Prof. Dr. Günther Schneider
Rz. 312
Der Anspruch aus § 110 SGB VII erstreckt sich auf sämtliche Aufwendungen des Sozialversicherungsträgers aus Anlass des Unfalls, jedoch nur bis zur Höhe des zivilrechtlichen Schadensersatzanspruchs. Bei einem Rückgriff nach dieser Vorschrift obliegt die Darlegungs- und Beweislast hinsichtlich der Höhe des zivilrechtlichen Ersatzanspruchs dem Sozialversicherungsträger.
Rz. 313
Es ist zu prüfen, welche Leistungen der Sozialversicherungsträger aufgrund des Unfalls erbracht hat. Insoweit sind Entscheidungen des Sozialversicherungsträger bzw. aus dem sozialgerichtlichen Verfahren zu beachten (§ 112 SGB VII i.V.m. § 108 SGB VII; zur Bindungswirkung vgl. § 37 Rdn 1 ff.). Allerdings kann der Schädiger einwenden, dass der Geschädigte schon vor dem Unfall Anspruch auf Rente hatte oder auch ohne den Unfall ab einem bestimmten Zeitpunkt gehabt hätte. Zu diesem Betrag sind Verfahrenskosten (z.B. Gutachten, Arztberichte, Zeugenentschädigungen) zu addieren. Dem sich daraus ergebenden Betrag ist der fiktive Schadensersatzanspruch des Verletzten, den dieser hätte, wenn die Haftung nicht durch die §§ 104 ff. SGB VII ausgeschlossen wäre, gegenüberzustellen.
Zur Berücksichtigung eines eventuellen Mitverschuldens des Verletzten siehe Rdn 320 ff.
Rz. 314
Der Umfang des Rückgriffsanspruchs der Versicherungsträger gegen den Unternehmer oder die Betriebsangehörigen umfasst nach dem Wortlaut des § 110 SGB VII die gesamten Aufwendungen der Versicherungsträger, unabhängig davon ob aufseiten des Verletzten ein zivilrechtlicher Anspruch in gleicher Höhe entstanden ist.
Rz. 315
Einwendungen im Sinne der mangelnden Kongruenz (§ 36 B Rdn 197 ff.) wie bei § 116 SGB X bestehen daher hier nicht. Die Haftung des Schädigers ist der Höhe nach – auch im Hinblick auf ein etwaiges Mitverschulden – an die fiktive zivilrechtliche Haftung gegenüber dem Geschädigten angeglichen. Der dem Regress ausgesetzte Schädiger soll so gestellt werden, wie er ohne die Privilegierung nach den §§ 104 ff. SGB VII stünde. Er soll einerseits nicht auf Kosten der Solidargemeinschaft der der Berufsgenossenschaft angehörenden Unternehmen privilegiert werden, andererseits aber nicht einer höheren Haftung ausgesetzt sein als ohne Privilegierung. Daher ist der fiktive Anspruch auf Schmerzensgeld bei der Ermittlung des Umfangs des fiktiven zivilrechtlichen Schadensersatzanspruchs zu berücksichtigen.
Rz. 316
Zu den Aufwendungen des Sozialversicherungsträgers zählen alle Sach- und Geldleistungen, gleich welcher Art, also neben der Rente und dem Übergangsgeld z.B. auch Pflegegeld, Waisenbeihilfen, Witwenbeihilfen, Witwenabfindungen bei Wiederverheiratung usw. Ebenso fallen Gutachterkosten, Kosten des Feststellungs- und des Gerichtsverfahrens, bare Auslagen oder den Krankenkassen von den Berufsgenossenschaften zu erstattende Verwaltungskosten unter die zu ersetzenden Aufwendungen.
Rz. 317
Auch die Kosten der Terminwahrnehmung sollen erstattungsfähig sein, ebenso Ermessensleistungen fallen darunter. Nicht unter die Erstattungspflicht fallen mittelbare Kosten, wie z.B. anteilige Büro- oder Gehaltskosten. Verlangt ein Träger der Rentenversicherung nach § 110 SGB VII Ersatz für die von ihm zu erbringenden Rentenleistungen, kann ihm entgegengehalten werden, dass er von einem bestimmten Zeitpunkt ab auch ohne den Unfall dem Verunglückten oder dessen Hinterbliebenen hätte Rente zahlen müssen. Diese Entscheidung ist erstrangig für den Rentenversicherer von Bedeutung. Der Ersatzanspruch erstreckt sich auch auf die dem Schwerverletzten nach § 583 RVO zu gewährende Kinderzulage.
Rz. 318
Zu den maßgeblichen Aufwendungen zählen gemäß § 110 Abs. 1a SGB VII auch diejenigen, die dem Unfallversicherungsträger infolge von Versicherungsfällen bei Ausführung der Schwarzarbeit entstanden sind. Die Vorschrift wurde mit dem Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz vom 23.7.2004 (BGBl I, S. 1842) in das SGB VII aufgenommen. Sie eröffnet dem Unfallversicherungsträger einen eigenständigen Anspruch gegenüber dem Unternehmer, der Schwarzarbeit nach § 1 des Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetzes erbringt und dadurch bewirkt, dass Beiträge nach dem Sechsten Kapitel nicht, nicht in der richtigen Höhe oder nicht rechtzeitig entrichtet werden. Eine nicht ordnungsgemäße Beitragsentrichtung wird vermutet, wenn die Unternehmer die Personen, bei denen die Versicherungsfälle eingetreten sind, nicht nach § 28a SGB IV bei der Einzugsstelle oder der Datenstelle der Träger der Rentenversicherung angemeldet hatten.
Rz. 319
Nach dem Gesetzeswortlaut normiert die Vorschrift einen gegenüber § 110 Abs. 1 SGB VII tatbestandlich eigenständigen Anspruch. Nach Ansicht des LG Erfurt ist der Zivilrechtsweg eröffnet. Dafür spricht zum einen die systematische Einordnung des Anspruchs zum Regress nach § 110 SGB VII. Zum anderen hat der Unfallversicherungsträger im Ergebnis einen Schadensersatzanspruch, der sich ausweislich des Gesetzeswortlauts auf sämtliche infolge von Versicherungsfällen bei Ausführung d...