Rz. 53
Der wohl kritischste Punkt für die Frage der Verjährung ist die Zustellung des Bußgeldbescheides. Erst diese und nicht nur der Erlass des Bußgeldbescheides kann die Unterbrechung der Verjährung auslösen. Die Zustellung muss dabei innerhalb von zwei Wochen nach Erlass des Bußgeldbescheides erfolgen, §§ 26 Abs. 3, 24 StVG, § 33 Abs. 1 S. 1 Nr. 9 OWiG.
Rz. 54
Zugestellt werden kann am tatsächlichen Wohnsitz des Betroffenen. Der Betroffene muss dabei an der Wohnadresse zur Zeit der Zustellung tatsächlich gewohnt haben. Es genügt ebenso, wenn der Betroffene zwar nicht mehr an seiner alten Anschrift wohnt, jedoch noch eine Beziehung zur vormaligen Wohnung aufrecht erhalten wird. Die Postzustellungsurkunde ist zunächst nur ein Indiz dafür, dass die Wohnung an der angegebenen Adresse bestand. Bei rechtsmissbräuchlichem Verhalten kann sich der Betroffene allerdings nicht auf die fehlerhafte Zustellung berufen.
Rz. 55
Versucht die Behörde hingegen die Zustellung in Geschäftsräumen, setzt dies voraus, dass der Betroffene Inhaber der Geschäftsräume ist oder alleiniger Geschäftsführer einer GmbH. Dies ist bspw. nicht der Fall bei einem Geschäftsleiter der GmbH & Co KG; auch für leitende Angestellte, die nicht selbst Gewerbetreibende sind, gilt § 178 Abs. 1 Nr. 2 ZPO nicht.
Rz. 56
Weitaus häufiger erfolgt die Zustellung an den Verteidiger des Betroffenen. Hier kann der Verteidiger nicht nur zahlreiche Fehler entdecken, sondern teilweise auch Fehler der Behörde gewissermaßen hervorrufen, indem er auf fehlende genügende Aufmerksamkeit auf Seiten der Behörde vertraut.
Rz. 57
Für die Zustellung des Bußgeldbescheides an den Verteidiger enthält § 51 Abs. 3 OWiG eine Sondervorschrift. Danach gilt der Verteidiger kraft Gesetzes als zustellungsbevollmächtigt, sofern sich die Vollmacht bei den Akten befindet. Eine Abschrift oder Ablichtung der Vollmacht reicht dabei aus, ebenso wie eine Übersendung der Vollmacht per Telefax. Fehlt eine solche Vollmacht, kann das Gericht nicht verjährungsunterbrechend an den Verteidiger zustellen.
Rz. 58
Diese Entscheidung des OLG Köln muss der Verteidiger insbesondere für eine spätere Rechtsbeschwerde kennen und für sich nutzen. Denn es wird immer noch versucht, die Zustellung trotz fehlender Vollmacht mit der Konstruktion einer rechtsgeschäftlichen Zustellungsvollmacht zu retten. Das OLG Köln führt aus, dass im Interesse der Rechtssicherheit und -klarheit jedenfalls am Erfordernis einer schriftlichen, bei den Akten befindlichen Vollmacht festzuhalten ist, so wie es der § 51 Abs. 3 S. 1 OWiG verlangt. Konkludentes Verhalten erfüllt diese Voraussetzungen nicht. Eine großzügigere Auslegung der Vorschrift kann Unklarheit schaffen und sich insbesondere auch zu Lasten eines Betroffenen auswirken. Zweckmäßigkeitserwägungen haben demgegenüber zurückzustehen.
Rz. 59
Soweit in der obergerichtlichen Rechtsprechung trotz Fehlens einer bei den Akten befindlichen Verteidigervollmacht bzw. in der Hauptverhandlung zu Protokoll erklärten Vollmacht eine wirksame Zustellung angenommen worden ist, betraf dies Fälle, in denen nur eine außergerichtliche Vollmacht zu den Akten gereicht worden war. bzw. die Berechtigung zur Entgegennahme von Zustellungen von der Verteidigervollmacht ausgeschlossen worden war, Stichwort "Verjährungsfalle". Hier müssen Gericht und Verteidigung jeweils klar argumentativ herausarbeiten, warum eine Zustellung nun nicht oder eben doch verjährungsunterbrechend wirken konnte.
Rz. 60
Ein Mischproblem ist das bereits erwähnte Konstrukt einer rechtsgeschäftlich erteilten Zustellungsvollmacht. Dem Grunde nach ähnelt die Anwendung dieser Konstruktion der Argumentation der zuvor zitierten Gerichte, die eine Art von missbräuchlichem Verhalten darin sehen, dass der Verteidiger als solcher agiert, aber eben keine Vollmacht vorlegt (und das ja auch nicht tun muss!). Obwohl die gegenteilige und überzeugende Entscheidung des OLG Köln existiert, werden weiterhin Entscheidungen erlassen, die sich auf das Konstrukt einer rechtsgeschäftlich erteilten Zustellungsvollmacht stützen.
Rz. 61
Auch eine andere Konstellation dürfte allenfalls über den Aspekt des rechtsmissbräuchlichen Verhaltens zu lösen sein: Ein Rechtsanwalt bestellt sich bei der Verwaltungsbehörde zum Verteidiger, reicht allerdings eine auf einen anderen Verteidiger lautende Vollmachtsurkunde zur Akte. Die Verwaltungsbehörde hatte den Bußgeldbescheid dem in Erscheinung tretenden Verteidiger zugestellt und nicht dem Verteidiger, der in der Vollmacht benannt war. Gegenüber dem Amtsgericht berief sich der nach außen in Erscheinung getretene Verteidiger dann auf Verfolgungsverjährung, da nicht an den in der Vollmachtsurkunde benannten Verteidiger zugestellt worden sei. Das Amtsgericht sah dies als rechtsmissbräuchliche "Verjährungsfalle" an. Das OLG Braunschweig ließ die Rechtsbeschwerde zu, verneinte aber den Eintritt der Verjährung. Hierzu führte es aus, § 51 Abs. 3 OWiG enthielte nur die Fiktion ...