Prof. Dr. Günther Schneider
Rz. 24
Die Bindung erstreckt sich weiterhin darauf, wer als Betriebsunternehmer in Betracht kommt. Insoweit ist zur Beurteilung der Unternehmerstellung im Sinne der §§ 104 und 108 SGB VII auf § 136 Abs. 3 SGB VII abzustellen. Unternehmer ist derjenige, dem das Ergebnis des Unternehmens unmittelbar zum Vor- oder Nachteil gereicht.
Rz. 25
Vorstehend (Rdn 22) ist ausgeführt, dass der Haftungsfall keinem weiteren Unternehmer nach § 2 Abs. 2 S. 1 SGB VII zugeordnet werden darf; die vom Sozialversicherungsträger getroffene Entscheidung über diese Zuordnung erwächst in Bindung. Durch die im Zuge der Einordnung des Rechts der gesetzlichen Unfallversicherung in das Sozialgesetzbuch VII neu geschaffenen Konkurrenzregelungen des § 135 SGB VII sollte insoweit nicht nur die Zuständigkeit mehrerer Unfallversicherungsträger und ein mehrfacher Versicherungsschutz, sondern auch die Zuordnung eines Arbeitsunfalls zu mehreren Unternehmen verhindert werden. Diese Erwägungen lassen sich jedoch nicht auf die erlaubte Arbeitnehmerüberlassung übertragen. Sie ist durch Besonderheiten gekennzeichnet, die der Annahme entgegenstehen, dass die Beschränkung der Zuordnung eines Arbeitsunfalls zu einem Unternehmen auch in dieser Fallkonstellation dem Willen des Gesetzgebers entspricht und den Schutzzwecken der §§ 104 ff. SGB VII Rechnung trägt. Die unanfechtbare Entscheidung des für den Verleiher zuständigen Versicherungsträgers, in der der Unfall eines auf Grund eines wirksamen Vertrags entliehenen Arbeitnehmers im Unternehmen des Entleihers als Arbeitsunfall anerkannt wird, hindert die Zivilgerichte folglich nicht, den Unfall haftungsrechtlich dem Unternehmen des Entleihers zuzuordnen und diesen gemäß § 104 Abs. 1 S. 1 SGB VII als haftungsprivilegiert anzusehen.
Rz. 26
Hat die Bundesausführungsbehörde für Unfallversicherung in einem Rentenbescheid festgestellt, dass der Geschädigte einen Arbeitsunfall in einem Unternehmen des der Bundesanstalt für Arbeit nachgeordneten Landesarbeitsamts erlitten hat, steht für das ordentliche Gericht fest, dass gegenüber der Bundesanstalt keine zivilrechtlichen Ansprüche geltend gemacht werden können.
Rz. 27
Für die Unternehmereigenschaft kommt es auf den Zeitpunkt des Unfalls, nicht auf den Zeitpunkt eines etwaigen Ursachenereignisses an. Der frühere Unternehmer, der den Unfall verursacht hat, haftet nach allgemeinen Grundsätzen.
Rz. 28
Bei dem gleichen Unfall können mehrere Personen als Unternehmer infrage kommen. Bei Eingliederung eines Arbeitnehmers in einen fremden Betrieb (vgl. § 38 Rdn 74 ff. und Rdn 110 ff.), so insbesondere bei Arbeitsgemeinschaften und Leiharbeitern, kommt der Haftungsausschluss beiden Unternehmern zugute. Die Bindung an ein sozialgerichtliches Urteil, in welchem die Unternehmereigenschaft einer Person festgestellt wird, schließt daher nicht aus, dass das ordentliche Gericht die Unternehmereigenschaft auch einer weiteren Person zuerkennt.
Rz. 29
Besonders bedeutsam ist dies bei vorübergehenden Tätigkeiten (z.B. Hilfeleistung), die letztlich Versicherungsschutz nach § 2 Abs. 2 S. 1 SGB VII auslösen können und die haftungsrechtlich im Zusammenhang mit den §§ 104, 105 SGB VII die allseits bekannten Eingliederungsfragen (§ 38 Rdn 68 ff.) auslösen. Im Regelfall kommen hier zumindest zwei Unternehmen in Betracht, nämlich das Stammunternehmen und das Unternehmen, dem die vorübergehende Tätigkeit dient. In diesem Fall liegt sowohl Versicherungsschutz nach § 2 Abs. 1 als auch nach § 2 Abs. 2 SGB VII vor. Ordnet die Berufsgenossenschaft den Arbeitsunfall dem Stammunternehmen zu (§ 2 Abs. 1 SGB VII), ist das Zivil- oder Arbeitsgericht nicht gehindert, die Zuordnung zum Unternehmen zu prüfen, dem die vorübergehende Tätigkeit diente.
Rz. 30
Unternehmer hinsichtlich der deutschen Angestellten und Arbeiter bei den NATO-Streitkräften ist nicht die Bundesrepublik Deutschland, sondern sind vielmehr die Streitkräfte. Wenn auch die Unternehmerfunktionen zum großen Teil von den Bundesbehörden wahrgenommen werden, ist die Lage nicht anders als bei der Zubilligung von Schadensersatzbeträgen nach dem NATO-Truppenstatut; hier handelt die Bundesrepublik Deutschland in Prozessstandschaft für die Streitkräfte. Ebenso tritt die Bundesrepublik im Rahmen der Unternehmerfunktionen teilweise für die Streitkräfte auf. Rechtstheoretisch sind aber die Streitkräfte selbst Schuldner der Schadensersatzleistungen ebenso wie Träger der Unternehmereigenschaft.