Prof. Dr. Günther Schneider
Rz. 44
Durch den angeordneten Forderungsübergang erhält der Sozialversicherungsträger die volle Gläubigerstellung, die, den Forderungsübergang hinweggedacht, dem Verletzten zugestanden hätte (Austausch des Gläubigers). Dies bedeutet, dass sich Inhalt und Umfang der Schadensersatzforderung durch den Übergang nicht ändern. Der Sozialversicherungsträger kann m.a.W. nur in die Rechtsposition eintreten, die der Verletzte für sich in Anspruch nehmen könnte.
Rz. 45
Der Schädiger kann dem neuen Gläubiger die Einwendungen entgegensetzen, die im Zeitpunkt des Forderungsübergangs gegen den Altgläubiger begründet waren (§§ 412, 404 BGB). Dies gilt hinsichtlich eines Mitverschuldens (§ 254 BGB) des Verletzten, einer mitursächlichen Betriebsgefahr aufseiten des Verletzten nach § 17 Abs. 1 oder Abs. 2 StVG oder bei Mithaftung der Eltern wegen einer Aufsichtspflichtverletzung eines sozialversicherten verunglückten Kindes. Ebenso z.B. auch bei einer vom eigenen Tier ausgehenden mitursächlichen Tiergefahr.
Rz. 46
Falls im Rechtsstreit des Verletzten gegen den Schädiger eine rechtskräftige zivilgerichtliche Entscheidung vorliegt, muss der Sozialversicherungsträger diese gegen sich gelten lassen. Voraussetzung ist aber, dass der Ersatzpflichtige bei Eintritt der Rechtshängigkeit (Klageerhebung, § 261 ZPO) vom Forderungsübergang keine Kenntnis hatte, also gutgläubig war (§ 407 Abs. 2 BGB).
Rz. 47
Der Sozialversicherungsträger muss sich auch entgegenhalten lassen, eine übergangsfähige Schadensersatzforderung habe von vornherein nicht bestanden. Das nach den §§ 104 ff. SGB VII (§§ 636, 637 RVO a.F.) normierte Haftungsprivileg für Unternehmer und deren Betriebsangehörige (§ 38 Rdn 1 ff.) schließt das Bestehen von Schadensersatzansprüchen aus. Nach der in den §§ 636 Abs. 1 S. 2 RVO, 637 RVO a.F. getroffenen Regelung konnte, soweit sich der Schadensersatzanspruch bei Vorsatz oder Teilnahme am allgemeinen Verkehr um die Leistungen des Sozialversicherungsträger minderte, in der verbleibenden Höhe gleichfalls kein Schadensersatzanspruch übergehen. Nunmehr legen §§ 104 Abs. 1 S. 2, 105 Abs. 1 S. 3 SGB VII ausdrücklich fest, dass ein Forderungsübergang nach § 116 SGB X nicht stattfindet. Vielmehr erwirbt der Sozialversicherungsträger einen eigenen Schadensersatzanspruch nach Maßgabe des § 110 SGB VII (dazu § 38 Rdn 282 ff.).
Rz. 48
Ist gegenüber dem privilegierten Schädiger (§§ 104 f. SGB VII) ein Rückgriff nach § 110 SGB VII (§ 38 Rdn 282 ff.) möglich, kann der Sozialversicherungsträger nach seinem Ermessen in entsprechender Anwendung des § 421 BGB (gestörtes oder unechtes Gesamtschuldverhältnis, § 38 Rdn 240 ff.) Ersatz nach § 110 SGB VII von ihm fordern oder gegen einen weiteren haftpflichtigen Dritten nach § 116 SGB X vorgehen.
Rz. 49
Soweit dem Verletzten neben dem privilegierten Schädiger ein weiterer (zweiter) Schädiger haftet, muss sich der Sozialversicherungsträger auf die Höhe der Quote verweisen lassen, die bei Durchführung des Innenausgleichs der Gesamtschuldner auf den Zweitschädiger entfiele (zum sog. gestörten Gesamtschuldverhältnis vgl. § 38 Rdn 244 ff.).
Rz. 50
Auch ein gegenüber dem Sozialversicherungsträger gültiger stillschweigender oder ausdrücklicher Haftungsverzicht führt dazu, dass eine übergangsfähige Schadensersatzforderung nicht entsteht. Voraussetzung für die Wirksamkeit ist, dass der Haftungsverzicht vor dem Schadensereignis vereinbart worden ist. Dies kann stillschweigend oder ausdrücklich geschehen und wird meist bei der Gefälligkeitsfahrt praktiziert. Wird der Haftungsverzicht allerdings in der Absicht vereinbart, dem Sozialversicherungsträger die Regressmöglichkeit zu entziehen, so ist er in der Regel wegen Sittenwidrigkeit nichtig.
Rz. 51
Ein vom Versicherer mit dem Geschädigten getroffener Abfindungsvergleich, der "zur Abgeltung aller gegenseitigen Ansprüche aus dem Verkehrsunfall vom …" geschlossen wird, bezieht auch Ansprüche des Geschädigten auf Ersatz der durch besonderen Pflegeaufwand entstehenden künftigen Kosten ein; ein Anspruchsübergang nach § 116 SGB X scheidet insoweit aus. Ein Abfindungsvergleich, den ein Unfallverletzter im Jahr 1990 mit dem Haftpflichtversicherer geschlossen hat, schließt auch Ersatzansprüche wegen Pflegegeldern aus, die eine Pflegekasse erst seit 1995 zu leisten hat (Systemänderung der Sozialversicherung). Nur Ersatzansprüche wegen Pflegehilfeleistungen, die die Krankenkasse schon vor 1990 zu leisten hatte, gehen auf den Sozialversicherungsträger über.
Rz. 52
Der Sozialversicherungsträger muss sich die gegen den Verletzten gegebenen Einwendungen und die aus seinem eigenen Verhalten abzuleitenden Einwendungen entgegenhalten lassen. Verstößt der Verletzte selbst gegen die ihm obliegende Schadensminderungspflicht, kommt es gegenüber dem Sozialversicherungsträger zur Anspruchsminderung.
Rz. 53
Beispiele: Durchführung einer zumutbaren Operation, Aufnahme einer zumutbaren Tätigkeit.
Rz. 54
Hat der Sozialversicherungsträger selbst z.B. ...