a) Überblick
Rz. 174
Im Rechtsbeschwerdeverfahren richten sich die Gebühren nach Teil 5 Abschnitt 1 Unterabschnitt 4 VV (Nrn. 5113, 5114 VV). Ergänzend gelten Teil 5 Abschnitt 1 Unterabschnitt 1 VV (Allgemeine Gebühr – Nr. 5100 VV) sowie Abschnitt 1 Unterabschnitt 5 Teil 5 VV (Zusätzliche Gebühren, Nrn. 5115, 5116 VV).
Rz. 175
Auf andere Verfahren oder Beschwerdeverfahren in Bußgeldsachen sind die Gebühren nach Teil 5 Abschnitt 1 Unterabschnitt 4 VV nicht – auch nicht entsprechend – anwendbar.
Rz. 176
Das Rechtsbeschwerdeverfahren ist eine eigene Angelegenheit (§ 17 Nr. 1 RVG). Hierzu zählt auch das Verfahren auf Zulassung der Rechtsbeschwerde. Insoweit gilt § 16 Nr. 11 RVG. Das Verfahren auf Zulassung der Rechtsbeschwerde und die zugelassene Rechtsbeschwerde sind eine einzige Gebührenangelegenheit, da das Zulassungsverfahren nicht als Beschwerdeverfahren ausgestaltet ist.
Rz. 177
Der Anwalt erhält im Rechtsbeschwerdeverfahren zunächst einmal eine Verfahrensgebühr nach Nr. 5113 VV für das Betreiben des Geschäfts (Vorbem. 5 Abs. 2 VV). Eine Differenzierung nach der Höhe des ausgeurteilten oder angedrohten Bußgeldes wird – im Gegensatz zum Verfahren vor der Verwaltungsbehörde und zum gerichtlichen Verfahren erster Instanz – im Rechtsbeschwerdeverfahren nicht vorgenommen.
Rz. 178
Ebenso ist es unerheblich, vor welchem Gericht die Rechtsbeschwerde geführt wird. Die Nrn. 5113, 5114 VV sind also auch für eine Rechtsbeschwerde vor dem BGH (§ 84 GWB; § 63 WpÜG; § 99 EnWG) anzuwenden.
Rz. 179
Neben der Verfahrensgebühr erhält der Anwalt eine Terminsgebühr für jeden Tag der Hauptverhandlung (Nr. 5114 VV). Auch hier kann der Anwalt die Gebühr bei Terminsausfall erhalten (Vorbem. 5 Abs. 3 S. 2 VV).
Rz. 180
Darüber hinaus kommt eine Zusätzliche Gebühr nach Nr. 5115 VV in Höhe der Verfahrensmittelgebühr aus Nr. 5113 VV in Betracht, wenn
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sich das Rechtsbeschwerdeverfahren durch Rücknahme der Rechtsbeschwerde des Betroffenen oder eines anderen Verfahrensbeteiligten erledigt (Anm. Abs. 1 Nr. 4 zu Nr. 5115 VV), wobei auch hier die Rücknahme mehr als zwei Wochen vor einem eventuellen Hauptverhandlungstermin erklärt werden muss oder |
▪ |
wenn das Verfahren nicht nur vorläufig eingestellt wird (Anm. Abs. 1 Nr. 1 zu Nr. 5115 VV). |
Rz. 181
Entsprechendes gilt, wenn
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der Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde zurückgenommen oder |
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die Sache noch im Zulassungsverfahren nicht nur vorläufig eingestellt wird. |
Rz. 182
Auch im Verfahren der Rechtsbeschwerde kommt eine zusätzliche Verfahrensgebühr nach Nr. 5116 VV in Betracht, wenn sich die Tätigkeit des Anwalts auf eine Einziehung oder verwandte Maßnahmen erstreckt. Die Gebühr entsteht auch dann, wenn die zusätzliche Verfahrensgebühr der Nr. 5116 VV bereits in erster Instanz oder im Verfahren vor der Verwaltungsbehörde angefallen ist (arg. e Anm. Abs. 3 S. 2 zu Nr. 5116 VV).
b) Rechtsbeschwerde
aa) Der Verteidiger war bereits vorinstanzlich beauftragt
Rz. 183
Wegen der im Verfahren vor der Verwaltungsbehörde oder im erstinstanzlichen Verfahren entstandenen Gebühren wird auf die Ausführungen zu Rdn 70 ff., 134 und 134 ff. verwiesen.
Rz. 184
War der Anwalt bereits in der Sache als Verteidiger tätig, hatte er also insbesondere schon im Verfahren vor der Verwaltungsbehörde oder im gerichtlichen Verfahren verteidigt, kann er im Rechtsbeschwerdeverfahren die Grundgebühr nach Nr. 5100 VV nicht mehr verdienen, da diese nur einmalig für die erste Einarbeitung entsteht. Zudem gilt für den Verteidiger der Vorinstanz § 19 Abs. 1 S. 2 Nr. 10 RVG, wonach das Einlegen des Rechtmittels noch zur ersten Instanz zählt. Dagegen kann die zusätzliche Verfahrensgebühr nach Nr. 5116 VV jetzt wieder erneut entstehen (Anm. Abs. 3 S. 2 zu Nr. 5116 VV).
Beispiel 92: Rechtsbeschwerde und anschließende Mandatsbeendigung
Nach Verkündung des Urteils legt der Verteidiger auftragsgemäß Rechtsbeschwerde ein. Bevor die Urteilsgründe zugestellt werden, kündigt der Auftraggeber das Mandat und beauftragt einen anderen Verteidiger.
Für den erstinstanzlichen Anwalt zählt die Einlegung des Rechtsmittels nach § 19 Abs. 1 S. 2 Nr. 10 RVG noch zur ersten Instanz, sodass hierfür keine gesonderten Gebühren anfallen. Auch eine weitere Postentgeltpauschale nach Nr. 7002 VV kann er nicht beanspruchen.
Rz. 185
Beispiel 93: Rücknahme der Rechtsbeschwerde weniger als zwei Wochen vor der Hauptverhandlung
Der Verteidiger wird mit der Einlegung der Rechtsbeschwerde beauftragt, die er auch begründet. Eine Woche vor dem Hauptverhandlungstermin nimmt er die Rechtsbeschwerde auftragsgemäß zurück.
Das Einlegen der Rechtsbeschwerde gehört wiederum noch zur ersten Instanz (§ 19 Abs. 1 S. 2 Nr. 10 RVG). Mit der Begründung der Rechtsbeschwerde hat der Verteidiger jedoch die Verfahrensgebühr nach Nr. 5113 VV verdient.
Eine Zusätzliche Gebühr nach Nr. 5115 VV entsteht dagegen hier nicht, da die Rücknahme mehr als zwei Wochen vor...