Prof. Dr. Günther Schneider
Rz. 332
Die Berufsgenossenschaften erlassen als autonomes Recht Unfallverhütungsvorschriften (UVV) nach Maßgabe des § 15 SGB VII. Unfallverhütungsvorschriften sind als der von der zuständigen Behörde kraft öffentlicher Gewalt festgesetzte Niederschlag der gemachten Betriebserfahrungen für den Unternehmer bindend.
Rz. 333
Der Zweck einer Unfallverhütungsvorschrift liegt nicht darin, das Eigentum des Bestellers gegen Beschädigung in Folge vorschriftswidrigen Gebrauchs von Arbeitsgeräten zu schützen, sondern beschränkt sich vielmehr darauf, Arbeitsunfälle zu vermeiden, für welche die Berufsgenossenschaft einzustehen hätte. Ihr Schutzbereich bezieht sich in diesem Sinne auf das Verhältnis zwischen den Versicherten und dem jeweiligen Unternehmer, im konkreten Streitfall also zwischen Arbeitnehmer und seinem Arbeitgeber.
Rz. 334
Gegenstand von Unfallverhütungsvorschriften sollen nicht allgemeine Anweisungen auf die Einhaltung gesetzlicher Bestimmungen oder der allgemeinen Sorgfaltspflicht sein. Insbesondere kann nicht z.B. die StVO Gegenstand einer Unfallverhütungsvorschrift gemacht werden. Derartige allgemeine Anweisungen der Berufsgenossenschaft gehören nicht in den Rahmen der Unfallverhütungsvorschriften, die aufgrund besonderer Erfahrung in dem betreffenden Berufszweig Anweisung technischer Art an die Unternehmer geben, ihnen aber nicht allgemeine Ermahnungen zuführen sollen.
Rz. 335
Unfallverhütungsvorschriften sind keine Schutzgesetze im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB. Allerdings wirken sie insoweit auf die allgemeine zivilrechtliche Haftung ein, als sich aus ihnen ein Mindestmaß von Verkehrssicherungspflichten und zugleich eine inhaltliche Konkretisierung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt ergibt. Unfallverhütungsvorschriften bilden die in einem bestimmten Gewerbe gemachten Berufserfahrungen ab und sind Ausdruck einer Erfahrung über die Gefährlichkeit bestimmter, dort typischer Handlungsweisen.
Rz. 336
Auch wenn Unfallverhütungsvorschriften keine abschließenden Verhaltensanforderungen gegenüber den Schutzgütern enthalten, können sie regelmäßig zur Feststellung von Inhalt und Umfang bestehender Verkehrssicherungspflichten herangezogen werden und sind deshalb für die Bestimmung des Umfangs der Verkehrssicherungspflichten von Bedeutung.
Sind darüber hinaus im Einzelfall Auflagen der Berufsgenossenschaften ergangen, wird meist auch deren Nichtbeachtung die qualifizierte Fahrlässigkeit begründen. Darüber hinaus muss der Unternehmer die Vorschrift der GewO erfüllen und in jeder Weise für die Betriebssicherheit sorgen. Hat der Aufsichtsbeamte der Berufsgenossenschaft einen Mangel nicht bemerkt, so entschuldigt auch dies den Unternehmer nicht ohne Weiteres.
Rz. 337
Durch das Gesetz über technische Arbeitsmittel (Gerätesicherheitsgesetz) vom 24.6.1968 ist allerdings ein den Unfallverhütungsvorschriften entsprechendes Schutzgesetz für viele technische Vorgänge geschaffen. § 3 Abs. 1 und 3 GSG ist Schutzgesetz im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB.
Rz. 338
Nach § 3 des Gesetzes darf der Hersteller oder Einführer von technischen Arbeitsmitteln diese nur in den Verkehr bringen, wenn sie nach den allgemein anerkannten Regeln der Technik sowie den Arbeitsschutz- und Unfallverhütungsvorschriften so beschaffen sind, dass Benutzer oder Dritte bei ihrer bestimmungsgemäßen Verwendung gegen Gefahren aller Art für Leben und Gesundheit geschützt sind. Während früher die Unfallverhütungsvorschriften unmittelbar nur für den Unternehmer Geltung hatten, während der Hersteller und Lieferant einer Maschine nur aus Verletzung der allgemeinen Verkehrssicherungspflicht in Anspruch genommen werden konnte, gelten jetzt auch für ihn unmittelbar die Unfallverhütungsvorschriften allerdings galt auch schon im Rahmen der Verkehrssicherungspflicht ein Anscheinsbeweis auch gegen den Hersteller, dass bei Verletzung der Unfallverhütungsvorschrift eine für den Schadensfall ursächliche Verletzung der Verkehrssicherungspflicht gegeben war.
Rz. 339
Die Sicherungsvorschriften der Bahn haben die gleiche Bedeutung wie Unfallverhütungsvorschriften.