Rz. 42

Sind die Beweisfragen entscheidungserheblich und vollständig? Trägt die Beweisanordnung den Besonderheiten des zu entscheidenden Falles Rechnung?

ZB: Handelt es sich um einen erstmaligen Anspruch auf Leistung oder einen Verschlimmerungsantrag bzw. ein Herabsetzungsverfahren gem. § 48 SGB X? Ist der berufliche Werdegang des Klägers zutreffend skizziert?

Hat der Sozialleistungsträger dem Betroffenen das Wahlrecht gem. § 200 Abs. 2 SGB VII (gesetzliche Unfallversicherung) bzw. § 14 Abs. 5 SGB IX (Rehabilitation) ermöglicht?

Bei Verletzung kommt ein Verwertungsverbot gem. § 84 SGB X in Betracht.[85]

Hat das Gericht den "geeigneten Gutachter" ausgewählt?

Hätte das Gericht vor Ernennung des Gutachters nach § 404 Abs. 2 ZPO[86] die Beteiligten anhören müssen?
Hat der Sachverständige die ihm von dem Gericht gesetzte Frist eingehalten (§ 411 Abs. 1 ZPO), der Sachverständige rechtzeitig vor Fristablauf einen Fristverlängerungsantrag gestellt?
Verfügt der Sachverständige über die erforderliche Fachkunde i.S.d. § 407a Abs. 1 ZPO? Ist z.B. ein psychologisches Zusatzgutachten erforderlich, um die Umstellungs- und Anpassungsfähigkeit zu überprüfen?[87]
Ist anstelle eines Internisten ein Lungenfacharzt oder Kardiologe geeigneter? Bedarf es ergänzender Fachkunde, z.B. bei der Interpretation von Röntgenaufnahmen oder CT-Befunden?
Liegen Gründe vor, weshalb der beauftragte Arzt von der Sachverständigentätigkeit ausgeschlossen ist, etwa weil er früher schon einmal am Verfahren beteiligt war (§§ 406, 41 Abs. 1 ZPO)? Besteht die Besorgnis der Befangenheit, z.B. weil der Gutachter ständig mit der Gegenseite zusammenarbeitet oder eine persönliche Auseinandersetzung mit dem Probanden zu befürchten ist?[88] Rügefrist: zwei Wochen gem. § 406 Abs. 2 ZPO, also noch vor Erstellung des Gutachtens.
Hat der beauftragte Arzt selbst die erforderlichen Untersuchungen und Auswertungen vorgenommen, oder hat er unter Verstoß gegen § 407a Abs. 2 ZPO den Auftrag an Dritte weitergegeben?[89] Inwieweit hat er nachgeordnete Ärzte zu "Hilfstätigkeiten" herangezogen?[90]
Hat der Sachverständige den gesamten Akteninhalt, also sämtliche Vorgutachten, Befundberichte und weitere ärztliche Unterlagen vollständig mit gewürdigt und in seiner Beurteilung diskutiert? Oder bestehen nicht auflösbare Widersprüche zwischen der Beurteilung des Sachverständigen und den Vorbefunden bzw. den Vorgutachten?
Hat der Sachverständige die seiner Beurteilung vorgreiflichen sog. "Anknüpfungstatsachen" zutreffend berücksichtigt (z.B. Unfallhergang, Exposition bezüglich einer streitigen Berufskrankheit oder die Anforderungen, die eine bestimmte berufliche Tätigkeit an den Arbeitnehmer stellt)?
Hat der Sachverständige alle Klagen des Probanden zur Kenntnis genommen, ggf. mit Hilfe eines Dolmetschers?
Hat der Sachverständige alle Fragen nachvollziehbar und verständlich beantwortet, ggf. seine von den Vorgutachten abweichende Meinung begründet, oder widersprechen sich die einzelnen Antworten?
Ergibt sich aus der Beurteilung, dass der Sachverständige seinerseits Rechtsbegriffe auslegt und damit seine Kompetenz überschreitet oder seiner Beurteilung ein falsches rechtliches Vorverständnis zugrunde legt? Hat er beispielsweise die Grundsätze über die Kausalität in der gesetzlichen Unfallversicherung oder das Gebot der "Integration" von Einzel-GdB-Werten beachtet? Hat er die MdE i.S.d. § 56 Abs. 2 SGB VII mit den Invaliditätsgraden gem. § 8 AUB verwechselt oder die Anforderungen an die Leistungsprüfung gemäß den Bedingungen der privaten Lebensversicherung (Berufsunfähigkeitszusatzversicherung) mit denen der §§ 43, 44 SGB VI vertauscht?
Entspricht die Beurteilung durch den Sachverständigen den Erfahrungssätzen der Sozialmedizin?[91] Z.B.: Reichen die Ergebnisse des Belastungs-EKG wirklich aus, um das Leistungsvermögen nach dem zweiten Herzinfarkt sachgerecht zu beurteilen, oder müssen noch Aspekte der psychischen Belastbarkeit berücksichtigt werden? Sind die vom Sachverständigen beschriebenen Depressionen oder Neurosen wirklich "bewusstseinsnah", also bei Anspannung aller Kräfte überwindbar?[92] Hat er die vorgelegten Fachaufsätze gewürdigt?[93]

Anwaltliche Reaktion[94]

Rücksprache mit dem Mandanten über die tatsächlichen Grundlagen, die Befunderhebung und die Beurteilung.
Gezielte Anfragen an die behandelnden Ärzte mit der Bitte um ergänzende Stellungnahmen, auch aus Sicht therapeutischer Bemühungen in der Vergangenheit.
Vorlage neuer Befundberichte, Klinikentlassungsberichte.
Detaillierte Kritik, z.B. anhand der Angaben des Mandanten über die Behinderungen schon im Alltagsablauf, bei der Verrichtung leichter Tätigkeiten (etwa i.S.d. § 14 Abs. 4 SGB XI) ohne Stress usw.
Hinweis auf Beweislastverteilung, z.B. wenn es um Rentenentziehung nach § 48 SGB X oder um Probleme der überholenden Kausalität ("Vorschaden") in der Unfallversicherung geht.
Zeugenangebote betreffend den Pflegebedarf gem. §§ 14, 15 SGB XI. In Betracht kommen die Angehörigen oder di...

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