Dr. Michael Bühler, Dr. Nicholas Kessler
A. Einführung
I. Typischer Sachverhalt
Rz. 1
Die anwaltliche Praxis zeigt schon seit vielen Jahren die überwiegende Tendenz von Unternehmen unterschiedlichster Provenienz, in ihren Verträgen für den Fall der Streiterledigung ein privates Schiedsgericht vorzusehen. Die Vorteile der Schiedsgerichtsbarkeit sind im internationalen Rechtsverkehr von herausragender Bedeutung. Kein deutsches Unternehmen befindet sich gerne vor einem ausländischen Gericht, zunächst aus Sorge, als ausländisches Unternehmen schlechter behandelt zu werden als die inländische Partei, aber auch weil es mit den Gegebenheiten und Gepflogenheiten vor dem ausländischen Gericht selten vertraut sein wird. Diese Sorge ist vor allem in den Ländern berechtigt, wo die staatliche Justiz schlichtweg nicht oder nur schlecht funktioniert, zumal wenn die Korruption der Richter zu befürchten ist. Die Möglichkeit, branchen- und sprachkundige Juristen als Schiedsrichter zu ernennen, sich vor dem Schiedsgericht durch den Anwalt eigener Wahl vertreten lassen zu können (einen Zulassungszwang vor dem Schiedsgericht gibt es nicht, weshalb ein Anwalt unabhängig vom Sitz des Schiedsgerichts vor diesem auftreten kann), den Streit in einer einzigen Instanz abschließen (und damit ein mehrinstanzliches Gerichtsverfahren vermeiden) zu können und die erleichterte Vollstreckbarkeit von Schiedssprüchen gegenüber Zivilurteilen gehören zu den vielfältigen und in der Praxis anerkannten Vorteilen der Schiedsgerichtsbarkeit. Die weit größere Flexibilität bei der Durchführung eines Schiedsverfahrens gegenüber dem Verfahren vor staatlichen Gerichten, mit der Möglichkeit, z.B. schriftliche Zeugenaussagen vorzulegen und die Zeugen der Gegenseite einem Kreuzverhör zu unterziehen, sind Besonderheiten der Schiedsgerichtsbarkeit, die erfahrene Parteien zu ihrem Vorteil auszunutzen wissen. Fast in allen Branchen und Sparten des modernen Wirtschaftslebens vereinbaren Handelspartner Schiedsklauseln, einschließlich im gesellschaftsrechtlichen Bereich. Gegenstand von Schiedsverfahren können grundsätzlich (privatrechtliche) Streitigkeiten aller Art sein. Im Handels- und Wirtschaftsverkehr sind Schiedsvereinbarungen besonders häufig anzutreffen, sei es in Kauf- und Lieferverträgen, in Werk- oder Werklieferungsverträgen, in Vertriebsverträgen, in Betriebsführungsverträgen, in Lizenzabkommen sowie Forschungs- und Entwicklungsverträgen, in Unternehmenskauf- und -pachtverträgen oder auch in Garantieverträgen, um nur einige Beispiele zu nennen. Für gesellschaftsrechtliche Verpflichtungen von Parteien werden ebenfalls gerne Schiedsgerichte vereinbart; eine solche Schiedsvereinbarung wirft häufig besondere Probleme auf, da regelmäßig mehr als zwei Parteien beteiligt sind. In erster Linie muss eine Schiedsvereinbarung in Mehrparteien-Konstellationen dabei sicherstellen, dass sich alle Parteien der schiedsgerichtlichen Erledigung (formgerecht) unterworfen haben und gleichberechtigt an der Bildung des Schiedsgerichts beteiligt sind.
Rz. 2
In den nachstehend behandelten Fällen treffen nur zwei Parteien die Schiedsvereinbarung. Dabei gestalten sich Schiedsvereinbarungen grundsätzlich für alle Vertragsarten gleich. Die in einem Vertriebshändlervertrag enthaltene Schiedsklausel sieht daher grundsätzlich nicht anders aus als diejenige in einem Hotelmanagement-, Energielieferungs- oder Verlagsvertrag. Unterschiede ergeben sich daraus, dass die Vertragsparteien entweder ein sogenanntes "Ad hoc"-Schiedsverfahren oder aber ein sogenanntes "institutionelles" Schiedsverfahren vereinbaren; als Ad hoc-Schiedsverfahren bezeichnet man ein Verfahren nach Schiedsverfahrensregeln, die die Parteien frei vereinbart haben, während ein institutionelles Schiedsverfahren nach der Schiedsordnung einer Schiedsinstitution stattfindet und von dieser auch verwaltet wird (Beispiele siehe Rdn 24 ff.). Ad hoc-Schiedsgerichte werden häufig auch als "Gelegenheitsschiedsgerichte" bezeichnet, weil sie gelegentlich eines bestimmten Streitfalles gebildet werden. Der damit zu den institutionellen Schiedsgerichten bezeichnete Gegensatz ist insofern irreführend, als auch institutionelle Schiedsgerichte in aller Regel keine ständigen Schiedsgerichte, sondern ebenfalls Gelegenheitsschiedsgerichte sind, die jedoch unter der Ägide einer Schiedsinstitution für einen bestimmten Streitfall gebildet werden. Schiedsinstitutionen, von denen in Deutschland die Deutsche Institution für Schiedsgerichtsbarkeit (kurz DIS genannt) heute die bekannteste ist, sind die erste Anlaufstelle bei der Einleitung eines Schiedsverfahrens. Sie begleiten die Parteien administrativ und in unterschiedlichem Grad unterstützend bei der Durchführung des Schiedsverfahrens. Die Sachentscheidung aber liegt ausschließlich in den Händen des Schiedsgerichts.
Rz. 3
Wie eingangs bemerkt, sind Schiedsvereinbarungen im internationalen Wirtschaftsverkehr besonders häufig, weil die Streitbeilegung durch Schiedsgerichte der staatlichen Gerichtsbarkeit im Ausland bzw. Land des ausländischen Vertragspartners generell ...