Prof. Dr. Günther Schneider
Rz. 372
Das Teilungsabkommen dient unter anderem dem Zweck, die Prüfung der Haftungsfrage auszuschließen. Voraussetzung für die Anwendung des Teilungsabkommen bleibt indessen, dass der Haftpflichtversicherer zur Schadensdeckung verpflichtet ist. Der Deckungskomplex wird daher durch das Teilungsabkommen nicht berührt.
Rz. 373
Dies hat zur Folge, dass unabhängig von der Haftungsfrage das Teilungsabkommen nur dann Anwendung findet, wenn das Schadensereignis seiner Art nach in den Kreis der versicherten Risiken fällt. Demnach müssen das vom Sozialversicherungsträger behauptete Schadensereignis und der sich ergebende Haftpflichtanspruch (nicht überprüfbar) seinem Charakter nach durch das versicherte Risiko gedeckt sein. Das jeweilige versicherte Risiko ergibt sich aus dem konkreten Versicherungsvertrag. Die Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung deckt keine Ansprüche ab, die z.B. gegen den Hauseigentümer wegen der Verletzung seiner Verkehrssicherungspflicht geltend gemacht werden. Die Prüfung des Zusammenhangs zwischen Schadensereignis und versichertem Risikobereich ist nicht Prüfung der Haftungsfrage, sondern vielmehr gerade Anwendungsvoraussetzung für das Teilungsabkommen. Versichertes Risiko oder versichertes Wagnis ist gleichzusetzen mit der Gefahr, durch ein bestimmtes Verhaltens wegen eines Personenschadens in Anspruch genommen zu werden. Deshalb muss der Sozialversicherungsträger nachweisen, dass der Versicherungsnehmer an dem Schadensfall wirklich beteiligt war. Zu denken ist hier an den Fall, dass der tatsächliche Fahrer eines Kraftfahrzeugs nicht sicher festzustellen ist.
Rz. 374
Rechtsprechung und Literatur gehen überwiegend davon aus, dass der Anspruch aus dem Teilungsabkommen einen ursächlichen Zusammenhang zwischen dem Schadensereignis und dem haftpflichtversicherten Wagnis voraussetzt. Nicht erforderlich ist dagegen das Vorliegen eines Zusammenhangs zwischen versichertem Wagnis und Schaden.
Rz. 375
Zusammengefasst ist daher festzuhalten, dass der adäquate Ursachenzusammenhang im Sinne des Teilungsabkommen zwischen dem Schadensereignis und einem Handeln oder Unterlassen des in Anspruch Genommenen gegeben ist, wenn das Schadensereignis seiner Art nach in den versicherten Gefahrenbereich fällt. Es handelt sich hierbei um einen inneren Zusammenhang zwischen dem Schadensfall und dem versicherten Wagnis. Nicht erforderlich ist dagegen, dass der Versicherungsnehmer seine Pflicht objektiv verletzt hat.
Rz. 376
Für den Bereich der Kraftfahrt-Haftpflichtversicherung wird ein Zusammenhang zwischen dem Schadensereignis und dem Gebrauch des Fahrzeugs gefordert. Der "Gebrauch des Fahrzeugs" ist nach Versicherungsart und -umfang "versicherte Gefahr". Gegenüber dem Betriebsbegriff (§ 7 StVG) ist der des "Gebrauchs des Fahrzeugs" der weitergehende. Viele Teilungsabkommen beinhalten zur Streitvermeidung und zur Vermeidung einer uferlosen Ausweitung den Hinweis, dass, wenn der Schadensfall mit einer unbeweglichen Sache (z.B. Treppenunfall) oder mit der Herstellung bzw. Lieferung einer beweglichen Sache (z.B. Verladeunfälle) in Zusammenhang steht, es erforderlich und ausreichend ist, dass ein objektiv verkehrswidriger Zustand oder ein objektives Fehlverhalten glaubhaft gemacht wird. Zur Glaubhaftmachung genügt mangels anderer Anhaltspunkte (z.B. tatsächlichen Feststellungen, Indizien, Zeugenaussagen usw.) die Aussage des Verletzten.
Rz. 377
Rechtsprechung hierzu in zeitlicher Abfolge:
Adäquate Kausalität bejaht:
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Auffahren eines Motorradfahrers gegen einen in der Tankstellenausfahrt haltenden Pkw. |
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Wenn das Kraftfahrzeug sich im öffentlichen Verkehrsraum befindet, auch wenn es anhält oder geparkt ist und sich hierbei ein Unfall ereignet. |
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Bei der Versicherung eines Lastzugs umfasst der Gefahrenbereich auch die Gefährdung von Personen beim Be- und Entladen. |
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Abkommenshaftung, wenn der überholende Kraftfahrer nach Abschluss des Überholvorgangs ins Schleudern gerät und gegen einen Baum prallt. |
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Abkommenshaftung, wenn ein Radfahrer auf ein abgestelltes und die Fahrbahn erheblich einengendes Kfz auffährt. |
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Ursächlicher Zusammenhang bei Massenunfall. |
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Inanspruchnahme des versicherten Hauseigentümers und Vermieters wegen eines Treppenunfalls; ein ordnungswidriger Zustand ist nicht erforderlich. |
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Zum versicherten Gefahrenbereich gehört bei der von einer Maschinenfabrik abgeschlossenen Haftpflichtversicherung auch die Gefahr, dass ein Benutzer infolge vorwerfbar mangelhafter Herstellung einer nicht betriebssicheren Maschine (hier einer Drehtischpresse) verletzt wird. |
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Abkommensfall möglicherweise auch dann, wenn das überholende und das überholte Fahrzeug sich nicht berührt haben. |
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Überholen für sich allein ist bereits kausal im Sinne des Teilungsabkommen. |
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Arbeiter geriet in eine durch Lichtkontakte betriebene "Steinzange", was zur Bejahung der Kausalität zwischen Schadensereignis und versichertem Wagnis (Herstellerfirma) führte. |
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Typhus... |