Prof. Dr. Günther Schneider
Rz. 452
§ 119 SGB X a.F. Übergang von Beitragsansprüchen
Soweit der Schadensersatzanspruch eines Sozialversicherten, der der Versicherungspflicht unterliegt, den Anspruch auf Ersatz von Beiträgen zur Sozialversicherung umfasst, geht dieser auf den Leistungsträger über; dies gilt nicht, wenn und soweit der Arbeitgeber das Arbeitsentgelt fortzahlt oder sonstige der Beitragspflicht unterliegende Leistungen erbringt. Die eingegangenen Beiträge gelten in der Rentenversicherung als Pflichtbeiträge, wenn der Geschädigte im Zeitpunkt des Schadensereignisses pflichtversichert war. Durch den Übergang des Anspruchs auf Ersatz von Beiträgen darf der Sozialversicherte nicht schlechter gestellt werden, als er ohne den Schadensersatzanspruch gestanden hätte.
Rz. 453
Die Vorschrift erfasst Schadensfälle ab 1.7.1983.
Rz. 454
Nach § 119 SGB X in der genannten Fassung ging ein Schadensersatzanspruch des sozialversicherten Verletzten auf Ersatz von Beiträgen zur Sozialversicherung auf den "Leistungsträger" über, ohne dass der Verletzte eine gleichartige Leistung erhielt. Insoweit begründete die damalige Neuregelung ein Novum, weil ansonsten Legalzessionen den Zweck verfolgten, eine Bereicherung des Zedenten zu vermeiden.
Rz. 455
§ 119 SGB X a.F. begründet keinen originären Anspruch des Sozialversicherungsträger. Weil es sich um eine Legalzession handelt, ist stets zu prüfen, ob der Verletzte, § 119 SGB X hinweggedacht, einen Anspruch auf Ersatz von Sozialversicherungsbeiträgen hätte. Soweit der Sozialversicherungsträger bzw. der Verletzte Pflichtversicherungsbeiträge (Beitragsanteile) aus den Lohnersatzleistungen zu zahlen haben, beanspruchen sie den kongruenten Verdienstausfall zur Schadensdeckung: der Sozialversicherungsträger aufgrund des Forderungsübergangs, der Verletzte im Wege des Direktanspruchs (Rdn 240 f.). Insoweit ist der Schaden "verbraucht" und kann nicht mehr Gegenstand des § 119 SGB X sein. Von § 119 SGB X erfasst wurden insoweit nur darüber hinausgehende Ansprüche auf Ersatz von Beiträgen zur Sozialversicherung.
Rz. 456
§ 119 SGB X a.F. kam deshalb nur nachrangig zum Zug, und zwar hinsichtlich der Beiträge aus der Differenz zwischen der gezahlten Lohnersatzleistung (Krankengeld, Verletztengeld usw.) und dem entgangenen Bruttoarbeitsentgelt bis zur Haftungsquote. Allein dieser "Spitzbetrag" war Gegenstand der Legalzession nach § 119 SGB X a.F. (Rdn 241).
Rz. 457
Der Anspruch (§ 249 S. 1 BGB) auf die Herstellung vollwertigen Versicherungsschutzes lässt sich nur hinsichtlich der Rentenversicherung feststellen. Ein Regress des Unfallversicherungsträgers scheidet aus, weil die Beitragspflicht allein dem Unternehmer obliegt. Ein Anspruch des Versicherten auf Ersatz von Beiträgen, der nach § 119 SGB X übergehen könnte, besteht nicht. Obwohl der Krankenversicherer als Zessionar nicht ausgeschlossen ist, ist kein Fall denkbar, bei dem ein Anspruch in Betracht käme. Während des Bezugs von Krankengeld ist der Verletzte beitragsfrei in der gesetzlichen Krankenversicherung versichert. Vgl. hierzu § 383 RVO a.F., § 224 SGB V.
Rz. 458
Bei der Pflichtversicherung des Rentners werden die Beiträge an die Krankenkasse bereits entrichtet. Sie sind vom Rentner nach Abzug eines Zuschusses des Rentenversicherungsträgers selbst zu zahlen. Sie werden nach § 116 SGB X (§ 1542 RVO a.F.) regressiert.
Rz. 459
Auch die Bundesanstalt für Arbeit scheidet als Zessionar nach § 119 SGB X aus. Ein Anspruch auf Zahlung von Beiträgen besteht nicht, weil der Verletzte keine Möglichkeit zur freiwilligen Arbeitslosenversicherung hat. Auch ist – jedenfalls für den hier in Rede stehenden Zeitraum – umstritten, ob die Bundesanstalt für Arbeit Leistungsträger im Sinne der Vorschrift ist.
Rz. 460
§ 119 SGB X gilt nur für den Ausfall von Beiträgen, die den vollständigen Versicherungsschutz herstellen und die ohne den Unfall geleistet worden wären. Deshalb findet die Regelung keine Anwendung, wenn und soweit der Arbeitgeber das Arbeitsentgelt fortzahlt oder sonstige der Beitragspflicht unterliegende Leistungen erbringt. In diesem Fall verbleibt für den Verletzten kein "Versicherungsdefizit", das ansonsten über § 119 SGB X auszugleichen wäre. Der Arbeitgeber hat hinsichtlich seiner Leistungen ein Regressrecht nach § 6 EFZG (§ 4 LFZG a.F.); die Vorschrift tangiert in keiner Weise die des § 119 SGB X. Was für die Lohnfortzahlung des Arbeitgebers ausdrücklich geregelt wurde, gilt auch dann, wenn sonstige Dritte (z.B. Sozialversicherungsträger) Pflichtbeiträge entrichten. Auch insoweit kommt es nur zum Rückgriff des Dritten beim Sozialversicherungsträger nach § 116 SGB X (vgl. Rdn 446 ff.).
Rz. 461
Der Anspruch geht ebenso wie im Falle des § 116 SGB X bereits im Unfallzeitpunkt über, und zwar auch dann, wenn zuvor der Arbeitgeber den Lohn fortgezahlt hat. Es findet keine Rechtsnachfolge vom Arbeitgeber auf den Rentenversicherungsträger statt.
Rz. 462
Nach § 119 S. 1 SGB X ist auf den Schadensersatzanspruch des Verletzten selbst abzus...