Martin Schafhausen, Christel von der Decken
I. Typischer Sachverhalt
Rz. 32
Der zuständige Rentenversicherungsträger verlangt von dem Antragsteller aufgrund einer Betriebsprüfung gem. § 28p SGB IV i.V.m. BeitragsverfahrensVO Beitragsnachzahlungen in Höhe von 5,2 Mio. EUR (incl. Säumniszuschläge). Der Antragsteller habe als verantwortlich Handelnder ungarische Arbeitnehmer deutschen Unternehmen zur Arbeitsleistung überlassen, ohne im Besitz der dafür erforderlichen Erlaubnis (zur Arbeitnehmerüberlassung) zu sein. Als Entgelt zahlender Verleiher hafte er für die zu entrichtenden Beiträge.
II. Rechtliche Grundlagen
Rz. 33
Gem. § 86a Abs. 2 Nr. 1 SGG werden Bescheide über die Versicherungspflicht und die Beitragspflicht sofort vollzogen. Nach § 86a Abs. 3 SGG kann die zuständige Behörde auf Antrag den Sofortvollzug aussetzen. Wird dies abgelehnt, kann der Antragsteller gem. § 86b Abs. 1 Nr. 2 SGG beim Gericht der Hauptsache beantragen, dass dieses die aufschiebende Wirkung herstellt. Umstritten ist, ob auf solche Statusfeststellungen im Rahmen einer Betriebsprüfung auch § 7a Abs. 7 S. 1 SGB IV entsprechend anzuwenden ist. Das LSG Sachsen-Anhalt bejaht dies, so dass ein Eilantrag auch auf die von Gesetzes wegen angeordnete aufschiebende Wirkung des Widerspruchs und der Anfechtungsklage gestützt werden kann.
Nach § 28e Abs. 2 S. 3 SGB IV haftet der Verleiher auf den Gesamtsozialversicherungsbeitrag, wenn er seinerseits an den Leiharbeitnehmer Arbeitsentgelt zahlt, obwohl der Vertrag nach § 9 Nr. 1 AÜG unwirksam ist. Die Pflicht zur Beitragszahlung knüpft daran an, dass eine Beschäftigung in der Bundesrepublik Deutschland ausgeübt wird (§ 3 SGB IV), unabhängig davon, welche Staatsangehörigkeit der Beschäftigte hat und ob er zuvor im Ausland beschäftigt war und dort möglicherweise einen Versicherungsschutz aufgebaut hat. Etwas anderes gilt nur in den Fällen der sog. "Einstrahlung" gem. § 5 SGB IV bzw. nach der VO 883/2004.
Auf die Beitragsnachzahlung haftet der Unternehmer, der mit dem Beschäftigten den Vertrag abgeschlossen hatte, und der Entleiher, nicht aber der Betriebsnachfolger. § 613a BGB erfasst nicht Beitragsansprüche gegenüber dem Vorunternehmer.
III. Muster: Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung
Rz. 34
Muster 37.9: Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung
Muster 37.9: Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung
An das Sozialgericht
_____
Antrag gem. § 86b Abs. 1 Nr. 2 SGG
des A, _____
– Antragsteller –
gegen
Deutsche Rentenversicherung _____
– Antragsgegnerin –
Namens und in Vollmacht des Antragstellers beantragen wir,
die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs vom _____ gegen den Beitragsbescheid vom _____ gem. § 86b Abs. 1 Nr. 2 SGG festzustellen bzw. anzuordnen.
Begründung:
1. |
Der Antragsteller wird mit dem in Kopie beigefügten Bescheid zur Beitragszahlung herangezogen. Kopie des Widerspruchs nebst Begründung fügen wir in der Anlage bei. Die Antragsgegnerin hat den Antrag gem. § 86a Abs. 3 SGG abgelehnt und droht Vollstreckung an, so dass eine Entscheidung des SG gem. § 86b Abs. 1 SGG erforderlich ist. Gem. § 7a Abs. 7 S. 1 SGB IV hat der Widerspruch aufschiebende Wirkung, vgl. u.a. LSG Rheinland-Pfalz v. 9.1.2014 – L 2 R 409/13 B ER, LSG Sachsen-Anhalt v. 10.11.2016 – L 1 R 153/16 B ER. |
2. |
Der angefochtene Bescheid ist rechtswidrig: Nicht der Antragsteller, sondern der deutsche Arbeitgeber ist zur Beitragszahlung verpflichtet. Der Antragsteller war lediglich Geschäftsführer einer in Ungarn angesiedelten Firma. Anderen Firmen war er nur bei geschäftlichen Aktivitäten behilflich, so dass eine persönliche Haftung auf keinen Fall in Betracht kommt. |
3. |
Die Eilbedürftigkeit ergibt sich daraus, dass eine Vollstreckung in das Vermögen des Antragstellers dessen geschäftliche Grundlagen zerstört, so dass nicht nur mit einer Verarmung, sondern auch mit einer Arbeitslosigkeit auf Dauer zu rechnen ist. Wir überreichen in der Anlage einen Status über die Vermögens- und Einkommensverhältnisse des Antragstellers. Es würde für ihn auch eine besondere Härte bedeuten, wenn entsprechend vollstreckt würde. Im Rahmen des Aussetzungsverfahrens ist deshalb auch der Gesichtspunkt des § 76 Abs. 4 SGB IV zu beachten. |
4. |
Im Übrigen ordnet § 7a Abs. 7 S. 1 SGB IV die aufschiebende Wirkung von Widerspruch und Anfechtungsklage, die sich gegen Statusentscheidungen richten, an. Diese Vorschrift findet nach dem Willen des Gesetzgebers nicht allein auf Statusfeststellungsverfahren, die vor der Clearingstelle der Deutschen Rentenversicherung Bund geführt werden, sondern auch auf Statusfeststellungen Anwendung, die im Rahmen einer Betriebsprüfung getroffen werden (LSG Sachsen-Anh... |