I. Durch Blutprobe
1. Allgemeines
Rz. 72
Die Blutprobenentnahme ist als strafprozessuale Eingriffsmaßnahme bei Beschuldigten, aber auch bei anderen Personen (§§ 81a und 81c StPO) zulässig. In der Literatur wird darüber hinaus die Auffassung vertreten, die Entnahme einer Blutprobe sei auch zur Gefahrenabwehr zulässig. Ob bzw. unter welchen Voraussetzungen einem Fußgänger eine Blutprobe entnommen werden darf, ist streitig.
2. Anordnungskompetenz
Rz. 73
Bis zum Jahr 2017 stand die Anordnungskompetenz unter striktem Richtervorbehalt, was allerdings in der Praxis weitgehend nicht beachtet wurde. Das war Anlass sowohl für den BGH (NJW 2007, 2567) als auch für das Verfassungsgericht (DAR 2010, 454) nochmals eindringlich auf diesen Richtervorbehalt hinzuweisen. In einer weiteren Entscheidung (NZV 2010, 628) ist das Verfassungsgericht dann auch der sich abzeichnenden Praxis, grundsätzlich die Eilkompetenz der Polizei anzunehmen mit dem Hinweis entgegengetreten, dass angesichts des bereits von Verfassungs wegen (BVerfG NJW 2007, 1444) vorzuhaltenden Eil- und Bereitschaftsdienstes eine richterliche Entscheidung jederzeit eingeholt werden könne.
In der Folge haben Polizei, Staatsanwaltschaft und Instanzgerichte vehement auf eine Gesetzesänderung gedrängt.
Der Gesetzgeber hat deshalb mit Wirkung vom 24.8.2017 (BGBl I, 3202) den § 81a um einen Absatz 2 ergänzt, wonach zwar grundsätzlich die Anordnung einer Blutprobe dem Richter vorbehalten ist, aber bei Gefährdung des Untersuchungserfolgs (z.B. im Falle einer erheblichen Verzögerung) die Staatsanwaltschaft und ihre Ermittlungspersonen (§ 152 GVG) selbst entscheiden können, ob ein Fall von Eilkompetenz vorliegt.
Abweichend von Satz 1 bedarf die Anordnung einer richterlichen Entscheidung nicht, wenn bestimmte Tatsachen den Verdacht begründen, dass eine Straftat nach § 315a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 und 3, § 315c Abs. 1 Nr. 1a, Abs. 2 und 3 oder § 316 StGB begangen worden ist.
3. Entnahme
a) Alkoholtest
Rz. 74
I.d.R. erfolgt der BAK-Nachweis durch Entnahme einer Blutprobe. Bei Verdacht auf eine Alkoholfahrt (auch nach § 24a StGB) ist die Anordnung einer Blutentnahme zur Bestimmung der Alkoholkonzentration grundsätzlich zulässig. Eine Ausnahme besteht dann, wenn von Anfang an nur der Verdacht einer OWi nach § 24 StVG besteht und der Betroffene zur Mitwirkung an einer Atemalkoholprobe bereit ist.
Zwar soll nach dem von den Bundesländern vereinbarten "gemeinsamen Erlass für die Feststellung von Alkohol im Blut bei Straftaten und OWis" der Tatverdacht regelmäßig durch einen Alkoholtest überprüft werden, doch ist das Angebot zur Durchführung eines Atemalkoholtestes keine rechtliche Wirksamkeitsvoraussetzung für die Anordnung einer Blutprobe (OLG Köln NStZ 1986, 234).
Achtung: Atemalkoholwert zum Nachweis absoluter Fahruntauglichkeit nicht geeignet
Der Atemalkoholwert kann zwar ein Indiz für eine relative Fahruntauglichkeit sein, die Rechtsprechung (BGHSt 46, 358, 373; BGH DAR 2001, 275; OLG Naumburg NStZ-RR 2001, 105) hält jedoch eine Verurteilung wegen absoluter Fahruntüchtigkeit (1,1 ‰-Grenze) nach § 316 StGB allein aufgrund des Atemalkoholwerts für unzulässig.
b) Zwangsweise
Rz. 75
Die Polizeibeamten als Hilfsbeamte der Staatsanwaltschaft haben das Recht zur vorübergehenden Festnahme (OLG Saarbrücken VRS 17, 120) und zur Anwendung von Zwang (OLG Koblenz VRS 54, 357). Im Falle eines begründeten Verdachts überwiegt das Strafverfolgungsinteresse den Anspruch des Betroffenen auch auf Erhalt der Unverletzlichkeit seiner Wohnung (BayObLG NZV 2003, 148). Da die Polizeibeamten somit rechtmäßig handeln, begeht ein Betroffener, der sich gegen die Polizisten zur Wehr setzt eine Widerstandshandlung i.S.d. § 113 StGB, die nach OLG Düsseldorf (NZV 1996, 458) schon darin liegen soll, dass der Kraftfahrer auf die Aufforderung der Polizeibeamten hin nicht aus seinem Wagen aussteigt, sondern die Tür von innen verriegelt.
Tipp: Nur bei zutreffender Belehrung
Eine strafbare Widerstandshandlung liegt nur vor, wenn der Polizeibeamte selbst rechtmäßig gehandelt hat. Das setzt bei einer gewaltsamen Blutentnahme jedoch eine korrekte Belehrung voraus und ist z.B. dann nicht der Fall, wenn der Polizeibeamte vor der Anwendung einfacher körperlicher Gewalt trotz des bereits bestehenden Verdachts auf eine Trunkenheitsfahrt lediglich über eine allgemeine Verkehrskontrolle nach § 35 Abs. 5 StVO belehrt (OLG Celle NZV 2013, 408).
Rz. 76
Achtung: Bestechungsversuch
Das Anerbieten eines wesentlichen Geldbetrages in der Absicht, den Beamten von weiteren Maßnahmen abzuhalten, ist ein (nicht als minderschwerer Fall einzustufender) Bestechungsversuch (KG NZV 2001, 443).
c) Duldungs-, keine Mitwirkungspflicht
Rz. 77
Der Untersuchte hat lediglich eine Duldungspflicht. Eine Verpflichtung zum aktiven Tun besteht nicht (BGHSt 34, 39). So braucht er insbesondere keine Fragen zu beantworten (OLG Hamm NJW 1974, 713), er muss sich keinen Prüfungen unterziehen, auch keinem Alkoholtest (BGH VRS 39, 184), er muss auch bei sonstigen Unters...