Prof. Dr. Günther Schneider
Rz. 160
Unfallversicherungsrechtlich geschützt sind allein versicherte Tätigkeiten. Dazu verweist § 8 Abs. 1 S. 1 SGB VII ausschließlich auf die sich auf "den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 (SGB VII)" beziehenden Tätigkeiten. Versicherte Tätigkeiten sind daher all diejenigen Verrichtungen, die mit den in Bezug genommenen Versicherungstatbeständen in einem inneren Zusammenhang stehen. Dies mag auf den ersten Blick missverständlich erscheinen, weil die Versicherungstatbestände der §§ 2, 3 oder 6 SGB VII personenbezogen strukturiert zu sein scheinen, während der Gesetzeswortlaut des § 8 Abs. 1 S. 1 SGB VII tätigkeitsbezogen aufgebaut ist. Indessen liegt kein Widerspruch vor, weil auch die Versicherungstatbestände letztlich jeweils auf die Verrichtung von Tätigkeiten anknüpfen.
Rz. 161
Tätigkeiten, die im Wesentlichen privaten, persönlichen Zwecken dienen, unterfallen dem Unfallversicherungsschutz nicht. In der Terminologie der sozialgerichtlichen Rechtsprechung ist insoweit vom Vorliegen sog. eigenwirtschaftlicher Tätigkeiten die Rede. Dazu zählen all diejenigen Verrichtungen, die ihrer Art nach auch ohne das Bestehen des Versicherungsverhältnisses im täglichen Leben anfallen, aber auch solche, die nur einen allgemeinen Bezug z.B. zum Beschäftigungsverhältnis haben, etwa die Besorgung einer Aufenthaltserlaubnis. Ob eine betriebliche Gefahr bei dem Unfall mitgewirkt hat, ist für den Versicherungsschutz bei der eigenwirtschaftlichen Betätigung nicht maßgebend.
Rz. 162
Die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zur Abgrenzung zwischen eigenwirtschaftlicher Tätigkeit (= kein Versicherungsschutz) und versicherter Tätigkeit ist nahezu unübersehbar. "Eigenwirtschaftlich" ist z.B. der Weg zum Arbeitsamt zur Abgabe der Arbeitslosmeldung. Erst von der Arbeitslosmeldung und der Leistungsbeantragung an steht der Zweck einer geordneten Arbeitsvermittlung, an den der Gesetzgeber den Versicherungsschutz in der gesetzlichen Unfallversicherung geknüpft hat, im Vordergrund. Auch eine Arbeitsplatzbesichtigung für ein in Aussicht genommenes Beschäftigungsverhältnis fällt nicht unter den durch Satzungsrecht begründeten Unfallversicherungsschutz für "Teilnehmer an Besichtigungen des Unternehmens".
Rz. 163
Maßgebend für die Beurteilung des inneren Zusammenhangs ist letztlich das jeweils versicherte Risiko. Nur solche Tätigkeiten rechtfertigen Unfallversicherungsschutz, die mit dem versicherten Risiko eng in Zusammenhang stehen. Es kommt darauf an, ob die Handlung nach ihrer Zielrichtung dem betroffenen Unternehmen zu dienen bestimmt ist. Es genügt die subjektive Vorstellung des Betroffenen, selbst wenn seine Tätigkeit dem Unternehmen objektiv nicht dienlich ist. Allerdings sind wiederum solche Tätigkeiten mangels inneren Zusammenhangs vom Schutz der Gesetzlichen Unfallversicherung ausgenommen, die zwar von der subjektiven Zielvorstellung unternehmensdienlich sein sollten, indessen in den Gegebenheiten der jeweiligen Umstände objektiv keine Stütze finden. Subjektive Vorstellungen und Erwartungen des Tätigwerdenden sind von der Betriebsbezogenheit dann nicht mehr zu berücksichtigen, wenn sie offensichtlich den Rahmen vernünftigen Verhaltens überschreiten.
Rz. 164
Der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts liegt insoweit eine wertende Spruchpraxis zu Grunde: Es geht um die Zurechnung des unfallstiftenden Verhaltens unter eines der jeweils versicherten Risiken. Danach ist die Handlungstendenz des Versicherten maßgeblich, so wie sie insbesondere durch die objektiven Umstände des Einzelfalls bestätigt wird. Fehlt es an einem solchen inneren Zusammenhang, scheidet ein Versicherungsschutz selbst dann aus, wenn sich der Unfall auf derselben Strecke ereignet, die der Versicherte auf dem Weg nach und von dem Ort der Tätigkeit gewöhnlich benutzt.