I. Fremde Sachen
Rz. 18
Den Tatbeständen des § 315c StGB wie auch denen des § 315b StGB ist gemeinsam, dass eine auf den Verkehrsverstoß zurückzuführende konkrete Gefährdung von Leib und Leben eines anderen oder einer fremden Sache von bedeutendem Wert eingetreten sein muss. Dass eine solche Gefährdung nur drohte, genügt hierfür nicht (BGH NZV 2000, 213). Vielmehr muss es zu einer so kritischen Situation gekommen sein, dass es nur noch von einem Zufall abhing, dass kein Schaden entstand ("Beinaheunfall"; BGH BA 51, 113; NZV 2016, 533).
1. Geführtes Kfz
Rz. 19
Außer Betracht zu bleiben hat dabei das geführte Fahrzeug selbst, auch wenn es dem Täter nicht gehört (BGH DAR 2013, 709; NJW 2015, 2898; Urt. v. 10.04.19 – 4 StR 86/19; OLG Hamm StraFo 2017, 517). Dies gilt selbst dann, wenn er es gestohlen (BGHSt 27, 40; BGH zfs 1986, 28) oder sicherungsübereignet hat (OLG Nürnberg VersR 1977, 659).
2. Leasingfahrzeug
Rz. 20
Ein Leasingfahrzeug fällt grundsätzlich nicht unter den Tatbestand (OLG Oldenburg NZV 1991, 35; BGH StraFo 2009, 78; siehe auch § 43 Rdn 83 ff.).
3. Bedeutender Wert
Rz. 21
Der BGH sieht hier den bedeutenden Wert, anders als beim bedeutenden Fremdschaden des § 69 Abs. 2 Nr. 3 StGB, bereits bei einem Betrag von 750 EUR (BGH DAR 2008, 487) und hält trotz Kritik hieran fest (BGH DAR 2013, 709; Beschl. v. 13.4.2017 – 4 StR 581/16, juris).
Rz. 22
Gegen Stimmen aus der Literatur oder von Oberlandesgerichten (OLG Thüringen OLG StGB § 315c Nr. 16) hat es der BGH trotz der zwischenzeitlich eingetretenen Geldentwertung nochmals ausdrücklich abgelehnt, diese bereits seit Jahren bestehende Wertgrenze anzuheben (Beschl. v. 28.9.2010 – 4 StR 245/10) und wiederholt betont, dass es nach wie vor bei der Grenze von 750,00 EUR zu bleiben habe (BGH DAR 2013, 709).
Rz. 23
Tipp: Reparaturkosten nur bis zum Sachwert
Grundsätzlich kommt es auf die Reparaturkosten an. Sind diese jedoch höher als der Wert der Sache, ist nur dieser maßgeblich (BGH NStZ 1999, 350). Das wird vor allem bei Beschädigungen von älteren Fahrzeugen (BGH NZV 2017, 278), Leitplanken, Verkehrszeichen o.Ä. oft übersehen. Die Staatsanwaltschaft orientiert sich fast immer an der von dem Geschädigten vorgelegten Reparaturrechnung, obwohl der Zeitwert häufig deutlich darunter liegt.
Rz. 24
Achtung: Fiktive Abrechnung
Nach Inkrafttreten des 2. Schadensrechtsänderungsgesetzes am 1.8.2002 wird die Mehrwertsteuer im Falle fiktiver Abrechnung nur noch erstattet, soweit sie nachweislich angefallen ist (§ 249 Abs. 2 S. 2 BGB). Die Mehrwertsteuer kann deshalb auch hier nur berücksichtigt werden, wenn sie konkret angefallen ist (LG Gera NZV 2006, 105; LG Berlin NZV 2007, 537; LG Hannover VR Aktuell 2016, 39; LG Krefeld VRR 16 Nr. 5, 2).
Rz. 25
Auf den tatsächlich eingetretenen Schaden kommt es nicht an, so dass ein an einer wertvolleren Sache eingetretener Schaden im Grundsatz den Tatbestand erfüllt. Es reicht allerdings nicht aus, dass dem objektiv bedeutenden Sachwert nur eine unbedeutende Gefahr gedroht hat (OLG Düsseldorf NZV 2017, 98; BGH NJW 2019, 615). Aus einem unbedeutenden Schaden darf allerdings nur dann auf eine unbedeutende Gefahr geschlossen werden, wenn die Prognose ergibt, dass von vornherein lediglich der eingetretene geringe Schaden gedroht hatte (LG Heilbronn NZV 2018, 197; BGH Urt. v. 10.4.2019 – 4 StR 86/19).
II. Beifahrer als Gefährdeter
1. Achtung: Wissen um Trunkenheit
Rz. 26
Auch wenn der Mitfahrer um die Trunkenheit des Fahrers weiß und damit in die Eigengefährdung einwilligt, ist – anders als im Falle der fahrlässigen Körperverletzung – die Tatbestandsmäßigkeit bzw. Rechtswidrigkeit nicht ausgeschlossen (BGHSt 23, 261; BGH NZV 1995, 80). Von dem Schutzbereich des § 315c StGB wird der Beifahrer jedoch nicht erfasst, wenn er an der Straftat (z.B. Anstifter zur Vorsatztat) beteiligt ist (BGH NZV 2012, 448; BGH DAR 2013, 709).
2. Fahrunsicherheit – keine konkrete Gefahr
Rz. 27
Die Rechtsprechung des BGH (DAR 1989, 32), nach der bereits in der bloßen alkoholbedingten Fahrunsicherheit des Fahrers eine konkrete Gefahr für die Fahrzeuginsassen lag, wurde von den meisten Oberlandesgerichten abgelehnt (BayObLG DAR 1989, 70; OLG Köln NZV 1991, 358).
Rz. 28
Der BGH hat diese Rechtsprechung jedenfalls für die Fälle bestätigt (und damit wohl gleichzeitig eingeschränkt), in denen sich der Alkohol in der Fahrweise, z.B. im Schlangenlinienfahren, niederschlägt (BGH zfs 1992, 426; zfs 1994, 464). Neuerdings fordert allerdings auch er, dass der Fahrfehler tatsächlich auch zu einer konkreten Gefahr für den Beifahrer geführt hat (BGH DAR 1995, 296).
III. Gefahrnähe reicht nicht
Rz. 29
Die Gefahr muss konkret festgestellt werden können. Eine abstrakt gefährliche Tathandlung reicht hierzu nicht aus (BGH bei Ernemann, DAR 2012, 679; BGH DAR 2013, 709), auch nicht, dass sich Menschen oder Sachen in der "Gefahrenzone“ befanden (OLG Hamm zfs 2006, 49; BGH StV 2018, 429)."
Voraussetzung ist vielmehr eine in nächste Nähe gerückte Gefahr (OLG Frankfurt StV 1985, 111; OLG Köln DAR 2002, 278), d.h. es muss eine kritische Situation entstanden sein (BGH NStZ 2013, 1...