Prof. Dr. Günther Schneider
a) Grundlagen
Rz. 234
Nach § 116 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 SGB X, der durch Art. 5 Nr. 2 RRG 1992 vom 18.12.1989 angefügt und mit Wirkung vom 1.1.1992 in Kraft getreten ist, unterliegen Beiträge, die von Sozialleistungen zu zahlen sind, dem Forderungsübergang. Gemäß § 116 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB X, der aufgrund des Art. 10 Nr. 8 des 4. Euro-Einführungsgesetzes vom 21.12.2000 in die Regelung aufgenommen worden ist, unterfallen dem Forderungsübergang des Weiteren die Beiträge zur Krankenversicherung, die für die Dauer des Anspruchs auf Krankengeld unbeschadet des § 224 Abs. 1 SGB V zu zahlen wären (siehe Rdn 257).
Rz. 235
Die von den Sozialversicherungsträgern z.B. während der medizinischen oder beruflichen Rehabilitation zu zahlenden Sozialversicherungsbeiträge beinhalten nicht lediglich einen bloßen internen Lastenausgleich. Sie stellen vielmehr Sozialleistungen dar, die der Sozialversicherungsträger aus seinen Mitteln bestreitet und die er für den geschädigten Versicherten erbringt. Damit sind sie aber in den Regress gegenüber dem Schädiger folgerichtig einbezogen und stehen damit in Kongruenz zum Erwerbsschadensanteil "Sozialversicherungsbeiträge".
Rz. 236
Erschwert wird die Beurteilung allerdings wegen zahlreicher Gesetzesänderungen. Die verschiedenen gesetzlichen Neuregelungen haben zur Folge, dass es hinsichtlich der Frage, ob von Sozialleistungen zu entrichtende Beiträge zur Sozialversicherung zum Schaden kongruent sind, in zeitlicher Hinsicht der Differenzierung bedarf. In sachlicher Hinsicht ist zwischen den von den verschiedenen Sozialversicherungsträgern zu leistenden Beiträgen zu unterscheiden. Dies ist Folge des gegliederten Systems der Sozialversicherung.
Rz. 237
Wegen gesetzlicher Änderungen ist in zeitlicher Hinsicht in Bezug auf die Kongruenz von Sozialversicherungsbeiträgen wie folgt zu differenzieren:
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Gesonderter Beurteilung bedarf die bis zum 31.12.1983 geltende Rechtslage. |
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Das Haushaltsbegleitgesetz 1984 vom 22.12.1983 hatte Auswirkungen auf die Beitragspflicht in der Renten- und der Arbeitslosenversicherung. Insoweit ergibt sich eine gesonderte Behandlung für den vom 1.1.1984 bis zum 31.12.1991 laufenden Zeitraum. |
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Schließlich geht es darum, den Zeitraum seit dem 1.1.1992, seit dem Inkrafttreten des RRG 1992, zu beurteilen. Die Rentenreform 1992 (RRG 1992) hat erneut zur Verankerung von Neuregelungen hinsichtlich der Beitragspflicht geführt. |
b) Schadensfälle bis zum 31.12.1983
Rz. 238
Soweit die Sozialversicherungsträger im Zeitraum bis zum 31.12.1983 Barleistungen (Krankengeld, Versorgungskrankengeld, Verletztengeld, Übergangsgeld) zu erbringen hatten, oblag es ihnen, hieraus die Beiträge zur Sozialversicherung zu zahlen (§ 12 Nr. 2 RehaAnglG i.E., § 1227 Abs. 1 Nr. 8a RVO a.F., § 2 Abs. 1 Nr. 10a AVG a.F., § 29 Abs. 1 Nr. 5 RKG a.F., §§ 168 Abs. 1a, 171 Abs. 1a AFG a.F., § 381 Abs. 3a RVO a.F.).
Rz. 239
Die vom Sozialversicherungsträger kraft Gesetzes zu zahlenden Rentenversicherungsbeiträge dienen der Aufrechterhaltung der Mitgliedschaft des Verletzten in der gesetzlichen Rentenversicherung. Es handelt sich deshalb um einen nach dem gesetzlichen Beitragssatz und dem jeweiligen Bruttoeinkommen bemessenen Pflichtbeitrag, der den Arbeitnehmer vor den Folgen von Krankheit, Unfall, Invalidität, Alter und Arbeitslosigkeit schützt und die der Sozialversicherungsträger im Rahmen des Sozialversicherungsverhältnisses dem Betroffenen schuldet. Der Schädiger bzw. sein Haftpflichtversicherer ist verpflichtet, für die hierzu notwendigen Beiträge im Rahmen des Verdienstausfallschadens im Sinne der §§ 842, 843 BGB, § 11 StVG aufzukommen. Der Forderungsübergang tritt in Höhe der vom Sozialversicherungsträger geleisteten Beiträge ein (§ 1542 RVO a.F., § 116 SGB X).
Rz. 240
Nimmt der Sozialversicherungsträger den Schädiger wegen der geleisteten RV-Beiträge in Anspruch, ist er auf den Beitrag beschränkt, den er aus der dem Versicherten geschuldeten Sozialleistung erbringt. Im Falle der hälftigen Beitragstragung darf der Sozialversicherungsträger daher auch nur den auf ihn entfallenden Beitragsanteil in die Regressrechnung einbringen. Hat er zuvor den vollen RV-Beitrag unter Einschluss des Versichertenanteils an den Rentenversicherungsträger und damit insoweit zu Unrecht abgeführt, besteht insoweit allein die Möglichkeit der Verrechnung gegenüber dem Versicherten bei Auszahlung der Lohnersatzleistung. Insoweit stützt sich der Anspruch des Sozialversicherungsträgers auf Leistungskondiktion nach § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB.
Rz. 241
Die Erfahrungen haben gezeigt, dass Verletzte in vielen Fällen die Einforderung ihres Fortkommensschadens unterließen, was u.a. auch Grund für die Schaffung des § 119 SGB X war. Danach wird der Fortkommensschaden für Schadensfälle ab dem 1.7.1983 vom Forderungsübergang nach § 119 SGB X erfasst (Rdn 446 ff.). Anwendungsfall für § 119 SGB X: Die vom Sozialversicherungsträger zu leistenden Rentenversicherungsbeiträge errechnen sich bis zum 31.12.1994 aus de...