Martin Schafhausen, Christel von der Decken
I. Typischer Sachverhalt
Rz. 15
A, geboren 1962, war von 2000 bis Mitte 2018 als Web-Designer in einem Internet-Unternehmen beschäftigt. Nach dessen Insolvenz eröffnete er eine eigene Firma. Dazu erhielt er gem. § 93 SGB III von der Agentur für Arbeit einen Gründungszuschuss. 2019 und 2020 machte er mit seiner Firma Verluste, so dass er das Gewerbe zum 1.1.2021 abmeldet und im November 2020 Arbeitslosengeld II nach dem SGB II beantragen muss. Die anteiligen Wohnkosten belaufen sich auf monatlich 540 EUR (warm); er teilt eine Altbauwohnung mit seinem langjährigen Freund B, mit dem er früher auch zusammengearbeitet hat. Sein früherer Arbeitgeber hat ihm zum Zweck der betrieblichen Altersversorgung eine Lebensversicherung übertragen.
Der zuständige Träger der Grundsicherung (§ 6 SGB II: entweder Agentur für Arbeit oder kommunaler Träger) lehnt den Antrag ab mit der Begründung,
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die Lebensversicherung unterliege als Vermögen der Verwertung, soweit der Grundfreibetrag gem. § 12 SGB II überschritten sei; |
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mit B bestehe eine Bedarfsgemeinschaft, jedenfalls aber eine Haushaltsgemeinschaft i.S.d. § 9 Abs. 5 SGB II. Seine – des B – Einkünfte reichten aus, um auch den Unterhalt von A zu finanzieren. |
II. Rechtliche Grundlagen
Rz. 16
Als Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende werden gewährt:
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Alleinstehende Alleinerziehende (Partner minderjährig) |
Partner ab Beginn 18. Lebensjahr |
Kinder ab Beginn 14. Lebensjahr bis Vollendung 17. Lebensjahr |
Kinder 6. bis 13. Lebensjahr |
100 % |
90 % |
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446 EUR |
401 EUR |
357 EUR |
309 EUR |
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Das Sozialgeld gem. § 28 SGB II stellt die Regelleistung für nicht erwerbstätige Personen dar, die in ihrer Höhe dem Regelsatz entspricht. |
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Unterkunftskosten in tatsächlicher Höhe, sofern angemessen, § 22 SGB II, dh die tatsächlichen Heizkosten und die Mietkosten sowie die Zinsen für die Abzahlung von Wohneigentum, nicht dagegen die Tilgung entsprechender Darlehen. Nach § 22 Abs. 8 SGB II können ausnahmsweise auf Antrag auch Mietschulden übernommen werden, wenn ansonsten Wohnungslosigkeit droht und hierdurch die Aufnahme einer konkret in Aussicht stehenden Beschäftigung verhindert würde. Die §§ 22a ff. SGB II ermächtigen die Kommunen, durch Satzung zu bestimmen, in welcher Höhe Aufwendungen für Unterkunft und Heizung "angemessen" sind (so genannte "Satzungslösung"). Diese Satzungen können im Rahmen einer Normenkontrollklage nach § 55a SGG der gerichtlichen Überprüfung unterzogen werden. Die Bedarfe für Unterkunft und Heizung sind "integraler Bestandteil" des ALG II, so dass sie nicht mehr isoliert eingeklagt werden können. |
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Zuschuss zu den Beiträgen bei Befreiung von der Versicherungspflicht, § 26 SGB II, ggf. auch hinsichtlich freiwilliger Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge. |
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Erhöhtes ALG II mit Rücksicht auf einen Mehrbedarf wegen kostenaufwändiger Ernährung nach § 21 Abs. 5 SGB II. |
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Kinderzuschlag nach § 6a BKGG in Höhe von bis zu 140 EUR. Voraussetzung ist, dass durch den Kinderzuschlag eine Hilfebedürftigkeit nach dem SGB II der Bedarfsgemeinschaft vermieden wird. Der Kinderzuschlag wird von der Familienkasse gezahlt zugunsten von Kindern, die das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und im Übrigen kindergeldberechtigt sind. |
Anlass zu häufigem Streit bietet § 11 SGB II, wonach bestimmte Einkommensarten u.U. anrechnungsfrei bleiben:
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z.B. Eigenheimzulage; da zweckgebunden, keine Anrechnung; |
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Zinsen im Monat der Gutschrift anrechenbar; |
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Krankengeld ohne Freibetrag anrechenbar; |
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Gründungszuschuss gem. § 93 SGB III wird als Einkommen berücksichtigt; |
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(nachgezahltes) Arbeitsentgelt wird in dem Monat der Auszahlung angerechnet; |
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Rente wegen Berufsunfähigkeit oder Verletztenrente nach § 56 SGB VII sind als Einkommen zu berücksichtigen; |
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Blindengeld ist als Einkommen anzurechnen; |
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Insolvenzgeld, auch in Bezug auf Bedarfsgemeinschaft, anrechenbar. |
Leistungen des Bildungs- und Teilhabebudgets für Kinder und Jugendliche werden neben den Regelleistungen bzw. Sozialgeld erbracht. Es geht im Einzelnen um folgende Leistungen:
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Schul- und Kita-Ausflüge, Klassenfahrten; |
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persönlicher Schulbedarf gem. § 28 Abs. 1 SGB II: insgesamt 100 EUR pro Jahr; |
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Schülerbeförderung, § 28 Abs. 4 SGB II; |
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Lernförderung; |
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gemeinschaftliche Mittagsverpflegung; |
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Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben, z.B. Mitgliedsbeiträge in den Bereichen Sport, Spiel, Kultur und Geselligkeit, Budget: 10 EUR pro Monat. |
Ausgenommen nach § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 SGB II sind vom Leistungsbezug Ausländer, die in der Bundesrepublik nicht Arbeitnehmer oder Selbstständiger sind und auch nicht aufgrund § 2 Abs. 3 Freizügigkeitsgesetz/EU freizügigkeitsberechtigt sind. Gleiches gilt auch für ihre Familienangehörigen für die ersten drei Monate ihres Aufenthaltes.
Mit Beschluss v. 12.12.2013 hat das BSG dem EuGH die Frage vorgelegt, ob der Ausschluss von Leistungen gegen das Gebot der Gleichbehandlung gem. Art. 4 VO(EU) 883/2004...