Rz. 116
Ein wesentlicher Aspekt der Verteidigung ist der dogmatisch richtige Umgang mit dem Fahrverbot bzw. dessen Wegfall. In viel zu vielen Lehrbüchern, Handbüchern und Kommentaren bestehen die Ausführungen zum Absehen vom Fahrverbot aus einer wild gemischten, manchmal immerhin nach Stichworten sortierten Sammlung von Einzelbeispielen aus der Rechtsprechung, ohne dass die dahinter liegende Systematik aufgezeigt wird und dementsprechend ohne dass der Verteidiger sich diese profund aneignen kann.
Rz. 117
Zunächst einmal kann versucht werden, den Eintritt der Rechtsfolge eines Regelfahrverbots selbst zu verhindern, indem man den Tatbestand anzugreifen versucht. Weitere Angriffe gegen das Fahrverbot betreffen dann die Rechtsfolgenseite.
Rz. 118
Hier kann der Verteidiger versuchen, den Erfolgsunwert des Verstoßes als fehlend zu deklarieren. Dabei kommen das Fehlen einer objektiv gesteigerten Gefährlichkeit (z.B. Rotlichtverstoß, aber keine Fußgänger in der Nähe) oder ein erhebliches Mitverschulden eines Gefährdeten in Betracht.
Rz. 119
Des Weiteren kann der Handlungsunwert der Tat verneint werden, wenn kein besonders nachlässiges, leichtsinniges oder gleichgültiges Verhalten vorliegt. Stichworte hierzu sind Augenblicksversagen, Irrtumslagen oder Messungen, die gegen Richtlinien verstoßen. Denn nur wenn Handlungs- und Erfolgsunwert zusammen vorliegen, ist die Anordnung des Fahrverbots angezeigt.
Rz. 120
Ein nächster Angriffspunkt ist die fehlende Erforderlichkeit der Anordnung des Fahrverbots. Dies kann z.B. bei einer besonders langen Verfahrensdauer zutreffen. Bezüglich einer freiwilligen Nachschulung dürfte der gesamte Wegfall des Fahrverbots nicht zu bejahen sein. Diese Konstellation kommt meiner Ansicht nach eher bei § 4 Abs. 4 BKatV zum Tragen.
Rz. 121
Dann kann schlussendlich auch die Angemessenheit der Anordnung zu bestreiten sein. Hier geht es um besondere Härten, etwa privater oder beruflicher Art.
Rz. 122
Erst wenn all diese Versuche scheitern, kommt die Regelung des § 4 Abs. 4 BKatV ins Spiel. Diese Dogmatik spiegelt sich auch inzident in obergerichtlichen Entscheidungen wider, so etwa, wenn immer wieder konstatiert wird, dass eine Erhöhung der Geldbuße bei Wegfall des Fahrverbots nur vorgenommen werden kann, wenn dessen Anordnung noch geboten war. Der Tatrichter muss sich grundsätzlich auch mit der Möglichkeit des Absehens vom Fahrverbot gegen Erhöhung der Geldbuße befassen, außer wenn es sich bei der Tat um einen besonders schweren Verstoß handelt.
Rz. 123
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Muster 35.38: Fahrverbot: Unverwertbarkeit von Voreintragungen
An das Amtsgericht _________________________
Sehr geehrte _________________________,
nach inzwischen gewährter Akteneinsicht gebe ich für den Betroffenen folgende Stellungnahme ab:
Im Gegensatz zur rechtlichen Einschätzung der Bußgeldbehörde kann ein Fahrverbot gegen den Betroffenen nicht angeordnet werden. Denn die zur Begründung des Fahrverbots nach § 4 Abs. 2 S. 2 BKatV herangezogene Voreintragung des Geschwindigkeitsverstoßes vom 10.12.2016, rechtskräftig seit dem 3.1.2017, ist gemäß § 29 Abs. 6 StVG aufgrund des Ablaufs der Frist von zwei Jahren sechs Monaten für das Amtsgericht nicht mehr verwertbar. Dass die Hauptverhandlung erst in Kürze am 5.11.2019 stattfinden kann, liegt nicht im Verantwortungsbereich des Betroffenen. Denn zahlreiche Terminsverlegungen und die Einholung eines Sachverständigengutachtens zur verfahrensgegenständlichen Messung haben die verstrichene Zeit bedingt.
Angesichts des Ergebnisses des eingeholten Gutachtens wäre der Betroffene mit einer Entscheidung im Beschlussweg nach § 72 OWiG einverstanden, sofern als Rechtsfolge die Regelgeldbuße für den einzig noch relevanten aktuellen fahrlässigen Verstoß gegen die angeordnete Höchstgeschwindigkeit außerorts um 27 km/h festgesetzt wird.
Rz. 124
Ggf. muss der Verteidiger bei Voreintragungen die alten und neuen Fristen des § 29 Abs. 6 StVG beachten.
Rz. 125
Muster in Ihr Textverarbeitungsprogramm übernehmen
Muster 35.39: Fahrverbot: Keine abstrakte Gefahr
An das Amtsgericht _________________________
Sehr geehrte _________________________,
nach inzwischen gewährter Akteneinsicht gebe ich für den Betroffenen folgende Stellungnahme ab:
Die Erfüllung des Tatbestandes von Nr. 132.3 BKatV indiziert nach § 4 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 BKatV in der Regel das Vorliegen einer groben Verletzung der Pflichten eines Kraftfahrzeugführers. In derartigen Fällen kommt in der Regel die Anordnung eines Fahrverbots in Betracht. Die Verhängung eines Fahrverbots im Falle des Vorliegens eines qualifizierten Rotlichtverstoßes hat ihre Ursache darin, dass sich bei länger als einer Sekunde andauernder Rotlichtphase bereits Querverkehr in dem durch das Rotlicht gesperrten Bereich befinden kann und die Einfahrt in den durch das rote Wechsellichtzeichen geschützten Bereich regelmäßig mit nicht unerheblicher Geschwindigkeit erfolgt.
Sind jedoch – wie hier – Umstände ersichtli...