Rz. 1

 

§ 108 SGB VII: Bindung der Gerichte

(1) Hat ein Gericht über Ersatzansprüche der in den §§ 104 bis 107 genannten Art zu entscheiden, ist es an eine unanfechtbare Entscheidung nach diesem Buch oder nach dem Sozialgerichtsgesetz in der jeweils geltenden Fassung gebunden, ob ein Versicherungsfall vorliegt, in welchem Umfang Leistungen zu erbringen sind und ob der Unfallversicherungsträger zuständig ist.

(2) Das Gericht hat sein Verfahren auszusetzen, bis eine Entscheidung nach Abs. 1 ergangen ist. Falls ein solches Verfahren noch nicht eingeleitet ist, bestimmt das Gericht dafür eine Frist, nach deren Ablauf die Aufnahme des gesetzten Verfahrens zulässig ist.

§ 109 SGB VII Feststellungsberechtigung von in der Haftung beschränkten Personen

Personen, deren Haftung nach den §§ 104 bis 107 beschränkt ist und gegen die Versicherte, ihre Angehörigen und Hinterbliebene Schadensersatzforderungen erheben, können statt der Berechtigten die Feststellungen nach § 108 beantragen oder das entsprechende Verfahren nach dem Sozialgerichtsgesetz betreiben. Der Ablauf von Fristen, die ohne ihr Verschulden verstrichen sind, wirkt nicht gegen sie; dies gilt nicht, soweit diese Personen das Verfahren selbst betreiben.

 

§ 118 SGB X: Bindung der Gerichte

Hat ein Gericht über einen nach § 116 übergegangenen Anspruch zu entscheiden, ist es an eine unanfechtbare Entscheidung gebunden, dass und in welchem Umfang der Leistungsträger zur Leistung verpflichtet ist.

 

Rz. 2

Die eingangs genannten Vorschriften bezwecken eine Erweiterung der Bindungswirkung gerichtlicher Entscheidungen und von Verwaltungsentscheidungen.

 

Rz. 3

Namentlich in zivilgerichtlichen Verfahren sollen die sozialrechtlich relevanten Vorfragen zugrunde gelegt werden können, ohne dass insoweit eine (nochmalige) eigenständige Prüfung seitens des erkennenden Zivilgerichts erforderlich werden würde. Die Regelungen dienen insoweit der Prozessökonomie. Darüber hinaus ist ihnen insoweit eine Befriedungsfunktion immanent, als eine mögliche Divergenz der ­zivilgerichtlichen gegenüber der sozialrechtlichen bzw. verwaltungs- oder sozialgerichtlichen Entscheidung von vornherein vermieden wird. Die Vorschriften verfolgen das Ziel, divergierende Beurteilungen zu vermeiden und eine einheitliche Bewertung der unfallversicherungsrechtlichen Kriterien zu gewährleisten. Für den Geschädigten untragbare Ergebnisse, die sich ergeben könnten, wenn zwischen den Zivilgerichten und den Unfallversicherungsträgern bzw. Sozialgerichten unterschiedliche Auffassungen über das Vorliegen eines Versicherungsfalles bestehen und dem Geschädigten deshalb weder Schadensersatz noch eine Leistung aus der gesetzlichen Unfallversicherung zuerkannt wird, sollen verhindert werden.[1]

 

Rz. 4

Überdies erstrecken die genannten Vorschriften die Bindungswirkung: Sowohl § 118 SGB X als auch § 108 SGB VII erstrecken die Bindungswirkung darüber hinaus auf einzelne Elemente, die für die Entscheidung sonst allein Vorfragen wären.

 

Rz. 5

§ 118 SGB X legt insoweit fest, dass die Bindungswirkung sich im Anwendungsbereich der Vorschrift auch auf das "Ob" und das "Wie" (Anspruchsumfang) der Verpflichtung des Leistungsträgers erstreckt. Nach dieser Vorschrift ist ein Zivilgericht, das über eine nach § 116 Abs. 1 SGB X vom Geschädigten auf einen Sozialversicherungsträger übergegangenen Anspruch zu entscheiden hat, an eine unanfechtbare Entscheidung eines Sozial- oder Verwaltungsgerichts oder eines Sozialversicherungsträgers über den Grund oder die Höhe der dem Leistungsträger obliegenden Verpflichtung grundsätzlich gebunden. Damit soll verhindert werden, dass die Zivilgerichte anders über einen Sozialleistungsanspruch entscheiden als die hierfür an sich zuständigen Leistungsträger oder Gerichte. Sozialrechtliche Vorfragen sollen den Zivilprozess nicht belasten und deshalb vor den Zivilgerichten grundsätzlich nicht erörtert werden. Die Bindungswirkung erstreckt sich unter anderem auf die Art und Höhe der Sozialleistungen.[2]

 

Rz. 6

Der den Unfallversicherungsträgern bzw. Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit in § 108 SGB VII eingeräumte Vorrang bezieht sich nicht nur auf die Entscheidung, ob ein Unfall als Versicherungsfall zu qualifizieren ist, sondern erstreckt sich auch auf die Beurteilung der Frage, ob der Geschädigte im Unfallzeitpunkt Versicherter der gesetzlichen Unfallversicherung war. Die Versicherteneigenschaft ist eine notwendige Voraussetzung für die Anerkennung eines Unfalls als Arbeitsunfall (§ 8 Abs. 1 S. 1 SGB VII) und damit als Versicherungsfall (§ 7 Abs. 1 SGB VII). Eine eigenständige Beurteilung dieser Fragen ist den Zivilgerichten dementsprechend grundsätzlich verwehrt. Das Zivilgericht ist an die Entscheidung des Unfallversicherungsträgers bzw. des Sozialgerichts gebunden, und zwar unabhängig davon, ob es die von dem Sozialversicherungsträger getroffene Entscheidung inhaltlich für richtig hält. Da sie die vorrangige Entscheidungszuständigkeit der Unfallversicherungsträger bzw. der Sozialgerichte von Amts wegen zu berücksic...

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