Prof. Dr. Günther Schneider
Rz. 165
Das Unfallereignis muss im kausalen Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit (haftungsbegründende Kausalität) stehen und es muss ursächlich einen Körperschaden bzw. eine Gesundheitsstörung bewirken (haftungsausfüllende Kausalität).
Rz. 166
Nach der vom Bundessozialgericht geprägten Lehre von der rechtlich wesentlichen Ursache besagt das Vorliegen eines Unfalls, den eine versicherte Person bei ihrer Tätigkeit erleidet, für sich genommen noch nicht, dass ein Arbeitsunfall vorliegt. Es genügt nicht, dass der Versicherte sich im Unfallzeitpunkt aus betrieblichen Gründen an der Unfallstelle befand. Vielmehr ist über diesen zeitlichen und örtlichen Zusammenhang hinaus erforderlich, dass zwischen der erledigten Tätigkeit und dem Unfall ein rechtlich wesentlicher Zusammenhang im Sinne der im Recht der gesetzlichen Unfallversicherung geltenden Kausalitätslehre der wesentlichen Bedingung besteht.
Rz. 167
Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts ergibt sich dabei die folgende Prüfung:
1. |
Zunächst sind die "Verrichtung", die (möglicherweise dadurch verursachte) "Einwirkung" und der (möglicherweise dadurch verursachte) "Erstschaden" festzustellen. Solche Einbußen, für welche die versicherte Verrichtung keine "Wirkursache" war, begründen den Versicherungsschutz nicht und führen damit auch nicht zur Haftung des Unfallversicherungsträgers. "Verrichtung" ist nach der ständigen Rechtsprechung jedes konkrete Handeln eines Verletzten, das (objektiv) seiner Art nach von Dritten beobachtbar und (subjektiv) – zumindest auch – auf die Erfüllung des Tatbestandes der jeweiligen versicherten Tätigkeit ausgerichtet ist (innere Tatsache). |
2. |
Sind Verrichtung, Einwirkung und Erstschaden festgestellt, kann und darf über die tatsächliche Kausalitätsbeziehung (objektive Verursachung) zwischen der Verrichtung und der Einwirkung (mit dem richterlichen Überzeugungsgrad mindestens der Wahrscheinlichkeit) entschieden werden (erste Stufe der Zurechnung). Es geht hierbei ausschließlich um die rein tatsächliche Frage, ob und ggf. mit welchem Mitwirkungsanteil die versicherte Verrichtung eine Wirkursache der von außen kommenden, zeitlich begrenzten Einwirkung auf den Körper des Versicherten war. |
3. |
Der durch die versicherte Verrichtung mitbewirkte Schaden muss rechtlich (ggf. unter Würdigung unversicherter Mitursachen) als Realisierung einer in den Schutzbereich der begründeten Versicherung fallenden Gefahr, eines dort versicherten Risikos, zu bewerten sein (zweite Stufe der Zurechnung). Der Versicherungsschutz greift nur ein, wenn sich ein Risiko verwirklicht hat, gegen das die jeweils begründete Versicherung Schutz gewähren soll. |
Rz. 168
Wird auf der ersten Stufe die objektive (Mit-)Verursachung bejaht, indiziert dies in keiner Weise die auf der zweiten Stufe der Zurechnung rechtlich zu gebende Antwort auf die Rechtsfrage, ob die Mitverursachung der Einwirkung durch die versicherte Verrichtung unfallversicherungsrechtlich rechtserheblich, "wesentlich", war. Sie setzt rechtlich voraus, dass der Schutzbereich und der Schutzzweck der jeweiligen durch die versicherte Verrichtung begründeten Versicherung durch juristische Auslegung des Versicherungstatbestandes nach den anerkannten Auslegungsmethoden erkannt werden. Insbesondere ist festzuhalten, ob und wie weit der Versicherungstatbestand gegen Gefahren aus von ihm versicherten Tätigkeiten schützen soll.
Rz. 169
Nur wenn beide Zurechnungskriterien bejaht sind, erweist sich die versicherte Verrichtung als "wesentliche Ursache". Ausweislich seiner vorstehend genannten neueren Rechtsprechung verwendet das BSG begrifflich die sog. "Wirkursache". Diese Terminologie bedeutet keine Abkehr von der bisherigen Rechtsprechung. Offensichtlich wollte das BSG hiermit lediglich darauf hinweisen, dass bereits im Rahmen der 1. Kausalitäts-Prüfstufe Überlegungen des "gesunden Menschenverstandes" angestellt werden sollen, um die Wirkursachen i.S.d. Gesetzlichen Unfallversicherung von allen anderen, im Einzelfall nicht relevanten Begleitumständen abgrenzen zu können.
Rz. 170
Das Bundesarbeitsgericht geht – ohne dass darin gegenüber dem Vorstehenden eine inhaltliche Abweichung zu sehen ist – davon aus, dass für die Verursachung des Arbeitsunfalls durch eine betriebliche Tätigkeit im Sinne der § 105 Abs. 1 SGB VII ein doppelter Kausalzusammenhang erforderlich ist: Das Unfallereignis muss durch das Verhalten des Arbeitnehmers verursacht sein (haftungsbegründende Kausalität). Durch das Unfallereignis muss sodann ein Gesundheitsschaden des Geschädigten eingetreten sein (haftungsausfüllende Kausalität). Eine solche ist gegeben, wenn das Unfallereignis die wesentliche mitwirkende Ursache im Sinne der "Theorie der wesentlichen Bedingung" gewesen ist.
Rz. 171
Am rechtlich wesentlichen Zusammenhang fehlt es beispielsweise, wenn eine Herzerkrankung so schwer, das heißt, die Krankheitsanlage so leicht ansprechbar gewesen ist, dass die "Auslösung" akuter Erscheinungen aus ihr nic...