I. Prüfung ab 2,5 ‰
Rz. 33
Die Rechtsprechung vertritt überwiegend die Auffassung, dass bei 2,5 ‰ übersteigenden Werten Anlass zur Prüfung der Frage besteht, ob der Täter schuldunfähig war (BGH StV 1986, 148; NZV 2018, 386; BayObLG DAR 2000, 532; OLG Köln DAR 2013, 35), wobei allerdings der BAK umso geringere Bedeutung zukommt, je mehr sonstige aussagekräftige psychodiagnostische Beweisanzeichen zur Verfügung stehen (BGH DAR 2013, 160).
Rz. 34
Diese Prüfung ist unbestritten bei Werten ab 3,0 ‰ unerlässlich, wobei regelmäßig ein Sachverständiger hinzuzuziehen ist. Es reicht in solchen Fällen nicht aus, ohne weitere Prüfung lediglich eine Minderung der Schuldfähigkeit des Täters nach § 21 StGB anzunehmen (OLG Düsseldorf zfs 1998, 33).
Rz. 35
Tipp
Verneint das Gericht trotz einer nahe an 3 ‰ heranreichenden Blutalkoholkonzentration Schuldunfähigkeit, muss es die besonderen Umstände, auf die es sein Urteil stützt, eingehend darlegen, denn nur so kann das Revisionsgericht nachprüfen, ob das Gericht den Umständen die gebotene Bedeutung beigemessen hat (OLG Zweibrücken zfs 1997, 353). I.d.R. muss sogar ein Sachverständiger hinzugezogen werden (BayObLG DAR 2000, 532).
II. Kontrolliertes Verhalten
Rz. 36
Hieran ändert sich auch dann nichts, wenn der Täter ein kontrolliertes, äußerst geordnetes sowie zielstrebiges und situationsangepasstes Verhalten an den Tag gelegt hat (BGH NStZ 2007, 696; NZV 2018, 386).
III. Hinzutreten besonderer Umstände
Rz. 37
Treten zur Alkoholisierung besondere Umstände hinzu, kann eine Prüfung schon bei niedrigeren Werten geboten sein (BGH VRS 61, 261; OLG Zweibrücken NJW 1983, 1386), was selbst bei einem Alkoholwert von lediglich 1,9 ‰ (OLG Düsseldorf NZV 1994, 329) und vor allem dann der Fall sein kann, wenn eine sich auf die Alkoholtoleranz möglicherweise auswirkende Krankheit wie z.B. ein zerebrales Anfallsleiden vorliegt (OLG Düsseldorf StraFo 1998, 187).
IV. Jugendliche und Heranwachsende
Rz. 38
Bei Jugendlichen und Heranwachsenden kann bereits bei niedrigen Werten eine erhebliche Verminderung der Steuerfähigkeit gegeben sein, so dass selbst bei unter 2 ‰ liegenden Werten eine Prüfung der Schuldfrage unerlässlich ist (BGH zfs 1993, 210; StraFo 1997, 246). Dabei soll sich das Gericht regelmäßig sachverständig beraten lassen.
V. Alkoholabhängige
Rz. 39
Alkoholabhängige können bereits bei mittleren Alkoholwerten schuldunfähig sein. Ob dies der Fall ist, kann nur von einem Sachverständigen beurteilt werden (OLG Karlsruhe zfs 1993, 319).
Rz. 40
Fachkenntnisse darf sich der Richter i.d.R. vor allem bei langjährigem Alkoholmissbrauch eines Angeklagten nicht selbst zutrauen (BGH StV 1994, 634).
VI. Schuldunfähigkeit/Prozessrecht/Urteilsaufhebung
Rz. 41
Hat das Gericht trotz Vorliegens entsprechender Werte die Schuldfähigkeit nicht wenigstens geprüft, führt dies regelmäßig zur Aufhebung des Straf- und Maßregelausspruches (BGHSt 10, 379; OLG Koblenz VRS 54, 429; OLG Zweibrücken DAR 1999, 133).
Rz. 42
Tipp: Sachverständigengutachten
Das Gericht muss in den Urteilsgründen die wesentlichen Anknüpfungstatsachen und Ausführungen des Sachverständigen wiedergeben. Folgt es ihm, ohne eigene Darlegungen zu machen, muss es im Urteil wenigstens den Tatzeitpunkt, den Zeitpunkt der Blutentnahme, die Ergebnisse, die Rückrechnungswerte etc. angeben (BGH StraFo 1997, 246; OLG Frankfurt BA 53, 53).
Rz. 43
Achtung: Beschränkung des Einspruchs oder des Rechtsmittels
In Fällen, in denen ein hoher Blutalkoholwert festgestellt wurde, stellt sich, spätestens mit der zugunsten des Täters vorzunehmenden Rückrechnung auf den Tatzeitpunkt, die Frage der Schuldfähigkeit. Eine hierauf abzielende Beweiserhebung ist jedoch dann unzulässig, wenn der Schuldspruch rechtskräftig geworden ist (BGH StraFo 1998, 162).