Prof. Dr. Günther Schneider
Rz. 338
Es ist keine Seltenheit, dass der zunächst eintrittspflichtig gewesene Sozialversicherungsträger seine Zuständigkeit verliert und durch einen anderen Leistungsträger ersetzt wird. Dies ist z.B. der Fall, wenn durch einen Wohnsitz- oder Arbeitsplatzwechsel oder durch Ausübung des Kassenwahlrechts (§§ 173 ff. SGB V) die Zuständigkeit einer anderen Krankenkasse begründet wird, wenn die Zuständigkeit der Berufsgenossenschaft wechselt (z.B. §§ 121 ff. SGB VII), wenn der Versicherte eine neue Krankenkasse wählt oder wenn anstelle eines Sozialversicherungsträgers ein öffentlicher Dienstherr leistungspflichtig wird.
Rz. 339
Der Übergang von Schadensersatzansprüchen nach § 116 Abs. 1 SGB X realisiert sich grundsätzlich schon im Zeitpunkt des schädigenden Ereignisses, soweit der Sozialversicherungsträger dem Geschädigten möglicherweise in Zukunft Leistungen zu erbringen hat, die sachlich und zeitlich mit den Erstattungsansprüchen des Geschädigten kongruent sind (Rdn 18 ff.). Erbringt der nachfolgende Leistungsträger gleichartige Leistungen, so tritt Rechtsnachfolge ein. Bei der Rechtsnachfolge übernimmt der nachfolgende Sozialversicherungsträger den Regressanspruch in dem Zustand, in dem sich der Anspruch beim Rechtsvorgänger befand. So wirken z.B. Anerkenntnisse, Vergleiche, Verzichte, Verjährungsfristen, Feststellungsurteile auch zulasten des übernehmenden Sozialversicherungsträger. Der Schädiger ist berechtigt, die Einwendungen hieraus dem Rechtsnachfolger entgegenzusetzen (§§ 404 ff. BGB).
Rz. 340
In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, ob der Rechtsnachfolger (Krankenkasse) eine Beteiligung an der Abfindungssumme verlangen kann, wenn der Rechtsvorgänger hinsichtlich des Forderungsübergangs mit dem Haftpflichtversicherer des Schädigers einen Abfindungsvergleich für künftige Schäden geschlossen hat. Der Bundesgerichtshof hat dazu entschieden, dass der Rechtsvorgänger mangels einer anderslautenden Abmachung grundsätzlich nicht verpflichtet ist, die nachfolgende Kasse zu beteiligen. Der weiteren Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 4.3.1986 lag die Fragestellung zugrunde, welche Ansprüche ein Gesamtgläubiger geltend machen kann, wenn der andere einen Abfindungsvergleich über die auf ihn übergegangenen Schadensersatzforderungen geschlossen hat.
Rz. 341
Rechtsnachfolge tritt ein, wenn die Leistungspflicht vom Sozialversicherungsträger auf den öffentlichen Dienstherrn oder umgekehrt übergeht.
Rz. 342
Dagegen erwirbt der Rentenversicherungsträger die Regressforderung nicht von der Krankenkasse, die nach dem Unfall zunächst Krankengeld gewährt hat. Insoweit fehlt es an der Gleichartigkeit der Leistungen.
Rz. 343
Bei Rechtsnachfolge (gleichartige Leistungen) erfolgt der Anspruchsübergang auf den zweiten Träger erst, wenn dieser zuständig wird. Etwas anderes gilt, wenn ein zum Unfallzeitpunkt familienversichertes Mitglied der Krankenkasse als freiwilliges Mitglied nahtlos beitritt, dann sind die Leistungsansprüche – aus den unterschiedlichen Versicherungsvoraussetzungen – als "Einheit" aufzufassen, sodass auch wegen der späteren Leistungen der Forderungsübergang bereits im Unfallzeitpunkt erfolgt.
Rz. 344
Wegen des Wechsels des Sozialversicherungsträgers bei Teilungsabkommen vgl. Rdn 413 ff.
Rz. 345
Hingewiesen sei auf eine Fragestellung, die sich infolge einer Gesetzesänderung mit Wirkung ab 1.1.1991 erledigt hat, indessen für in der Vergangenheit liegende Schadensfälle noch relevant sein kann: Rechtsnachfolge wurde angenommen, wenn ein Unfallversicherungsträger anstelle einer an sich zunächst zuständig gewesenen Krankenkasse das Heilverfahren nach § 565 Abs. 2 RVO a.F. an sich gezogen hatte. In diesem Fall erwarb die Berufsgenossenschaft die bis dahin der Krankenkasse zustehenden kongruenten Schadensersatzansprüche des Verletzten als Alleingläubigerin. Während der berufsgenossenschaftlichen Heilbehandlung konnte die Krankenkasse keine Feststellungsklage wegen der Kosten der von ihr durchgeführten Heilbehandlung erheben, weil ihr dazu die Aktivlegitimation fehlte. Rechtsnachfolge sollte nach Auffassung des OLG Zweibrücken allerdings dann nicht bestehen, wenn der Verletzte nur im Rahmen der Familienkrankenhilfe nach § 205 Abs. 2 S. 1 RVO a.F. versichert war.
Rz. 346
Weil § 565 RVO a.F. mit Wirkung vom 1.1.1991 (GRG) aufgehoben wurde und damit die Alleinzuständigkeit der Unfallversicherungsträger ab 1.1.1991 für alle Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten vom ersten Tag an besteht (§ 11 Abs. 4 SGB V), stellt sich das angesprochene Problem zukünftig nicht mehr.