a) Achtung: Auch bei niedrigen Werten möglich
Rz. 167
Welche Mindestwerte für eine drogenbedingte relative Fahrunsicherheit nachgewiesen werden müssen, ist noch nicht abschließend geklärt. Nach zutreffender Auffassung müssen zumindest die von der Grenzwertkommission (BA 2007, 320) für eine Drogenwirkung jeweils bestimmten Mindestwerte erreicht werden (KG NStZ – RR 2016, 224).
Für unter 1 ng/ml liegende Werte wird dies für Haschisch wohl auszuschließen sein (OLG Bamberg DAR 2006, 286; OLG Jena NZV 2014, 138). Aber auch bei den übrigen Drogen gilt, dass wenigstens ein Wert nachgewiesen werden muss, bei dem eine Beeinträchtigung der Fahrtüchtigkeit überhaupt möglich ist, z.B. für Amphetamin (OLG München zfs 2006, 290) oder Kokain (OLG Hamm NZV 2007, 248; OLG Brandenburg, Beschl. v. 1.12.2006 – 2 Ss 1623/05).
Nachdem das BVerfG (zfs 2005, 149) für Haschisch eine Drogenwirkung bei Werten von bis zu 1 ng/ml praktisch ausschließt, dürfte bei solchen Werten sowohl eine Verurteilung als Ordnungswidrigkeit, als auch als Straftat selbst dann nicht möglich sein, wenn angeblich rauschbedingte Ausfallerscheinungen vorgelegen haben (OLG Bamberg DAR 2006, 286; OLG Jena NZV 2014, 138; OLG Hamm zfs 2010, 351; OLG Jena NZV 2014, 138).
Im Gegensatz dazu hält das OLG Bamberg (DAR 2019, 157) auch bei so niedrigen Werten zumindest eine Verurteilung nach § 24 StVG dann für möglich, wenn zusätzliche Indizien auf eine konkrete Beeinträchtigung schließen lassen.
Rz. 168
Solche Feststellungen müssten dann aber auch konsequenterweise für eine Verurteilung wegen einer Straftat ausreichen, was jedoch schon deshalb nicht richtig sein kann, weil die Wissenschaft (und auch das BVerfG) bei so niedrigen Werten eine verkehrsrechtlich relevante Wirkung ausschließen.
Rz. 169
Achtung
Nach wissenschaftlichen Erkenntnissen ist es bei unter 1 ng/ml liegenden (Hasch-)Konzentrationen kaum möglich, dass die Fahrtüchtigkeit eingeschränkt ist. Der Feststellung von angeblich drogenbedingten Ausfallerscheinungen muss der Verteidiger in solchen Fällen deshalb mit größter Skepsis begegnen und ggf. einen Sachverständigen hinzuziehen.
Rz. 170
Höhere, wenn auch nicht einmal 2 ng/ml übersteigende Werte lassen dagegen die Feststellung von relativer Fahruntauglichkeit zu, wenn auch zweifelhaft ist, ob – wie dies das OLG München (DAR 2006, 342) meint – der Tatrichter ohne Hinzuziehung eines Sachverständigen solche Feststellungen treffen können soll.
Achtung: Cannabis als Medikament
Bereits bisher galt, dass selbst wenn Drogen im Blut des Fahrers festgestellt wurden, dann noch nicht einmal eine Ordnungswidrigkeit vorlag, wenn die Substanz aus der bestimmungsgemäßen Einnahme eines für einen konkreten Krankheitsfall verschriebenen Arzneimittels herrührte (§ 24a Abs. 2 S. 3 StVG).
Mit der mit Wirkung vom 10.3.2017 (BGBl I, 403) in Kraft getretenen Gesetzeserweiterung kann der Schmerztherapeut jetzt auch Cannabis als Medikament verschreiben, ohne dass es hierfür einer besonderen Genehmigung bedürfte. In der Konsequenz kann der Patient, der nach bestimmungsgemäßer Einnahme des Mittels am Straßenverkehr teilnimmt nicht belangt werden. Das Gericht muss deshalb die Behauptung des Betroffenen, die in seinem Blut festgestellte Substanz rühre von der bestimmungsgemäßen Einnahme eines für den konkreten Krankheitsfall verordneten Mittels, widerlegen (OLG Bamberg, DAR 2019, 396).
Nicht geschützt ist der Betreffende jedoch, wenn er das Mittel nicht entsprechend der Verordnung konsumiert, zumindest sind dann Eignungszweifel begründet (BayVGH zfs 2019, 414; zfs 2019, 598).
b) Drogenbedingte Beweisanzeichen
Rz. 171
Zum Nachweis des entsprechenden Wertes müssen für eine strafrechtliche Verurteilung dann noch Beweisanzeichen hinzukommen, die belegen, dass der Fahrer drogenbedingt fahruntauglich war (BGH zfs 1999, 35; NStZ-RR 2017, 123; OLG Zweibrücken NZV 2005, 164; Hanseatisches OLG, Beschl. v. 19.2.2018 – 2 Rev 18/18).
Solche Beweisanzeichen können allerdings nicht schon darin gesehen werden, dass der Täter sich der Festnahme durch Flucht entziehen wollte und dabei Fahrfehler beging. Es muss vielmehr eine deutlich unsichere, waghalsige und fehlerhafte Fahrweise festgestellt werden können (BGH DAR 2000, 481; NStZ-RR 2017, 123).
Rz. 172
Zwar sind auch hier – wie bei Alkoholfahrten – die Anforderungen an Art und Ausmaß drogenbedingter Ausfallerscheinungen umso geringer anzusetzen, je höher die im Blut festgestellte Wirkstoffkonzentration ist. Eine allgemeine Beschreibung der Auswirkungen der Einnahme von Drogen reicht jedoch nicht aus. Es muss vielmehr der sichere Schluss möglich sein, dass der Konsument in der konkreten Verkehrssituation fahrunsicher war. Indizien, die lediglich allgemeine Drogenenthemmung erkennen lassen, reichen nicht, wenn sie sich nicht unmittelbar auf die Beeinträchtigung der Fahreignung beziehen (OLG Zweibrücken NZV 2005, 164); hierfür genügen allerdings auch mehrere erst in der Anhaltesituation zu Tage getretene, aber aussagekräftige Beweisanzeichen (OLG Saarbrücken NStZ-RR 2015, 228).
Das gilt auch, soweit es sich um sonstige für die konsumierte Droge ...