Rz. 158
Achtung: Strafrechtliche Verantwortlichkeit des Arztes
Zu den Voraussetzungen, unter denen ein Arzt für die Folgen einer behandlungsbedingten Fahrunsicherheit seines Patienten verantwortlich sein kann, siehe Riemenschneider und Paetzold.
I. Berauschend wie Alkohol
Rz. 159
Andere berauschende Mittel sind solche, die in ihren Auswirkungen denen des Alkohols vergleichbar sind und zu einer Beeinträchtigung des Hemmungsvermögens sowie der intellektuellen und motorischen Fähigkeit führen, im Wesentlichen Betäubungsmittel (BGH VRS 53, 356).
II. Medikamente
1. Nur, wenn berauschend
Rz. 160
Dies gilt auch für Medikamente, allerdings nur, soweit sie in ähnlicher Weise berauschend oder betäubend wie Alkohol wirken können. Das sind namentlich alkoholhaltige Medikamente (Klosterfrau Melissengeist) oder Arzneien, die Rauschgifte i.S.d. Betäubungsmittelgesetzes oder der Betäubungsmittelgleichstellungsverordnung enthalten.
Vor allem bestimmte Schmerz-, Grippe-, Schlaf- oder Beruhigungsmittel, aber auch Appetitzügler (LG Freiburg NZV 2007, 378) können solche Wirkungen entfalten.
Rz. 161
Achtung: Schmerztherapie
Die Schmerztherapie, bei der die Medizin versucht, mit Medikamenten – teilweise auch Drogen – schwer leidenden Patienten (z.B. Krebsleiden) den Schmerz zu nehmen, gewinnt in Deutschland immer größere Bedeutung. Viele dieser Patienten können mithilfe der verabreichten Mittel ein relativ normales Leben führen und damit auch am Straßenverkehr teilnehmen.
Rz. 162
Arzt und Patient tragen in solchen Fällen eine hohe Verantwortung, denn die Teilnahme am Straßenverkehr in fahruntüchtigem Zustand wird auch dann bestraft, wenn sie auf in therapeutischer Absicht verordnete Mittel zurückgeht.
Gegenteiliges kann auch der BGH-Entscheidung vom 21.3.1978 (4 STR 104/78) nicht entnommen werden, obwohl in den dortigen Gründen die Verurteilung darauf gestützt worden war, dass das schmerzstillende Mittel ohne therapeutische Zielsetzung eingenommen worden war.
2. Berauschende Wirkung muss feststehen
Rz. 163
Eine Verurteilung setzt die Feststellung voraus, dass das eingenommene Mittel in seiner Wirkung der des Alkohols gleichzusetzen ist. Es reicht nicht aus, lediglich eine Beeinträchtigung der Fahrsicherheit festzustellen (OLG Köln NZV 1991, 158). Außerdem muss die Fahrunsicherheit eindeutig auf die Medikamenteneinnahme zurückgeführt werden können (LG Stuttgart NZV 1996, 379). Eine solche Feststellung kann der Richter regelmäßig ohne Hinzuziehung eines Sachverständigen nicht treffen (OLG Koblenz VRS 59, 199).
3. Schuldfähigkeit
Rz. 164
In jüngerer Zeit tendiert der Bundesgerichtshof immer mehr dazu, bei Medikamenteneinnahme zumindest eine Einschränkung der Schuldfähigkeit nach § 21 StVG anzunehmen. Jedenfalls müssen sich die Urteilsgründe hiermit befassen.
III. Rauschmittel
1. Absoluter Grenzwert bei Rauschmitteln?
Rz. 165
Es gibt (derzeit) nach allgemeiner Meinung noch keinen absoluten Grenzwert für Rauschmittel (BGH DAR 2008, 390; OLG Hamm zfs 2010, 407; BGH NZV 2015, 562; NStZ-RR 2017, 123) – auch nicht für harte Drogen wie Kokain (LG Berlin NZV 2012, 397).
Auch der Hinweis darauf, dass der von der Arbeitsgruppe für Grenzwertfragen der Gesellschaft für Toxikologie und Forensische Chemie empfohlene Grenzwert einer für die Verkehrstauglichkeit relevanten Drogenmenge um ein Vielfaches überschritten wurde, reicht alleine nicht aus (BGH bei Ernemann, DAR 2012, 680).
Rz. 166
Im Augenblick ist jedenfalls eine Verurteilung nach § 316 StGB nur nach den gleichen Regeln möglich, wie sie die Rechtsprechung zur relativen Fahrunsicherheit entwickelt hat (OLG Hamm zfs 2010, 407; OLG Düsseldorf DAR 2019, 578); d.h. es müssen Umstände erkennbar sein, die über die allgemeine Drogenwirkung hinaus den sicheren Schluss zulassen, dass der Konsument in der konkreten Verkehrssituation fahrunsicher war (BGH DAR 2008, 390; NZV 2015, 562; NStZ-RR-2017, 213; OLG Düsseldorf DAR 2019, 578), wobei nicht unbedingt erforderlich ist, dass sich die körperlichen bzw. geistigen Mängel in Fahrfehlern ausgewirkt haben. Vielmehr können zum Nachweis der Fahruntüchtigkeit auch sonstige Auffälligkeiten im Verhalten des Fahrzeugführers genügen, sofern sie konkrete Hinweise auf eine schwerwiegende Beeinträchtigung seiner psychophysischen Leistungsfähigkeit, insbesondere seiner Wahrnehmungs- und Reaktionsfähigkeit, geben.
Entsprechendes gilt für einen Drogenabhängigen auf Entzug mit einer Ersatzdroge (BGH DAR 2008, 390).
2. Relative Fahruntauglichkeit
a) Achtung: Auch bei niedrigen Werten möglich
Rz. 167
Welche Mindestwerte für eine drogenbedingte relative Fahrunsicherheit nachgewiesen werden müssen, ist noch nicht abschließend geklärt. Nach zutreffender Auffassung müssen zumindest die von der Grenzwertkommission (BA 2007, 320) für eine Drogenwirkung jeweils bestimmten Mindestwerte erreicht werden (KG NStZ – RR 2016, 224).
Für unter 1 ng/ml liegende Werte wird dies für Haschisch wohl auszuschließen sein (OLG Bamberg DAR 2006, 286; OLG Jena NZV 2014, 138). Aber auch bei den übrigen Drogen gilt, dass wenigstens ein Wert nachgewiesen werden muss, bei dem eine Beeinträchtigung der Fahrtüchtigkeit überhaupt möglich ist, z.B. für Amphetamin (OLG München zfs 20...