a) Überblick
Rz. 92
Im erstinstanzlichen gerichtlichen Verfahren bestimmen sich die Gebühren nach Teil 5 Abschnitt 1 Unterabschnitt 3 VV. Ergänzend gelten Unterabschnitt 1 (Allgemeine Gebühr) und Unterabschnitt 5 (Zusätzliche Gebühren).
Rz. 93
Während im RVG zunächst nur das gerichtliche Verfahren vor dem Amtsgericht geregelt war (Teil 5 Abschnitt 1, Unterabschnitt 3 VV), ist durch das 2. JuMoG zum 31.12.2006 klargestellt worden, dass dieser Unterabschnitt für alle erstinstanzlichen gerichtlichen Verfahren gilt, also auch für die Fälle, in denen nicht das Amtsgericht, sondern das Oberlandesgericht erstinstanzlich zuständig ist (z.B. Verfahren nach § 83 GWB, § 62 WpÜG, § 98 EnWG).
Rz. 94
Das erstinstanzliche gerichtliche Verfahren vor dem Amtsgericht oder auch dem Oberlandesgericht beginnt mit Eingang der Akten bei Gericht (arg. e. Vorbem. 5.1.2 Abs. 1 VV) und endet mit der Rücknahme des Einspruchs, der Einstellung des Verfahrens oder mit Erlass des Urteils oder eines Beschlusses im Verfahren nach § 72 OWiG.
Rz. 95
Das Einlegen der Rechtsbeschwerde oder des Antrags auf Zulassung der Rechtsbeschwerde gehört noch zur Instanz (§ 19 Abs. 1 S. 2 Nr. 10 RVG). Ebenso gehören Nebentätigkeiten noch zum Rechtszug, insbesondere die Kostenfestsetzung (§ 19 Abs. 1 S. 2 Nr. 14 RVG).
Rz. 96
Besondere Angelegenheiten im gerichtlichen Verfahren sind nach Vorbem. 5 Abs. 4 Nr. 1 VV die Verfahren über
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die Erinnerung oder die Beschwerde gegen einen Kostenfestsetzungsbeschluss, |
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die Erinnerung gegen den Kostenansatz, |
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die Beschwerde gegen die Entscheidung über diese Erinnerung. |
Hierzu siehe Rdn 227 ff.
Rz. 97
Auch im erstinstanzlichen gerichtlichen Verfahren kann der Anwalt die Grundgebühr (Nr. 5100 VV) verdienen, sofern er dort erstmals beauftragt wird (Anm. Abs. 1 zu Nr. 5100 VV). War der Anwalt dagegen schon im Verfahren vor der Verwaltungsbehörde tätig, kann die Grundgebühr nicht erneut entstehen.
Rz. 98
Im erstinstanzlichen gerichtlichen Verfahren entsteht zunächst wiederum eine Verfahrensgebühr (Nrn. 5107, 5109, 5111 VV). Auch hier richtet sich der Gebührenrahmen nach der Höhe des Bußgeldes. Da im Gegensatz zum Verfahren vor der Verwaltungsbehörde der Bußgeldbescheid bereits erlassen sein muss, steht die Höhe des Bußgeldes grundsätzlich fest. Eventuelle Veränderungen sind jedoch zu berücksichtigen (siehe Rdn 139 ff., Beispiele 66 u. 67). Soweit nur ein beschränkter Einspruch eingelegt wird, bestimmt sich die Höhe der Gebühren nach der Höhe des noch einspruchsbefangenen Bußgeldes (siehe Beispiele 68 u. 69).
Rz. 99
Neben der Verfahrensgebühr erhält der Anwalt auch im gerichtlichen Verfahren eine Terminsgebühr, und zwar für jeden Kalendertag, an dem ein gerichtlicher Termin stattfindet. Diese Terminsgebühr gilt nicht nur für Hauptverhandlungstermine. Die Terminsgebühr im gerichtlichen Verfahren entsteht nach Vorbem. 5.1.3 Abs. 1 VV auch für die Teilnahme an Terminen außerhalb der Hauptverhandlung. Finden am selben Tage mehrere Termine statt, entsteht die Gebühr nur einmal.
Rz. 100
Eine Unterscheidung zwischen Hauptverhandlungsterminen und anderen gerichtlichen Terminen, etwa zur Vernehmung eines Zeugen vor dem auswärtigen Gericht im Wege der Rechtshilfe o.Ä., findet in Bußgeldsachen nicht statt. Hier steht dem Anwalt für sämtliche Termine einheitlich derselbe Gebührenrahmen zur Verfügung. Es findet hier auch keine Zusammenfassung von bis drei Terminen je Gebühr statt, wie im Strafverfahren (siehe Anm. S. 2 zu Nr. 4102 VV).
Rz. 101
Der Rechtsanwalt erhält die Terminsgebühr auch hier, wenn er zu einem anberaumten Termin erscheint, dieser aber aus Gründen, die er nicht zu vertreten hat, nicht stattfindet (Vorbem. 5 Abs. 3 S. 2 VV). Dies gilt nicht, wenn er rechtzeitig von der Aufhebung oder Verlegung des Termins in Kenntnis gesetzt worden ist (Vorbem. 5 Abs. 3 S. 3 VV).
Rz. 102
Die Terminsgebühr im gerichtlichen Verfahren ist wiederum gestaffelt nach der Höhe des Bußgeldes (Nrn. 5108, 5110, 5112 VV). Sie kann auch von der Höhe der Verfahrensgebühr abweichen, so z.B. bei einer nachträglichen Einspruchsbeschränkung (siehe Rdn 139, Beispiele 66–69).
Rz. 103
Neben Verfahrens- und Terminsgebühren kommen auch hier zusätzliche Gebühren in Betracht (Nrn. 5115, 5116 VV).
b) Der Anwalt war bereits im Verfahren vor der Verwaltungsbehörde beauftragt
aa) Überblick
Rz. 104
War der Anwalt bereits im Verfahren vor der Verwaltungsbehörde beauftragt (siehe Rdn 33 ff.), kann im gerichtlichen Verfahren die Grundgebühr (Nr. 5100 VV) nicht mehr erneut entstehen (Anm. Abs. 1 zu Nr. 5100 VV).
Rz. 105
Ebenso wenig kann die zusätzliche Verfahrensgebühr nach Nr. 5116 VV erneut entstehen, wenn sie im Verfahren vor der Verwaltungsbehörde bereits angefallen war (Anm. Abs. 3 zu Nr. 5116 VV).
Rz. 106
Alle sonstigen Gebühren (also Verfahrens- und Terminsgebühren) sowie die Zusätzliche Gebühr nach Nr. 5115 VV können im erstinstanzlichen gerichtlichen Verfahren dagegen wiederum erneut entstehen, da es sich um eine eigene Angelegenheit handelt (§ 17 Nr. 11 RVG).
bb) Postentgeltpauschale
Rz. 107
Strittig war, ob im gerichtlichen Verfahren gegenüber dem Verfahren vor der Verwaltungsbehörde eine gesondert...