1. Allgemeines zur Zwangsvollstreckung aus einem Zahlungstitel
Rz. 77
Soweit der Arbeitnehmer in Zusammenhang mit der Kündigung des Arbeitsverhältnisses gegen den Arbeitgeber noch Zahlungsansprüche, insbesondere auf rückständigen oder zukünftigen Arbeitslohn oder eine – vertragliche oder nach § 1a KSchG gesetzlich geschuldete und dann in einem Urteil oder sonstigen Vollstreckungstitel titulierte oder eine nach §§ 9, 10 KSchG gerichtlich festgesetzte – Abfindung hat, handelt es sich hierbei um die Zwangsvollstreckung wegen einer Geldforderung, die sich über § 63 Abs. 2 S. 1 ArbGG nach den §§ 803 bis 882a ZPO richtet.
Praxishinweis
Für die Praxis ist zu beachten, dass mit der am 22.12.2022 in Kraft getretenen und ab dem 1.12.2023 verbindlichen Zwangsvollstreckungsformular-Verordnung gerade für die Vollstreckung von Zahlungstiteln verbindliche Formulare vorgegeben sind, denen sich der Gläubiger wie dessen Rechtsdienstleister bedienen müssen. Mit § 829a ZPO und dem neuen § 754a ZPO sollte dabei auch eine elektronische Antragstellung stattfinden, die für Rechtsanwälte ohnehin nach § 46g ArbGG, § 130d ZPO in der Zwangsvollstreckung zwingend ist.
Rz. 78
Nichts anderes gilt, wenn der Arbeitgeber noch einen Zahlungsanspruch gegen den Arbeitgeber etwa wegen der Zurückzahlung eines Arbeitgeberdarlehens, überzahlter Löhne, Gehälter oder Provisionen oder als Schadensersatz hat.
Rz. 79
In allen Fällen ist ein Zahlungstitel zu vollstrecken, wobei die Zwangsvollstreckung aus einem Zahlungstitel im Zusammenhang mit der Kündigung eines Arbeitsverhältnisses gegenüber einem sonstigen zivilprozessualen Zahlungstitel keine Besonderheiten aufweist.
Rz. 80
Die Zahlungsvollstreckung ist zunächst sowohl als Mobiliarzwangsvollstreckung in körperliche Sachen (Sachpfändung) als auch als Forderungsvollstreckung möglich, wobei zu beachten ist, dass seit dem 1.12.2023 die Zwangsvollstreckungsformular-Verordnung die Verwendung der vorgegebenen amtlichen Antragsformulare voraussetzt. Auch sind dem Gerichtsvollzieher seit dem 1.1.2013 erweiterte Regelbefugnisse in § 802a ZPO eingeräumt worden.
Rz. 81
Praxishinweis
In der Praxis wird immer wieder übersehen, dass für die Forderungsvollstreckung nach § 828 Abs. 1 ZPO das Vollstreckungsgericht sachlich zuständig ist. Nach § 764 Abs. 1 ZPO ist als Vollstreckungsgericht das Amtsgericht berufen, sodass nach § 20 Nr. 17 RPflG der Rechtspfleger beim Amtsgericht und nicht derjenige beim Arbeitsgericht über den Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses entscheidet.
Rz. 82
Darüber hinaus kann die Zwangsvollstreckung auch im Wege der Immobiliarzwangsvollstreckung, d.h. durch den Antrag auf Zwangsversteigerung eines Grundstücks des Schuldners, dessen Zwangsverwaltung oder aber die Eintragung einer Zwangssicherungshypothek betrieben werden.
Rz. 83
Bei der Zwangsvollstreckung wegen einer Geldforderung gegen den Bund oder das Land als Arbeitgeber und Schuldner muss die besondere Wartefrist nach § 882a ZPO von vier Wochen eingehalten werden. Die Frist beginnt mit der Anzeige, dass der titulierte Anspruch nunmehr im Wege der Zwangsvollstreckung beigetrieben werden soll.
Rz. 84
Besondere Problemlagen im Verhältnis zu sonstigen zivilprozessualen Vollstreckungstiteln können sich allerdings bei der Zwangsvollstreckung wegen ausstehender Zahlungen bei der Vollstreckung eines Bruttolohnbetrages sowie bei der Zwangsvollstreckung eines vorläufig vollstreckbaren Zahlungstitels auf eine Abfindungszahlung nach den §§ 9, 10 KSchG vor Rechtskraft des Urteils ergeben. Im ersten Fall ist zu bestimmen, welche Zahlung der Gläubiger tatsächlich verlangen kann, im zweiten Fall, ab welchem Zeitpunkt tatsächlich vollstreckt werden darf.
2. Zwangsvollstreckung aus einem Bruttolohntitel
Rz. 85
Es ist in Rspr. und Literatur anerkannt, dass die Zwangsvollstreckung auch aus einem Titel betrieben werden kann, der auf einen Bruttolohnbetrag lautet. Haben die Parteien nichts anderes vereinbart, ist unter der "vereinbarten Vergütung" nach § 611 Abs. 1 BGB grundsätzlich die Bruttovergütung zu verstehen.
Rz. 86