Prof. Dr. Günther Schneider
Rz. 40
Der Schadensersatzanspruch des Verletzten gegenüber dem Schädiger geht gemäß § 116 SGB X nur in begrenztem Umfang auf den Versicherungsträger über, soweit der Versicherungsträger dem Verletzten nach den Leistungsgesetzen Leistungen zu gewähren hat. Es kommt mithin für den Umfang des Rechtsübergangs nicht darauf an, ob die Leistungen tatsächlich gewährt worden sind oder in Zukunft gewährt werden. Maßgebend ist vielmehr die gesetzliche Leistungspflicht gegenüber dem Geschädigten. Diese Leistungspflicht steht im Zeitpunkt des schädigenden Ereignisses der Höhe nach nicht fest. Sie entwickelt sich unter Umständen über Jahrzehnte hinaus fort, und zwar so lange, wie der Verletzte Leistungen aus der Sozialversicherung fordern kann.
Rz. 41
Ein Rechtsübergang auf den Versicherungsträger kann daher hier nicht, wie es sonst bei einer Zession üblich ist, von vornherein im Umfang eines bestimmten Geldbetrages angenommen werden; vielmehr entwickelt sich die Höhe des übergehenden Teilbetrags der Forderung des Verletzten jeweils nach den Aufwendungen, die der Versicherungsträger für den Verletzten machen muss. Da andererseits der Schadensersatzanspruch seiner Höhe nach in keinem wie auch immer gearteten Abhängigkeitsverhältnis von der Leistungsverpflichtung des Sozialversicherungsträger gegenüber dem Verletzten steht, haben die Aufwendungen des Sozialversicherers und der Schadensersatzanspruch des Verletzten gegenüber dem Schädiger ihrer Höhe nach eine voneinander unabhängige, unter Umständen recht verschiedene Entwicklung.
Rz. 42
Es liegt auf der Hand, dass es unerträglich wäre, den Rechtsübergang auf den Versicherungsträger immer erst dann eintreten zu lassen, wenn tatsächlich feststünde, in welcher Höhe in den einzelnen Zeiträumen Leistungen des Versicherungsträgers an den Verletzten zu erbringen wären. Vielmehr geht die Rechtsprechung seit Langem dahin, dass der Rechtsübergang zunächst nur dem Grunde nach stattfindet. Es handelt sich um einen Anspruchsübergang dem Grunde nach, der den Sozialversicherungsträger vor Verfügungen des Geschädigten schützt.
Rz. 43
Dieser Rechtsübergang dem Grunde nach verschafft dem Sozialversicherungsträger indessen noch nicht die Möglichkeit, bestimmte bezifferte Schadensersatzansprüche als Rechtsnachfolger des Verletzten dem Schädiger gegenüber geltend zu machen. Denn dafür muss er darlegen und gegebenenfalls beweisen, dass er dem Geschädigten in entsprechender Höhe Leistungen zu gewähren hat. Solange daher die Höhe dieser Leistungen nicht feststeht, kann auch der auf den Sozialversicherungsträger dem Grunde nach übergegangene Schadensersatzanspruch dem Schädiger gegenüber niemals in Form der Leistungsklage, sondern bestenfalls in der Form der Feststellungsklage geltend gemacht werden. Dennoch ist dieser Rechtsübergang dem Grunde nach unabweislich notwendig, weil andernfalls der Sozialversicherungsträger Gefahr liefe, durch Zwischenverfügungen des Verletzten über diesen Anspruch durch Vergleich oder Einziehung der Forderung geschädigt zu werden. Der dem Grunde nach gegebene Rechtsübergang gewährleistet daher, dass eine Aktivlegitimation des Verletzten zur Verfügung über den Anspruch insoweit entfällt, als dieser zur Deckung der Aufwendungen des Sozialversicherungsträgers später gebraucht wird (vgl. bereits oben Rdn 13). Dieser wird außerdem in die Lage versetzt, das zur Sicherung der Forderung Erforderliche einzuleiten (z.B. Feststellungsklage, Verjährung usw.).