Rz. 14
Der Übergang der materiellen Betriebsmittel ist nach neuerer Rspr. keine zwingende Voraussetzung für die Wahrung der Identität einer wirtschaftlichen Einheit. Dennoch ist es ein wesentliches Kriterium vor allem bei Produktionsbetrieben (MüKo-BGB/Müller-Glöge, BGB, § 613a Rn 30). In betriebsmittelgeprägten Betrieben kann ein Betriebsübergang auch ohne Übernahme von Personal vorliegen (BAG v. 15.2.2007 – 8 AZR 431/06). Materielle Betriebsmittel sind wesentlich, wenn bei wertender Betrachtungsweise ihr Einsatz den eigentlichen Kern des zur Wertschöpfung erforderlichen Funktionszusammenhangs ausmacht (BAG v. 2.3.2006 – 8 AZR 147/05; BAG v. 6.4.2006 – 8 AZR 222/04; BAG v. 13.6.2006 – 8 AZR 271/05; krit. Houben, NJW 2007, 2075, 2078).
Rz. 15
Beispiele
Wird ein Auftrag zur Bereederung eines Forschungsschiffes aufgrund einer Ausschreibung im öffentlichen Vergaberecht an ein anderes Unternehmen vergeben, so liegt nicht eine bloße Funktionsnachfolge vor, sondern vielmehr ein Betriebsübergang. Dies gilt auch dann, wenn der Übernehmende lediglich das Forschungsschiff als materielles Betriebsmittel übernimmt, da dieses das "identitätsprägende Betriebsmittel" ist (BAG v. 2.3.2006 – 8 AZR 147/05).
Andererseits ist bei der bloßen Übernahme einzelner Geschäftsräume unter Beibehaltung der Anschrift, sowie dreier von 21 Fahrzeugen eines Betriebes nicht von der Übernahme der wesentlichen Betriebsmittel auszugehen (BAG v. 16.2.2006 – 8 AZR 204/05).
Rz. 16
Der Übergang materieller Betriebsmittel ist allerdings unbedeutend, wenn mit den Betriebsmitteln eine völlig andere Tätigkeit als bei dem abgebenden Unternehmen ausgeführt oder die Organisation der Tätigkeitserfüllung grundlegend geändert wird.
Rz. 17
Es ist unerheblich, ob der potenzielle Betriebsübernehmer Eigentümer der identitätsprägenden materiellen Betriebsmittel ist. Nach der Rspr. des EuGH und des BAG sind einem Betrieb auch solche Gebäude, Maschinen, Werkzeuge oder Einrichtungsgegenstände als sächliche Betriebsmittel zuzurechnen, die nicht im Eigentum des Betriebsinhabers stehen, sondern die dieser aufgrund einer mit Dritten getroffenen Nutzungsvereinbarung zur Erfüllung des Betriebszweckes einsetzen kann. Dabei kann die Nutzungsvereinbarung als Pacht, Nießbrauch oder untypischer Vertrag ausgestaltet sein (EuGH v. 20.11.2003 – C-340/01 – Abler; BAG, 22.8.2013 – 8 AZR 521/12; BAG v. 15.2.2007 – 8 AZR 431/06). Auch im Fall einer Auftragsübernahme führt die Tatsache, dass materielle Betriebsmittel übernommen werden, ohne dass diese zur eigenwirtschaftlichen Nutzung überlassen werden, weder zum Ausschluss eines Übergangs der Betriebsmittel noch zum Ausschluss eines Unternehmens- oder Betriebsübergangs (EuGH v. 15.12.2005 – C 232/04 – Güney Görres; BAG v. 2.3.2006 – 8 AZR 147/05; BAG v. 6.4.2006 – 8 AZR 249/04; Schlachter, NZA 2006, 80 ff.; Hohenstatt/Grau, NJW 2007, 29 ff.).