Martin Schafhausen, Christel von der Decken
1. Typischer Sachverhalt
Rz. 26
Bei dem 1995 geborenen Antragsteller liegt ein Gendefekt vor (Down-Syndrom). Er besuchte bis zum Ende des Schuljahres 2017/2018 die integrative Waldorfschule. Danach beantragte er bei der Kreisverwaltung, ihm ab September 2018 ein Persönliches Budget zur Beschäftigung eines Arbeitserziehers zu gewähren, um zusammen mit einem weiteren behinderten jungen Erwachsenen im Stadtpark bei der Tierpflege beschäftigt werden zu können. Diesen Antrag leitete die Kreisverwaltung an die Agentur für Arbeit weiter. Diese lehnte den Antrag ab und führte aus, der Antragsteller sei nicht in der Lage, eine Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt auszuüben. Allenfalls käme für ihn eine Maßnahme im Berufsbildungsbereich einer Werkstatt für behinderte Menschen mit dem Ziel einer Beschäftigung im Arbeitsbereich in Betracht. Der Antragsteller hat danach mit dem Arbeitserzieher einen Anstellungsvertrag abgeschlossen und Antrag auf Erlass der einstweiligen Anordnung gestellt mit dem Ziel der Gewährung von Leistungen zur Teilhabe in Form eines persönlichen Budgets in Höhe von 1.250 EUR monatlich. Das SG hat den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gem. § 86b SGG abgelehnt. Dagegen richtet sich die Beschwerde des Antragstellers.
2. Rechtliche Grundlagen
Rz. 27
Gem. § 1 S. 1 SGB IX erhalten behinderte und von Behinderung bedrohte Menschen Leistungen zur Teilhabe nach dem SGB IX und den für die Rehabilitationsträger geltenden Leistungsgesetzen, um ihre Selbstbestimmung und ihre volle, wirksame und gleichberechtigte Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu fördern, Benachteiligungen zu vermeiden oder ihnen entgegenzuwirken. Die Agentur für Arbeit kann danach nur "Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben" gewähren, die zugunsten behinderter Menschen erbracht werden, um ihre Erwerbsfähigkeit zu erhalten, zu bessern, herzustellen oder wiederherzustellen und ihre Teilhabe am Arbeitsleben zu sichern.
Nachdem der Antrag von der Kreisverwaltung entgegengenommen und von dieser an die Agentur für Arbeit weitergeleitet wurde, ist Letztere verfahrensrechtlich für den gesamten Reha-Bereich zuständig, § 14 SGB IX.
Gem. § 29 Abs. 1 SGB XI können Leistungen zur Teilhabe auch durch ein Persönliches Budget ausgeführt werden. Es wird "in der Regel" als Geldleistung ausgeführt, um dem Leistungsberechtigten in eigener Verantwortung ein möglichst selbstbestimmtes Leben zu ermöglichen. Diese Zielsetzung erfordert eine rasche Feststellung des umfassenden individuellen Rehabilitationsbedarfs durch den nach § 14 SGB IX zuständigen Träger.
Als budgetfähig bezeichnet das Gesetz Leistungen zur Teilhabe einerseits (incl. Werkstatt für behinderte Menschen) und der Pflege, Eingliederungshilfe andererseits. Persönliche Budgets setzen einen Antrag sowie die Befähigung voraus, in eigener Verantwortung ein möglichst selbst bestimmtes Leben zu führen, § 29 Abs. 1 S. 1 SGB IX. Zur Umsetzung der Persönlichen Budgets schließen der Leistungsträger eine Zielvereinbarung ab (§ 29 Abs. 4 SGB IX). Der Inhalt ist mit den anderen Leistungsträgern abzustimmen. Der Beauftragte darf die Leistung erst durch Verwaltungsakt bewilligen, wenn die Zielvereinbarung abgeschlossen ist. Sie enthält mindestens Regelungen über
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die Ausrichtung der individuellen Förderung- und Leistungsziele; |
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die Erforderlichkeit eines Nachweises über die Deckung des festgestellten individuellen Bedarfs sowie; |
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die Qualitätssicherung. |
Es handelt sich um einen öffentlich-rechtlichen Vertrag.
Durch einen Verwaltungsakt wird die finanzielle Verantwortung des Budgetnehmers geregelt. Dies betrifft nicht nur die Befristung, sondern auch die Frage, wie mit solchen Geldern zu verfahren ist, die – anders als geplant – nicht "verbraucht" werden. Das Persönliche Budget umfasst auch Kosten der Beratung (sog. "Budgetassistenz").