Berufungsverfahren wiederum Zusätzliche Gebühren nach den Nrn. 4141 VV ff. hinzukommen sowie u.U. Einigungsgebühren nach Nrn. 1000 Nr. 1, 4147 VV oder nach Anm. zu Nr. 4147 VV i.V.m. Nrn. 1000 ff. VV. Auch hier kann eine Zusätzliche Gebühr nach Nr. 4141 VV anfallen, wenn diese in den vorherigen Verfahrensabschnitten ebenfalls bereits entstanden ist (siehe Rdn 44).
b) Der Anwalt war bereits im vorbereitenden Verfahren oder im erstinstanzlichen Verfahren beauftragt
Rz. 160
War der Anwalt bereits im vorbereitenden Verfahren oder im erstinstanzlichen Verfahren als Verteidiger tätig, hat er dort eine Grundgebühr verdient und kann diese folglich im Berufungsverfahren nicht erneut erhalten (Anm. Abs. 1 zu Nr. 4100 VV).
Rz. 161
Hinsichtlich der Höhe der Gebühren ist auch im Berufungsverfahren danach zu differenzieren, ob sich der Beschuldigte auf freiem Fuß befindet oder nicht.
aa) Beschuldigter befindet sich auf freiem Fuß
(1) Verfahrensgebühr
Rz. 162
Die Verfahrensgebühr entsteht mit der ersten Tätigkeit im Berufungsverfahren nach Einlegung der Berufung, die für den bereits vorinstanzlichen Anwalt nach § 19 Abs. 1 S. 2 Nr. 10 RVG noch zur Vorinstanz zählt.
Beispiel 94: Bloße Berufungseinlegung
Der Anwalt wird mit der Einlegung der Berufung beauftragt. Anschließend kündigt der Auftraggeber das Mandat.
Der Anwalt erhält im Berufungsverfahren keine Vergütung. Die Einlegung der Berufung gehört noch mit zum erstinstanzlichen Verfahren (§ 19 Abs. 1 S. 2 Nr. 10 RVG) und wird durch die dortige Verfahrensgebühr abgegolten (siehe Beispiel 82).
Rz. 163
Beispiel 95: Berufungsverfahren ohne Zusätzliche Gebühr
Der Anwalt wird im Berufungsverfahren als Verteidiger tätig. Das Verfahren wird ohne Zutun des Verteidigers außerhalb der Hauptverhandlung eingestellt. Auszugehen ist von der Mittelgebühr.
Die Grundgebühr nach Nr. 4100 VV kann nicht mehr entstehen (Anm. Abs. 1 zu Nr. 4100 VV). Der Anwalt erhält nur die Verfahrensgebühr nach Nr. 4124 VV. Eine Zusätzliche Gebühr entsteht mangels Mitwirkung nicht (Anm. Abs. 2 zu Nr. 4141 VV).
1. |
Verfahrensgebühr, Nr. 4124 VV |
|
352,00 EUR |
2. |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV |
|
20,00 EUR |
|
Zwischensumme |
372,00 EUR |
|
3. |
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV |
|
70,68 EUR |
Gesamt |
|
442,68 EUR |
(2) Zusätzliche Gebühr vor Hauptverhandlung
Rz. 164
Wird die Berufung zurückgenommen, so entsteht die Zusätzliche Gebühr nach Anm. Abs. 1 S. 1 Nr. 3 zu Nr. 4141 VV. Für das Entstehen der Gebühr kommt es allein auf die Rücknahme an. Anders als im Revisionsverfahren bedarf es einer bereits erfolgten Vorlage der Verfahrensakten an das für das Rechtsmittel zuständige Gericht nicht.
Beispiel 96: Berufungsrücknahme durch Verteidiger unmittelbar vor der Hauptverhandlung
Drei Tage vor dem anberaumten Hauptverhandlungstermin nimmt der Verteidiger die Berufung zurück.
Abzurechnen ist wie im vorangegangenen Beispiel 95. Der Anwalt erhält nur die Verfahrensgebühr nach Nr. 4124 VV. Eine Zusätzliche Gebühr nach Nr. 4141 VV fällt nicht an, da die Zwei-Wochen-Frist nicht gewahrt ist (Anm. Abs. 1 S. 1 Nr. 3 zu Nr. 4141 VV).
Rz. 165
Ebenso entsteht die Zusätzliche Gebühr, wenn das Berufungsverfahren nicht nur vorläufig eingestellt wird (Anm. Abs. 1 S. 1 Nr. 1 zu Nr. 4141 VV).
Beispiel 97: Einstellung des Berufungsverfahrens unter Mitwirkung des Verteidigers
Aufgrund der Berufungsbegründung stellt das Gericht das Verfahren ein.
Neben der Verfahrensgebühr nach Nr. 4124 VV erhält der Anwalt eine Zusätzliche Gebühr nach Nr. 4141 VV (Anm. Abs. 1 S. 1 Nr. 1 zu Nr. 4141 VV).
1. |
Verfahrensgebühr, Nr. 4124 VV |
|
352,00 EUR |
2. |
Zusätzliche Gebühr, Nrn. 4141, 4124 VV |
|
352,00 EUR |
3. |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV |
|
20,00 EUR |
|
Zwischensumme |
724,00 EUR |
|
4. |
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV |
|
137,56 EUR |
Gesamt |
|
861,56 EUR |
Rz. 166
Ebenso entsteht die Zusätzliche Gebühr, wenn die Berufung mehr als zwei Wochen vor einem eventuellen Hauptverhandlungstermin zurückgenommen wird (Anm. Abs. 1 S. 1 Nr. 3 zu Nr. 4141 VV).
Beispiel 98: Berufungsrücknahme durch Verteidiger (I)
Nach Berufungsbegründung, aber noch vor Anberaumung eines Hauptverhandlungstermins, nimmt der Verteidiger die Berufung zurück.
Abzurechnen ist wie im vorangegangenen Beisp...