Prof. Dr. Günther Schneider
Rz. 293
Der Erstattungsanspruch setzt Verschulden voraus. Neben Vorsatz genügt grobe Fahrlässigkeit (siehe bereits Rdn 290). Das Verschulden muss dem Unternehmer selbst zuzurechnen sein. Eine Gehilfenhaftung gibt es, sieht man von § 111 SGB VII ab, bei dem Rückgriffsanspruch nicht.
Rz. 294
Für den Fall des Vorsatzes haften sowohl der Unternehmer als auch der Arbeitskollege nach den §§ 104, 105 SGB VII dem Verletzten in vollem Umfang, ohne dass die Haftungsbeschränkung eingriffe. Allerdings sind die Leistungen des Sozialversicherungsträger gemäß §§ 104 Abs. 3, 105 Abs. 1 S. 3 SGB VII auf den Schadensersatzanspruch des Verletzten anzurechnen. Daraus erwächst dem Schädiger indessen kein Vorteil, weil gerade insoweit vom Unternehmer dem Sozialversicherungsträger nach § 110 SGB VII Erstattung geschuldet wird.
Rz. 295
Der Begriff der groben Fahrlässigkeit ist hier der gleiche wie im allgemeinen bürgerlichen Recht.
Der Vorwurf der groben Fahrlässigkeit rechtfertigt nur eine objektiv besonders krasse und auch subjektiv schlechthin unentschuldbare Pflichtverletzung. Es muss demnach ein objektiv schwerer und subjektiv nicht entschuldbarer Verstoß gegen die Anforderungen der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt vorgelegen haben. Diese Sorgfalt muss in ungewöhnlich hohem Maß verletzt worden sein, und es muss dasjenige unbeachtet geblieben sein, was im gegebenen Fall jedem hätte einleuchten müssen.
Rz. 296
§ 110 SGB VII hat im Vergleich zu § 640 Abs. 1 RVO a.F. an dem haftungsauslösenden Verschuldensgrad nichts geändert Folglich kann für die Auslegung des Begriffs der groben Fahrlässigkeit auf die ältere Rechtsprechung zurückgegriffen werden.
Rz. 297
Es darf nicht schon aus einem objektiv groben Pflichtverstoß allein deshalb auf ein entsprechend gesteigertes subjektives Verschulden geschlossen werden, weil dies häufig damit einherzugehen pflegt. Allerdings kann ein besonders gewichtiger objektiver Pflichtenverstoß aber den Schluss auf ein auch subjektiv gesteigertes Verschulden nahe legen. Beachtlich ist eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs, wonach Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit auch Eintritt und Umfang des Schadens umfassen muss.
Rz. 298
Hinsichtlich der Bedeutung der Verletzung der Unfallverhütungsvorschriften und der Frage, unter welchen Voraussetzungen ein Verstoß den Schluss auf ein auch subjektiv gesteigertes Verschulden rechtfertigt, ist entschieden, dass nicht jeder Verstoß schon für sich als eine schwere Verletzung der Sorgfaltspflicht anzusehen ist. Vielmehr kommt es darauf an, ob es sich um eine Unfallverhütungsvorschrift handelt, die sich mit Vorrichtungen zum Schutz der Arbeiter vor tödlichen Gefahren befasst und somit elementare Sicherungspflichten zum Inhalt hat. Dabei spielt insbesondere eine Rolle, ob der Schädiger nur unzureichende Sicherungsmaßnahmen getroffen oder von den vorgeschriebenen Schutzvorkehrungen völlig abgesehen hat, obwohl die Sicherungsanweisungen eindeutig waren. Im letzteren Fall kann der objektive Verstoß gegen elementare Sicherungspflichten ein solches Gewicht haben, dass der Schluss auf ein auch subjektiv gesteigertes Verschulden gerechtfertigt ist.
Rz. 299
Bei einem Rückgriff gemäß § 110 SGB VII trägt der Sozialversicherungsträger die Darlegungs- und Beweislast. Dies erfasst z.B. die Höhe des fiktiven zivilrechtlichen Schadensersatzanspruchs des Geschädigten gegen den nach §§ 104 ff. SGB VII haftungsprivilegierten Schädiger. Überdies obliegt dem Sozialversicherungsträger die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen von Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit. Die Regeln des Anscheinsbeweises können im Allgemeinen für die Abgrenzung zwischen einfacher und grober Fahrlässigkeit nicht herangezogen werden. Da es für den Begriff der groben Fahrlässigkeit keine allgemeine Norm gibt, ist es Sache des Richters, unter Berücksichtigung aller Umstände zu prüfen, ob eine besonders schwere Sorgfaltsverletzung (objektiv und subjektiv) vorliegt. Aus äußerem Verhalten kann hierbei auf innere Vorgänge geschlossen werden.
Rz. 300
Weitere Einzelfälle:
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Grobe Fahrlässigkeit setzt einen objektiv schweren und subjektiv nicht entschuldbaren Verstoß gegen die Anforderungen der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt voraus. Diese muss in ungewöhnlich hohem Maß verletzt sein, und es muss dasjenige unbeachtet geblieben sein, was im gegebenen Fall jedem hätte einleuchten müssen. |
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Es darf nicht schon aus einem objektiv groben Pflichtverstoß allein auf ein entsprechend gesteigertes personales Verschulden geschlossen werden. Dies gilt insbesondere bei § 640 RVO a.F. (nunmehr § 110 SGB VII): Hier ist für den Rückgriff gegen den Unternehmer eine besonders krasse und auch subjektiv schlechthin unentschuldbare Pflichtverletzung Voraussetzung, die das in § 276 Abs. 1 S. 2 BGB bestimmte Maß erheblich überschreitet. |
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Der Verstoß gegen eine Unfallverhütungsvorschrift reicht für sich allein nicht aus, um grobe Fahrlässigkeit annehmen zu können. Es muss auch in subjektiv... |