Rz. 50
Ein Betrieb geht nur über, wenn dies durch ein Rechtsgeschäft vollzogen wird. Dabei ist der Begriff des Rechtsgeschäfts weit zu verstehen. Rechtsgeschäftlicher BetrInhW bedeutet, dass die zum Betrieb gehörenden materiellen oder immateriellen Betriebsmittel durch besondere Übertragungsakte – und nicht durch Gesamtrechtsnachfolge oder Hoheitsakt – auf den neuen Inhaber übertragen werden. Als Rechtsgeschäfte kommen Kauf, Schenkung, Einbringung in eine Gesellschaft, Vermächtnis, Verpachtung, Leasing oder Bestellung eines Nießbrauches sowie eine öffentlich-rechtliche Verwaltungsvereinbarung in Betracht (BAG v. 7.9.1995 – 8 AZR 928/93).
Rz. 51
§ 613a BGB ist nicht nur dann anwendbar, wenn der Betrieb oder Betriebsteil als Ganzes unmittelbar durch ein einheitliches Rechtsgeschäft von dem früheren Betriebsinhaber auf den neuen Betriebsinhaber übertragen wird. Ein Betriebsübergang durch Rechtsgeschäft liegt immer dann vor, wenn der Übergang von dem früheren auf den neuen Betriebsinhaber rechtsgeschäftlich veranlasst wurde, sei es auch durch eine Reihe von verschiedenen Rechtsgeschäften oder durch rechtsgeschäftliche Vereinbarungen mit verschiedenen Dritten. Entscheidend ist, dass die Rechtsgeschäfte darauf gerichtet sind, eine funktionsfähige betriebliche Einheit zu übernehmen (BAG v. 22.7.2004 – 8 AZR 350/03; BAG v. 6.4.2006 – 8 AZR 222/04; krit.: Grobys, NJW-Spezial 2006, 513). Mithin ist eine unmittelbare vertragliche Beziehung zwischen Veräußerer und Erwerber nicht erforderlich (EuGH v. 11.3.1997 – C 13/95– Ayse Süzen; EuGH v. 20.11.2003 – C-340/01 – Abler). Ein Betriebsübergang ist demnach anzunehmen, wenn ein Pächter im Anschluss an einen beendeten Pachtvertrag vom alten Pächter einen Betrieb übernimmt, diesen mit dem gleichen Betriebszweck weiterführt, während die vertraglichen Beziehungen zu dem Verpächter bestehen (BAG v. 25.2.1981 – 5 AZR 991/78; vgl. EuGH v. 10.2.1988 – 324/86). Auch im Fall einer Auftragsnachfolge, die zu einem Betriebsübergang führen kann, liegen regelmäßig keine Vertragsbeziehungen zwischen den Auftragnehmern vor (BAG v. 11.12.1997 – 8 AZR 426/94). Gleichgültig ist, ob der Betriebsübergang mit dem Rechtsgeschäft bezweckt war. Führt ein Verpächter einen Betrieb weiter, der nach Beendigung eines Pachtvertrages auf ihn zurückgefallen ist, dann ist der Pachtvertrag auch das Rechtsgeschäft für diesen Betriebsübergang (BAG v. 18.3.1999 – 8 AZR 159/98). Ein Betriebsübergang durch Rechtsgeschäft ist auch anzunehmen, wenn der Zwangsverwalter eines Grundstücks den Pachtvertrag mit dem früheren Pächter über ein auf dem Grundstück betriebenes Hotel kündigt und den Hotelbetrieb dann selbst weiterführt (BAG v. 18.8.2011 – 8 AZR 230/10, n.v.).
Rz. 52
Die Unwirksamkeit eines Rechtsgeschäfts führt nicht zum Ausschluss der Rechtsfolgen des § 613a BGB (BAG v. 6.2.1985 – 5 AZR 411/83; BAG v. 30.6.1994 – 8 AZR 544/92). Entscheidend ist, ob der Übergang des Betriebs auf dem einvernehmlichen Willen der betroffenen Betriebsinhaber beruht (BAG v. 8.11.1988 – 3 AZR 85/87). Dabei muss die übernommene wirtschaftliche Einheit auch tatsächlich fortgeführt werden. Mithin ist eine Anfechtung eines Unternehmenskaufvertrages für einen Betriebsübergang unbeachtlich, wenn der Betrieb tatsächlich fortgeführt wurde (LAG Köln v. 7.12.2001 – 11 Sa 867/01). Folglich liegt ein Betriebsübergang auch dann vor, wenn der Vertrag aufgrund eines Formmangels i.S.d. § 125 BGB nichtig ist. Dies soll allerdings auch für Verträge mit Geschäftsunfähigen gelten (BAG v. 6.2.1985 – 5 AZR 411/83), was im Hinblick auf die Schutzvorschriften für Geschäftsunfähige, §§ 104 ff. BGB, bedenklich erscheint (ErfK/Preis, § 613a BGB Rn 61 nimmt einen nur faktischen Vertrag an; Küttner/Kreitner, Betriebsübergang Rn 28). Auch ein vereinbartes Rücktrittsrecht steht der Annahme eines Betriebsüberganges nicht entgegen (BAG v. 15.12.2005 – 8 AZR 202/05).