Prof. Dr. Günther Schneider
Rz. 178
Der Schadensersatzanspruch geht auf den Versicherungsträger oder Träger der Sozialhilfe über, soweit dieser aufgrund des Schadensereignisses Sozialleistungen zu erbringen hat.
Rz. 179
Versicherungsträger sind die Sozialversicherungsträger (allgemein § 4 SGB I), und zwar die gesetzlichen Krankenkassen (§ 21 SGB I, § 4 SGB V), die Berufsgenossenschaften (gesetzliche Unfallversicherung; § 22 SGB I, § 114 SGB VII) und die Rentenversicherungsträger (Deutsche Rentenversicherung Bund und die Regionalträger, Deutsche Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See, Sozialversicherung für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau; § 23 SGB I, § 125 SGB VI).
Rz. 180
Zum Kreis der von § 116 Abs. 1 S. 1 SGB X erfassten Sozialversicherungsträger zählen auch die für die soziale Pflegeversicherung zuständigen Pflegekassen (§ 21a SGB I; § 1 Abs. 3 SGB XI). Gehen die Leistungen der gesetzlichen Pflegeversicherung ursächlich auf einen Schadensfall zurück, so ist die Pflegekasse bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen des § 116 Abs. 1 SGB X aktiv legitimiert, den sich ergebenden Schadensersatzanspruch geltend zu machen. Zur Pflegeversicherung, die seit ihrer Einführung als "5. Säule der Sozialversicherung" am 1.1.1995 ein eigenständiger Zweig der Sozialversicherung ist (§ 1 Abs. 1 SGB XI), vgl. bereits Rdn 32.
Rz. 181
Kraft der in § 116 Abs. 10 SGB X getroffenen ausdrücklichen Fiktion ist die Bundesagentur für Arbeit in den Kreis der Sozialversicherungsträger im Sinne der Vorschrift mit einbezogen. Erbringt sie im Rahmen der so genannten "Nahtlosigkeitsregelung" nach § 145 Abs. 1 S. 1 SGB III Arbeitslosengeld, ist sie (und nicht der Rentenversicherer) Träger der Sozialleistung i.S.d. § 116 Abs. 1 S. 1 SGB X. Denn der Anspruchsübergang ist an die Voraussetzung geknüpft, dass der Sozialleistungsträger nach außen hin (im Rahmen des § 116 Abs. 1 Satz 1 SGB X also gegenüber dem Gläubiger der Sozialleistung, im Rahmen des § 116 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB X gegenüber dem Gläubiger der Beitragsleistung) zur Leistung gesetzlich verpflichtet ist. Die Voraussetzungen und Folgen der Legalzession gelten mithin auch für die Bundesanstalt für Arbeit. Gleiches gilt gem. § 116 Abs. 10 SGB X für die Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch (vgl. dazu § 6 SGB II).
Rz. 182
Hinsichtlich der in § 116 Abs. 1 S. 1 SGB X ebenfalls erfassten Träger der Sozialhilfe bestimmt § 3 SGB XII vorbehaltlich landesrechtlich anderweitiger Regelungen die kreisfreien Städte und die Kreise. Die überörtlichen Träger werden durch Landesrecht bestimmt.
Rz. 183
Die Versorgungsanstalt der Deutschen Bundespost ist kein Sozialversicherungsträger. Selbst wenn sie für einen Unfallgeschädigten Rentenleistungen erbracht hat, findet deshalb ein gesetzlicher Forderungsübergang nach § 116 SGB X nicht statt. Keine Versicherungsträger im Sinne von § 116 Abs. 1 SGB X sind die Versorgungsverwaltung (§ 24 SGB I) und die weiter in den §§ 18, 26, 27 SGB I genannten leistungserbringenden Körperschaften und Behörden.
Rz. 184
Für die Frage, auf wen ein Schadensersatzanspruch gemäß § 116 Abs. 1 SGB X übergegangen ist, kommt es darauf an, wer im Außenverhältnis zur Erbringung der jeweiligen Sozial- oder Beitragsleistung gesetzlich verpflichtet ist, nicht aber darauf, ob Ausgleichs- oder Erstattungsansprüche im Innenverhältnis bestehen. Der im Außenverhältnis verpflichtete Träger hat folglich die Aktivlegitimation.
Rz. 185
Die Leistungen müssen aufgrund gesetzlicher Vorschriften oder satzungsmäßiger Regelungen zu erbringen sein. Insoweit ist für die gesetzliche Krankenversicherung auf die §§ 11, 27 ff. SGB V, für die gesetzliche Unfallversicherung auf die §§ 26 ff. SGB VII, für die Rentenversicherung auf §§ 9 ff. SGB VI und für die soziale Pflegeversicherung auf §§ 28, 36 ff. SGB XI zu verweisen. Zu den von der Bundesagentur für Arbeit geschuldeten Leistungen vgl. im Überblick § 3 SGB III.
Rz. 186
Der Anspruchsübergang erfolgt unabhängig davon, ob die Leistungspflicht unmittelbar auf Gesetz beruht oder auf einer freiwilligen Versicherung, die ihre Grundlage in der Satzung des Sozialversicherungsträger hat. Sind die Schadensersatzansprüche eines Familienversicherten (§ 10 SGB V; § 205 RVO a.F.) zum Zeitpunkt des Schadensereignisses dem Grunde nach auf die Krankenkasse übergegangen, so sind Leistungen, die erbracht wurden, nachdem der Verletzte der Krankenversicherung freiwillig beigetreten ist (Beendigung der Familienversicherung), nur zu berücksichtigen, wenn die der freiwilligen Versicherung vorausgegangene Familienversicherung als Einheit anzusehen ist. Zu berücksichtigen sind auch "Kann-Leistungen", ebenso die vom Leistungsträger aufgrund einer Sollvorschrift zu erbringenden Leistungen (vgl. §§ 38, 39 SGB I; z.B. §§ 40, 41, 43 SGB V oder §§ 35 Abs. 3, 54 Abs. 3 SGB VII). Ein Übergang auf die Krankenkasse findet nicht statt, wenn ein Versicherter Kassenleistungen nicht beansprucht, weil er sich einer Privatbehandlung unterzieht. Solange ...