1. Vollstreckung des Weiterbeschäftigungsanspruchs des Arbeitgebers gegen den Arbeitnehmer
Rz. 213
Kündigt nicht der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer, sondern kündigt der Arbeitnehmer das Arbeitsverhältnis, so kann der Arbeitgeber ein Interesse an der Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers haben. Ist dessen Kündigung unwirksam oder jedenfalls für einen Zeitpunkt vor Ablauf der Kündigungsfrist gestellt, so kann ein – dann auch titulierter – Anspruch auf Erfüllung des Arbeitsvertrages und damit der Erbringung der Arbeitsleistung bestehen. Dabei darf in der Praxis die Appellfunktion eines solchen Vorgehens nicht außer Betracht bleiben. Dies gilt insbesondere auch, wenn absehbar ist, dass ein hoch spezialisierter Mitarbeiter ansonsten zu einem Konkurrenzunternehmen wechselt.
Rz. 214
Ist dieser Erfüllungsanspruch tituliert, stellt sich die Frage nach der Vollstreckbarkeit. Die Möglichkeit der Zwangsvollstreckung der Verpflichtung des Arbeitnehmers zur Erbringung der Arbeitsleistung ist von der Art und Weise der zu erbringenden Arbeitsleistung abhängig.
Rz. 215
Soweit es sich um eine Arbeitsleistung handelt, die der Arbeitsnehmer nur höchstpersönlich erbringen kann, etwa kreative Arbeiten oder höhere Tätigkeiten in der Forschung und Entwicklung, steht die Notwendigkeit der höchstpersönlichen Erbringung der Arbeitsleistung im Vordergrund, sodass allenfalls eine Vollstreckung wegen der Verpflichtung zur Vornahme einer unvertretbaren Handlung nach § 888 Abs. 1 ZPO in Betracht zu ziehen ist.
Rz. 216
Für diese Annahme steht allerdings § 888 Abs. 3 ZPO einer Vollstreckung entgegen, wonach § 888 Abs. 1 ZPO bei der Verurteilung zur Leistung von Diensten aus einem Dienstvertrag keine Anwendung findet. Dies trägt dem verfassungsrechtlichen Schutz der Persönlichkeit des Arbeitnehmers Rechnung.
Rz. 217
Praxishinweis
Der Verurteilung zur Erbringung der Arbeitsleistung erschöpft sich also in der Appellfunktion des Urteils, dass im Ergebnis dann wie ein Feststellungsurteil wirkt. Auf dieser Grundlage mögen sich allerdings Schadensersatzansprüche ergeben, wenn der Arbeitnehmer seine Tätigkeit nicht entsprechend dem "appellierenden" Urteil fortsetzt und er Gelegenheit hatte, die rechtliche Anerkennung seiner Arbeitsverweigerung – erfolglos – prüfen zu lassen. Denkbar ist auch eine vorsorgliche Vertragsstrafenregelung im Arbeitsvertrag.
Rz. 218
Umstritten ist, ob § 888 Abs. 3 ZPO auch dann heranzuziehen ist, wenn die zu erbringende Arbeitsleistung dem Grunde nach eine vertretbare Handlung darstellt, d.h. auch von einem Dritten wahrgenommen werden kann, sodass der Arbeitgeber nach § 887 ZPO zur Ersatzvornahme auf Kosten des Schuldners ermächtigt werden könnte.
Rz. 219
Handelt es sich bei der Arbeitsleistung nicht um eine solche, die der Arbeitnehmer höchstpersönlich erbringen kann, sondern um Tätigkeiten, die auch durch einen Dritten ausgeübt werden können, so liegt grundsätzlich eine vertretbare Handlung vor. Die Zwangsvollstreckung erfolgt damit nach § 887 ZPO durch die Ermächtigung des Arbeitgebers als Gläubiger die Ersatzvornahme vorzunehmen, d.h. die Arbeitsleistung durch einen Dritten auf Kosten des Arbeitnehmers als Schuldner ausführen zu lassen.
Rz. 220
Das personale Element der Arbeitsleistung bleibt auch bei Annahme einer solchen vertretbaren Handlung geschützt, da der Arbeitgeber in diesem Falle lediglich zur Vornahme berechtigt wird, d.h. in der Konsequenz lediglich einen Zahlungsanspruch erhält, der ihm die Möglichkeit gibt, die Arbeitsleistung durch einen Dritten durchführen zu lassen. Des Schutzes des § 888 Abs. 3 ZPO bedarf es daher nicht.
Rz. 221
Praxishinweis
Der Arbeitgeber hat die Möglichkeit nach einer isolierten Ermächtigung zur Ersatzvornahme im Rahmen der Vollstreckung nach § 887 ZPO die Kosten der Erbringung der Arbeitsleistung durch einen Dritten als Kosten der Zwangsvollstreckung nach § 788 ZPO gegen über dem Arbeitnehmer geltend zu machen. Er kann allerdings auch unmittelbar mit dem Antrag auf Ermächtigung zur Ersatzvornahme beantragen, den Arbeitnehmer zur Vorauszahlung der voraussichtlichen Kosten der Ersatzvornahme zu verurteilen, § 887 Abs. 2 ZPO. Zeigt sich später, dass höhere Kosten angefallen sind, können diese auch geltend gemacht werden.
Rz. 222
Für den Fall, dass der Arbeitgeber seinen Anspruch auf Erbringung der Arbeitsleistung gegen den Arbeitnehmer durchsetzen möchte, zeigt sich also, dass ungeachtet der Frage, ob diese als vertretbare oder unvertretbare Handlung eingeordnet wird, letztlich ein tatsächlicher Zwang zur Erbringung der Arbeitsleistung gegen den konkreten Arbeitnehmer als Schuldner nicht durchsetzbar ist. Über § 888 Abs. 3 ZPO bei der unterlassenen Erbringung einer höchstpersönlichen Arbeitsleistung oder den Anspruch auf Ersatz der Kosten der Ersatzvornahme nach § 887 Abs. 2 ZPO bleibt dem Arbeitgeber letztlich nur die Möglichkeit seine Kosten zu liquidieren.
Rz. 223
Praxishinweis
Dabei muss der Arbeitgeber beachten, dass er die Sowieso-Kosten in Abzug bringt. D.h. der Arbeitgeber kann nicht diejenigen Kosten verlangen, die er für die Arbeitsleistung des Dritten aufgewandt...