Rz. 26
Nur in wenigen Sonderfällen muss keine volle Verfahrensrüge erhoben werden. Dies betrifft zunächst den Fall des übergangenen Entbindungsantrags. Das OLG Dresden entschied: Bescheidet das Gericht den vom Betroffenen rechtzeitig vor der Hauptverhandlung gestellten Entbindungsantrag nicht und befasst es sich auch im Verwerfungsurteil in keiner Weise mit dem Antrag, so liegt darin eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör. Auf den in der Rechtsbeschwerdebegründung fehlenden Vortrag, was der Betroffene im Falle seine Anhörung zur Sache ausgeführt hätte, kommt es in diesem Fall nicht an; das Ersturteil ist wegen des Verfahrensfehlers aufzuheben.
Rz. 27
Ebenfalls anerkannt als Sonderfall, in welchem eine volle Verfahrensrüge nicht erhoben werden muss, ist das nicht beachtete Entschuldigungsvorbringen. Soll die Verletzung rechtlichen Gehörs darin liegen, dass erhebliches Verteidigungsvorbringen nicht zur Kenntnis genommen und berücksichtigt worden ist, so kommt es für die Beruhensfrage nämlich nicht darauf an, was der Betroffene noch weiter hätte vortragen können, sondern nur darauf, ob das nicht berücksichtigte Verteidigungsvorbringen entscheidungserheblich sein konnte. Die Versagung des rechtlichen Gehörs liegt in einem solchen Fall in der Nichtberücksichtigung des Entschuldigungsvorbringens, nicht darin, dass dem Betroffenen die Möglichkeit genommen wird, sich zu den im Bußgeldbescheid erhobenen Vorwurf zu äußern, und auch nicht darin, dass durch unzulässige Einspruchsverwerfung die Einlassung des Betroffenen zur Sache unberücksichtigt bleibt.
Rz. 28
Umstritten ist die Konstellation, wenn das Amtsgericht übersieht, dass es den Betroffenen vom persönlichen Erscheinen entbunden hatte und den Einspruch dennoch nach § 74 Abs. 2 OWiG verwirft. Dann bedarf es zur Begründung des Antrages auf Zulassung der Rechtsbeschwerde nach einer Ansicht keiner Darlegung dazu, welcher Sachvortrag infolge der Verwerfung des Einspruchs nicht berücksichtigt worden ist. Denn der Vergleich mit dem schlicht übergangenen Entbindungsantrag ergibt ja, dass bei bereits erfolgter Entbindung schon der Vortrag erbracht wurde, warum die Anwesenheit des Betroffenen unnötig sein würde und gerade kein weiterer Sachvortrag im Termin erfolgen werde. Das OLG Brandenburg fordert in dieser Konstellation hingegen, dass die Rüge darzulegen habe, welcher Sachvortrag einzuführen gewesen wäre und infolge der Verwerfung des Einspruchs unberücksichtigt geblieben ist. Ansonsten sei die Rechtsbeschwerde nicht zulässig erhoben.