Prof. Dr. Günther Schneider
Rz. 88
Verletzt sich ein Außenstehender bei der Pannenhilfe durch ein Verschulden des Fahrzeughalters, so stellt sich die Frage, ob seinen Schadensersatzansprüchen der Haftungsausschluss nach den §§ 104, 105 SGB VII entgegensteht. Dies ist der Fall, wenn für den Helfenden Unfallversicherungsschutz besteht und er sich in den "Fahrzeugbetrieb" eingegliedert hat. Wegen der inhaltlichen Unschärfe des Unternehmerbegriffs im Sinne des § 136 Abs. 3 SGB VII besteht gerade im Bereich der Pannenhilfe die Gefahr der Ausuferung des Versicherungsschutzes, damit aber auch des Eingreifens der Haftungsbeschränkung nach den §§ 104, 105 SGB VII.
Rz. 89
Versicherungsschutz bei der Pannenhilfe kann nur nach § 2 Abs. 2 S. 1 SGB VII gegeben sein, sodass alle Voraussetzungen hierfür (vgl. Rdn 39 ff.) zu prüfen sind. Insbesondere ist zu beurteilen, ob es sich bei der Pannenhilfe überhaupt um eine wirtschaftlich erhebliche Tätigkeit gehandelt hat. Diese ist zu bejahen, wenn entweder an dem Kraftwagen selbst eine technische Reparatur stattfindet oder ein Flottmachen des Wagens durch Herausziehen aus dem Graben usw. durchgeführt werden muss. Um eine wirtschaftlich wesentliche Tätigkeit handelt es sich sicher dann nicht, wenn z.B. ein Passant eine Auskunft erteilt. Weitere Voraussetzung für den Versicherungsschutz nach § 2 Abs. 2 S. 1 SGB VII ist, dass die Pannenhilfe im Fremdinteresse und nicht im Eigeninteresse erfolgte. Anders ausgedrückt: Für den Dritten als "Unternehmer" kommt eine Haftungsprivilegierung im Sinne des § 104 SGB VII in Betracht, wenn der Helfer im Rahmen seiner selbstlosen Tat aufgrund eines Fehlers des Dritten verletzt wird; die Tätigkeit muss nicht nur objektiv einer anderen Person oder einem anderen Unternehmen nützlich sein, sondern der Handelnde muss auch subjektiv ein Geschäft eines anderen besorgen, das heißt fremdnützig tätig sein wollen.
Rz. 90
Ist der Versicherungsschutz zu bejahen, so gilt dies auch hinsichtlich der Eingliederung. Wird die Pannenhilfe zugunsten eines gewerblich genutzten Fahrzeugs (z.B. Lkw) geleistet, so kann sich der Halter, der in der Regel der Unternehmer des Gewerbebetriebs ist, auf die Haftungsfreistellung (§ 104 SGB VII) berufen, ebenso der angestellte Fahrer (§ 105 SGB VII), wenn er den Unfall des Pannenhelfers verursacht und verschuldet hat.
Rz. 91
Hat sich der Pannenhelfer durch ein Verschulden des privaten Pkw-Halters verletzt, gilt Folgendes: Gerade wegen der inhaltlichen Unschärfe des Begriffs "Unternehmer" (Rdn 135 ff.) im Sinne des § 136 Abs. 3 Nr. 1 SGB VII sind auch diejenigen Personen als Unternehmer anzusehen, die unter anderem nicht gewerbsmäßig ein Fahrzeug halten. Deshalb kann gerade auch der Halter eines privaten Pkw als "Unternehmer" im Sinne des Unfallversicherungsrechts gelten.
Rz. 92
Die Folge ist: Wird der Helfer bei der Pannenbehebung wie ein nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII aufgrund eines Arbeitsverhältnisses Beschäftigter tätig, so genießt er Versicherungsschutz nach § 2 Abs. 2 S. 1 SGB VII, wenn und soweit er in den Betrieb des "Pkw-Unternehmers" eingegliedert ist. Gegenüber den Schadensersatzansprüchen kann sich der private Halter folglich auf § 104 SGB VII berufen. Das Haftungsprivileg kommt ihm m.a.W. als Halter des privaten Kraftfahrzeugs zugute.
Rz. 93
Von besonderer Bedeutung ist, dass eine Eingliederung des Helfers bereits mit einer Aufnahme von Vorbereitungshandlungen zur Hilfeleistung beginnt. Sie endet, wenn die Hilfeleistung ihr tatsächliches Ende gefunden hat oder wenn sie als beendet erklärt wurde.
Rz. 94
Geht vom liegengebliebenen Kraftfahrzeug eine Gefahr für andere Verkehrsteilnehmer oder andere Dritte aus, so wird der Hilfeleistende als Nothelfer tätig und genießt Versicherungsschutz nach § 2 Abs. 1 Nr. 13a SGB VII (vgl. Rdn 31). Eine Eingliederung scheidet dann aus, sodass Schadensersatzansprüche geltend gemacht werden können, ebenso wenn die Hilfeleistung zugunsten eines Verletzten erfolgt.