Martin Schafhausen, Christel von der Decken
1. Typischer Sachverhalt
Rz. 38
Gegenstand des Prozesses vor dem Sozialgericht war die Mitgliedschaft in der gesetzlichen Krankenkasse. Die Beklagte hatte noch während eines Krankengeldbezugs des Mandanten im Rahmen von dessen Rentenantrag mit bestandskräftig gewordenem Bescheid festgestellt, er könne nicht in der Krankenversicherung der Rentner (KVdR) versichert werden. Nach Ende des Krankengeldbezugs bestand die Pflichtmitgliedschaft wegen Bezugs von Arbeitslosengeld (nach § 136 SGB III) weiter. Im anschließenden Bescheid über eine volle Erwerbsminderungsrente wurden dem Mandanten Pflichtbeiträge zur Krankenversicherung abgezogen. Etwa fünf Monate nach Erlass des Rentenbescheides forderte die Krankenkasse die Versichertenkarte zurück: Es bestehe keine Mitgliedschaft mehr. Nach Ende der Mitgliedschaft sei nicht binnen drei Monaten der freiwillige Beitritt nach § 9 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Nr. 1 SGB V erklärt worden. Ein im Widerspruchsverfahren nach § 44 SGB X gestellter Überprüfungsantrag auf Aufnahme in die KVdR wurde zurückgewiesen, wogegen ebenfalls Widerspruch eingelegt wurde. Der Widerspruchsbescheid bezog sich dann sowohl auf den Antrag nach § 44 SGB X als auch den Widerspruch gegen die Verweigerung der freiwilligen Mitgliedschaft. (Hinweis: in der Zwischenzeit hat sich insoweit die Rechtslage geändert. Endet die Pflichtmitgliedschaft nach § 5 SGB V oder scheidet ein Versicherter aus der Familienversicherung nach § 10 SGB V aus, ist nunmehr nach § 188 Abs. 4 SGB V vorgesehen, dass das Krankenversicherungsverhältnis als freiwillige Krankenversicherung weitergeführt wird, es sei denn, das Mitglied erklärt innerhalb von zwei Wochen nach Hinweis der Krankenkasse über die Austrittsmöglichkeit seinen Austritt.)
Nachdem die Prozessbevollmächtigte des Klägers nach dem 1.1.2021 beauftragt worden war, begründete sie die Klage ausführlich und nahm an einer Beweisaufnahme teil. Hinsichtlich der freiwilligen Mitgliedschaft verständigten sich die Beteiligten auf einen Vergleich, der nach § 101 Abs. 1 S. 2 SGG in Form eines Beschlusses, den die Beteiligten gegenüber dem Gericht angenommen haben, geschlossen wurde. Es ergab sich im Übrigen, dass die Voraussetzungen für die KVdR nicht erfüllt waren. Der Vergleich sah vor, dass der Kläger insoweit die Klage zurücknimmt.
Gegenstand des Vergleichs war auch die Kostenregelung, dass die Beklagte dem Kläger ⅔ der außergerichtlichen Kosten zu erstatten hat. Da eine Einigung über die Gebührenhöhe nicht erzielt werden konnte, wurde ein Kostenfestsetzungsantrag gestellt.
2. Rechtliche Grundlagen
Rz. 39
Im sozialgerichtlichen Verfahren 1. Instanz können nachfolgende Gebühren entstehen: Eine Verfahrensgebühr nach Nr. 3102 RVG-VV, eine Terminsgebühr nach Nr. 3106 RVG-VV sowie eine Einigungs- oder Erledigungsgebühr nach Nr. 1000,1002,1006 RVG-VV zuzüglich Auslagen nach Nr. 7000 ff. RVG-VV und Umsatzsteuer nach Nr. 7008 RVG-VV. War der Rechtsanwalt im Widerspruchsverfahren tätig, so ist nach Vorbem. 3 Abs. 4 RVG-VV die Hälfte der Geschäftsgebühr, nicht aber mehr als 207 EUR, auf die nachfolgende Verfahrensgebühr anzurechnen. Eine Terminsgebühr nach Nr. 3106 RVG-VV kann für die Vertretung in einem gerichtlichen Verhandlungs-, Erörterungs- oder Beweisaufnahmetermin oder für die Wahrnehmung eines von einem gerichtlich bestellten Sachverständigen anberaumten Termins oder bei einer Mitwirkung an einer auf die Vermeidung oder die Erledigung des Verfahrens gerichteten Besprechung ohne Beteiligung des Gerichts geltend gemacht werden. Die Gebühr entsteht nach Anm. S. 1 zu Nr. 3106 RVG-VV auch in Verfahren, in denen eine mündliche Verhandlung vorgeschrieben ist, wenn im Einverständnis der Parteien aber ohne mündliche Verhandlung entschieden wird, in einem solchen Verfahren mit oder ohne Mitwirkung des Gerichts ein schriftlicher Vergleich geschlossen wird oder das Verfahren nach angenommenem Anerkenntnis ohne mündliche Verhandlung endet. Die Terminsgebühr entsteht auch, wenn nach § 105 Abs. 1 SGG ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entschieden wird, aber nur dann, wenn eine mündliche Verhandlung beantragt werden könnte oder wenn das Verfahren nach angenommenem Anerkenntnis ohne mündliche Verhandlung endet (fiktive Terminsgebühr). Nach Anm. S. 2 zu Nr. 3106 RVG-VV beträgt die fiktive Terminsgebühr 90 % der in derselben Angelegenheit dem Rechtsanwalt zustehenden Verfahrensgebühr ohne Berücksichtigung einer Erhöhung nach Nr. 1008 RVG-VV.
Entscheidet das Gericht im Urteil nach § 193 SGG, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben, so ist gegen diese Kostengrundentscheidung die Beschwerde nach § 172 Abs. 3 Nr. 3 SGG ausgeschlossen. Endet der Rechtsstreit nicht durch Urteil, so entscheidet das Gericht auf Antrag eines der Beteiligten durch Beschluss nach §§ 193 Abs. 1 S. 3, 102 S. 3 SGG über die Kosten. Die Höhe der Kosten wird nach § 197 Abs. 1 SGG i.V.m. §§ 103 ff. ZPO durch den Urkundsbeamten der Geschäftsstelle auf Antrag festgesetzt. Die Sozialgerichte haben auf Antrag festzustellen, dass der festges...