Rz. 10
§ 315c Abs. 1 Nr. 2 StGB listet die sieben besonders sanktionierten Todsünden im Straßenverkehr auf und stellt deren Unwertgehalt einer Verkehrsteilnahme im fahrunsicheren Zustand gleich. Zu diesen Delikten gehört typischerweise das falsche Heranfahren an einen Fußgängerüberweg.
Rz. 11
Rz. 12
Besonders problematisch sind in diesem Zusammenhang Vorfahrtsverletzungen (BGH DAR 2015, 702) sowie erhebliche Geschwindigkeitsüberschreitungen. Grundsätzlich erfüllt den Tatbestand auch, wer z.B. bei Rotlicht in einen Kreuzungsbereich einfährt, allerdings wird in diesen Fällen nicht immer Rücksichtslosigkeit vorliegen (OLG Jena NZV 1995, 237).
Rz. 13
Nicht selten wird auch ein falsches Überholen (§ 315c Abs. 1 Nr. 2b StGB) den Tatbestand erfüllen (BGH NZV 2017, 135), wobei es ausreicht, dass auch Flächen benutzt werden, die nach den örtlichen Gegebenheiten mit der Fahrbahn einen einheitlichen Verkehrsraum bilden (BGH NJW 2016, 3462).
Ein falsches Überholen liegt auch dann vor, wenn der Angeklagte nach dem eigentlichen Überholvorgang nicht gleich wieder einschert, sondern auf dem linken Fahrstreifen verbleibt, um an einem rechts abgestellten Fahrzeug vorbeizufahren (BGH bei Ernemann, DAR 2012, 680).
Ein falsches Überholen begeht auch derjenige, der auf der durchgehenden Fahrbahn einer Autobahn einen auf dem Ausfahr- und Verzögerungsstreifen fahrenden Verkehrsteilnehmer überholt und anschließend auf dessen Fahrlinie überwechselt (OLG Düsseldorf DAR 2004, 596). Aber auch hier ist die Feststellung einer konkreten Gefährdung erforderlich, die dann nicht festgestellt werden kann, wenn der Bedrängte durch ein im Bereich einer verkehrsüblichen Reaktion liegendes Brems- und Ausweichmanöver reagieren und einen Unfall abwenden kann (OLG Hamm DAR 2015, 399).
Rz. 14
Schließlich kann das willkürliche Abbremsen aus hoher Geschwindigkeit, um den nachfolgenden Fahrer zu einer scharfen Bremsung zu zwingen, den Tatbestand des § 315c StGB erfüllen, bei mindestens bedingtem Schädigungsvorsatz auch den des § 315b Abs. 1 StGB (OLG Hamm SVR 2016, 181).
Rz. 15
Achtung: Dichtes Auffahren mit hoher Differenzgeschwindigkeit
Wer auf der Autobahn auf der Überholspur mit hoher Differenzgeschwindigkeit dicht auf den Vordermann auffährt, begeht eine Straßenverkehrsgefährdung durch falsches Überholen gem. § 315c Abs. 1 Nr. 2b, Abs. 3 Nr. 2 StGB, denn der Überholvorgang beginnt bereits bei einem schon vorher links fahrenden Fahrzeug mit der deutlichen Verkürzung des Sicherheitsabstands (LG Karlsruhe NZV 2005, 274 = "Karlsruher Autobahnraser").
Rz. 16
Achtung: Erheblich übersetzte Geschwindigkeit
I.d.R. wird der Tatbestand frühestens dann bejaht werden können, wenn die gefahrene Geschwindigkeit die zulässige um mehr als das Doppelte überschreitet. Dennoch ist es, jedenfalls von Verfassungs wegen, nicht zu beanstanden, wenn ein Gericht den Tatbestand bereits bei einer innerörtlichen Geschwindigkeitsüberschreitung um 25 km/h als erfüllt ansieht (BVerfG DAR 1999, 309).
Rz. 17
Allerdings erfüllt nicht jedes augenscheinlich sorglose und gefährliche Verhalten wie z.B. das Befahren einer Einbahnstraße in "falscher" Richtung ohne Weiteres den Tatbestand, auch nicht im Falle eines "Beinahe-Zusammenstoßes", denn ein grob und rücksichtsloses Nichtbeachten des Vorranges wird oft nicht angenommen werden können und es liegt dann lediglich eine Ordnungswidrigkeit des Verbots der Einfahrt vor (KG DAR 2004, 459).