Prof. Dr. Günther Schneider
Rz. 125
Folge eines gesetzlichen Forderungsübergang ist, dass dem Schuldner nunmehr ein neuer Gläubiger gegenübersteht. Der Schuldner einer Leistung kommt mithin nicht in den Genuss von Leistungen eines Nichtverpflichteten oder nur subsidiär Verpflichteten. Dies gilt besonders für den Bereich des bürgerlichen Rechts (§§ 268 Abs. 3, 426 Abs. 2, 774 Abs. 1, 1143 Abs. 1, 1150, 1225, 1249, 1584 S. 3, 1607 Abs. 2 S. 2, 1608 S. 3, 1615b BGB).
Rz. 126
Im Unterschied zu der aufgrund des § 116 SGB X gegebenen Rechtslage tritt indessen der Forderungsübergang bei jenen Vorschriften erst im Augenblick der Leistungserbringung ein. Von Vorteil für den Zessionar ist es, dass er mit dem Forderungsübergang auch Vorzugs- und akzessorische Sicherungsrechte erwirbt (§§ 412, 401 BGB).
Rz. 127
Zu verweisen ist ferner auf den Forderungsübergang nach § 6 EFZG, der an § 4 LFZG a.F. anknüpft. Fällt die Arbeitsleistung eines unselbstständig Tätigen – im Sinne des EFZG sind dies sowohl Angestellte als auch Arbeiter und die zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigten (vgl. § 1 Abs. 2 EFZG) – wegen Krankheit (Arbeitsunfähigkeit) aus, hat der Arbeitgeber unter bestimmten Voraussetzungen und für eine bestimmte Zeit das Arbeitsentgelt einschließlich der anfallenden Sozialversicherungsbeiträge weiterzuzahlen (vgl. § 3 und § 4 EFZG; § 1 LFZG a.F.).
Rz. 128
Soweit die Arbeitsunfähigkeit auf ein Schadensereignis zurückzuführen ist, geht der Schadensersatzanspruch des verletzten Arbeiternehmers auf den Arbeitgeber in Höhe der Entgeltfortzahlung über. Zeitpunkt des Übergangs ist der Augenblick der Leistung. Der Arbeitgeber erwirbt mithin im Wege des Übergangs nach § 6 EFZG Ansprüche erst zu einem gegenüber § 116 SGB X späteren Zeitpunkt, nämlich erst in dem Moment, in dem er tatsächlich Arbeitsentgelt fortgezahlt bzw. an die Einzugsstelle Gesamtsozialversicherungsbeiträge entrichtet hat.
Rz. 129
§ 6 EFZG ist aufgrund des PflegeVG vom 26.5.1994 mit Einführung der sozialen Pflegeversicherung (SGB XI) zum 1.6.1994 in Kraft gesetzt worden (zum PflegeVG siehe bereits Rdn 32). Gleichzeitig hat der Gesetzgeber das Lohnfortzahlungsgesetz außer Kraft gesetzt (vgl. Art. 53 PflegeVG). Zu beachten sind aber die Überleitungsvorschriften nach Art. 67 PflegeVG. Nach dessen Abs. 1 gelten die Vorschriften des LFZG weiter, wenn der Arbeitnehmer im Zeitpunkt des Inkrafttretens des Entgeltfortzahlungsgesetzes arbeitsunfähig war oder sich zu diesem Zeitpunkt in einer Maßnahme der medizinischen Vorsorge oder Rehabilitation befand, soweit die alte gesetzliche Regelung für ihn günstiger ist. In diesem Umfang findet § 4 LFZG a.F. daher auf Altfälle weiterhin Anwendung.
Rz. 130
Hinsichtlich des gesetzlichen Forderungsübergangs ergeben sich gegenüber § 4 LFZG a.F. keine Neuerungen. § 4 LFZG a.F. wird vielmehr durch § 6 EFZG ohne inhaltliche Änderung ersetzt. Die zu § 4 LFZG ergangene Rechtsprechung ist daher auch auf die Neuregelung anzuwenden.
Rz. 131
Auf folgende Rechtsprechung ist hinzuweisen: Ein mit dem Arbeitnehmer vor dem maßgeblichen Zeitpunkt geschlossener Abfindungsvergleich oder eine sonstige Verfügung über den Schadensersatzanspruch ist gegenüber dem Arbeitgeber wirksam.
Rz. 132
Der Regress nach § 6 Abs. 3 EFZG (§ 4 LFZG a.F.) ist ausgeschlossen, wenn der Schaden durch einen in häuslicher Gemeinschaft lebenden Familienangehörigen verursacht wurde. Nach § 6 Abs. 3 EFZG (§ 4 Abs. 3 LFZG a.F.) hat der Arbeitnehmer – im Gegensatz zu § 116 SGB X – im Verhältnis zum Arbeitgeber ein Quoten- und Befriedigungsvorrecht. Dieses wird z.B. bei einer Mithaftung des Arbeitnehmers derart wirksam, dass ein Forderungsübergang auf den Arbeitgeber nur insoweit stattfindet, als der Erwerbsschaden nicht zur Deckung der Differenz zwischen der Leistung des Arbeitgebers und dem tatsächlichen Schaden benötigt wird (Quotenvorrecht zugunsten des Arbeitnehmers = Differenztheorie, Rdn 271).
Rz. 133
Zwischen dem Forderungsübergang nach § 116 SGB X und § 6 EFZG können sich Berührungspunkte ergeben, z.B. bei der Frage, ob sich der Sozialversicherungsträger häusliche Eigenersparnisse auf die geltend gemachten Krankenhauspflegekosten anrechnen lassen muss. Indessen genießt der Sozialversicherungsträger gegenüber dem nach § 6 EFZG aktivlegitimierten Arbeitgeber wegen des unterschiedlichen Zeitpunkts (Rdn 18 ff.) des Forderungsübergangs einen zeitlichen Vorrang.
Rz. 134
In diesem Zusammenhang ist auch auf § 115 SGB X zu verweisen. Soweit der Arbeitgeber den Lohnfortzahlungsanspruch nicht erfüllt und deshalb ein Sozialversicherungsträger leistungspflichtig wird (z.B. Zahlung von Verletzten- oder Krankengeld), geht der Anspruch des Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber bis zur Höhe der Sozialversicherungsleistungen auf den Sozialversicherungsträger über.
Rz. 135
Auch die private Schadensversicherung, also auch die Haftpflichtversicherung (nicht dagegen Summenversicherung, z.B. Krankenhaustagegeldversicherung), kann sich nach § 86 VVG (§ 67 VVG a.F.) auf einen gesetzlichen Ford...