Prof. Dr. Günther Schneider
Rz. 482
§ 119 SGB X: Übergang von Beitragsansprüchen
(1) Soweit der Schadensersatzanspruch eines Versicherten den Anspruch auf Ersatz von Beiträgen zur Rentenversicherung umfasst, geht dieser auf den Versicherungsträger über, wenn der Geschädigte im Zeitpunkt des Schadensereignisses bereits Pflichtbeitragszeiten nachweist oder danach pflichtversichert wird; dies gilt nicht, soweit
1. der Arbeitgeber das Arbeitsentgelt fortzahlt oder sonstige der Beitragspflicht unterliegende Leistungen erbringt oder
2. der Anspruch auf Ersatz von Beiträgen nach § 116 übergegangen ist.
Für den Anspruch auf Ersatz von Beiträgen zur Rentenversicherung gilt § 116 Abs. 3 Satz 1 und 2 entsprechend, soweit die Beiträge auf den Unterschiedsbetrag zwischen dem bei unbegrenzter Haftung zu ersetzenden Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen und der bei Bezug von Sozialleistungen beitragspflichtigen Einnahme entfallen.
(2) Der Versicherungsträger, auf den ein Teil des Anspruchs auf Ersatz von Beiträgen zur Rentenversicherung nach § 116 übergeht, übermittelt den von ihm festgestellten Sachverhalt dem Träger der Rentenversicherung auf einem einheitlichen Meldevordruck. Das Nähere über den Inhalt des Meldevordrucks und das Mitteilungsverfahren bestimmen die Spitzenverbände der Sozialversicherungsträger.
(3) Die eingegangenen Beiträge oder Beitragsanteile gelten in der Rentenversicherung als Pflichtbeiträge. Durch den Übergang des Anspruchs auf Ersatz von Beiträgen darf der Sozialversicherte nicht schlechter gestellt werden, als er ohne den Schadensersatzanspruch gestanden hätte.
(4) Die Vereinbarung der Abfindung von Ansprüchen auf Ersatz von Beiträgen zur Rentenversicherung mit einem ihrem Kapitalwert entsprechenden Betrag ist im Einzelfall zulässig. Im Fall des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 1 gelten für die Mitwirkungspflichten des Geschädigten die §§ 60, 61, 65 Abs. 1 und 3 sowie § 65a des Ersten Buches entsprechend.
1. Rechtsentwicklung
Rz. 483
Mit Wirkung ab 1.7.1983 erfasste § 119 SGB X den "Übergang von Beitragsansprüchen". In ihrer ursprünglichen Fassung nach dem Gesetz v. 4.11.1982 (BGBl I, S. 1450) galt die Vorschrift für Schadensfälle ab 1.7.1983 (vgl. Rdn 452 ff.).
Rz. 484
Nach dem RRG 1992 (BGBl 1989 I, S. 2261) änderte sich der Beitragsregress nach § 119 SGB X mit Wirkung vom 1.1.1992 wegen der sich aus dem RRG 1992 ergebenden, neuen Gesetzeslage im Bereich der Rentenversicherung erneut grundlegend.
Rz. 485
Ihre aktuelle Fassung erhielt die Vorschrift im Wesentlichen aufgrund des Art. 10 Nr. 8 des 4. Euro-Einführungsgesetzes v. 21.12.2000 (BGBl I, S. 1983; siehe bereits Rdn 235) mit Wirkung ab 1.1.2001. Danach umreißt Abs. 1 den Anwendungsbereich der Vorschrift, insbesondere hinsichtlich ihres Verhältnisses zum Regress nach § 116 SGB X und zur Entgeltfortzahlung seitens des Arbeitgebers. Abs. 2 schreibt aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung dem den Regress nach § 116 SGB X betreibenden Sozialversicherungsträger vor, den festgestellten Sachverhalt dem Rentenversicherungsträger mittels eines einheitlichen Vordrucks mitzuteilen. Diesem sollen dadurch eigene Ermittlungen (z.B. Sachverhaltsfeststellung, Haftungsquote usw.) erspart werden.
Der in der Ausgangsfassung verankerte S. 2 wurde als § 119 Abs. 3 S. 1 SGB X i.d.F. des RRG 1992 vollständig übernommen. S. 3 wurde zu Abs. 3 S. 2. Gleichzeitig wurde § 116 SGB X ergänzt. Schließlich trägt die in Abs. 4 vorgesehene Möglichkeit der Vereinbarung einer Abfindung von Ansprüchen auf Ersatz von Beiträgen zur Rentenversicherung mit einem ihrem Kapitalwert entsprechenden Betrag dem Umstand Rechnung, dass Gegenstand von nach § 119 SGB X übergehenden Ansprüchen kleinere Beträge sind. Die Abfindung erfolgt im Einzelfall, sodass Teilungsabkommen ausgeschlossen sind.
2. Regelungszweck
Rz. 486
Zum Normzweck des § 119 SGB X vgl. die Ausführungen bei Rdn 241. Mithilfe der Regelung soll sichergestellt werden, dass der Sozialversicherungsträger den Fortkommensschaden tatsächlich regressiert. Mit dem Anspruchsübergang soll sichergestellt werden, dass der Sozialversicherte später Sozialleistungen erhält, die auch die Zeit der Verletzung umfassen. Den in der Vorschrift liegenden Regelungszweck umreißt der Bundesgerichtshof wie folgt:
Zitat
"Der Gesetzgeber hat § 119 SGB X gerade geschaffen, um die von der Rechtsprechung aufgezeigten beitragsrechtlichen Hindernisse für einen vollen Schadensausgleich des Pflichtversicherten zu beseitigen und, wie die Gesetzesbegründung sagt, sicherzustellen, “dass der Sozialversicherte später Sozialleistungen erhält, die auch die Zeit der Verletzung umfassen’. Das Gesetz hat somit dem Sozialversicherungsträger die Aktivlegitimation zur Geltendmachung des Ersatzanspruchs beim Schädiger nicht für einen Rückgriff wegen Versicherungsleistungen, die er insoweit an den Geschädigten gar nicht erbringt, sondern deshalb zugewiesen, um sicherzustellen, dass der für den Beitragsausfall bestimmte Schadensersatz seinen Zweck, das Beitragskonto des Pflichtv...