Dr. Dirk Pohl, Dr. iur. Uwe Scholz
a) Typischer Sachverhalt
Rz. 68
Im Unterschied zu oben stehendem Fall (siehe Rdn 56) kann Herr Schulz eine Stundung nicht erwarten, da aufgrund des erlittenen Forderungsausfalles der Steueranspruch bei einer Stundung gefährdet erscheint. Die Finanzbehörde vollstreckt schließlich wegen der Umsatzsteuernachzahlung i.H.v. 6.000 EUR. Es fallen Säumniszuschläge i.H.v. 1 % gem. § 240 AO für insgesamt vier Monate an. Bei einer Umsatzsteuernachzahlung von 6.000 EUR ergeben sich daraus Säumniszuschläge i.H.v. 240 EUR.
b) Rechtliche Grundlagen – Billigkeitsgründe
Rz. 69
Gem. § 163 AO kann das Finanzamt bereits eine abweichende Festsetzung von Steuern aus Billigkeitsgründen vornehmen. Soweit ein Steueranspruch entstanden ist, kann die Finanzbehörde gem. § 227 AO Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis ganz oder zum Teil erlassen, wenn deren Einziehung nach Lage des einzelnen Falles unbillig wäre; unter den gleichen Voraussetzungen können bereits entrichtete Beträge erstattet oder angerechnet werden. Die Unbilligkeit der Erhebung von Steuern und steuerlichen Nebenleistungen kann sich aus in der Person des Steuerpflichtigen oder in der Sache selbst liegenden Gründen ergeben. Zu beachten ist, dass die Finanzämter nur bis zu 20.000 EUR in eigener Zuständigkeit entscheiden können (bis 100.000 EUR Oberfinanzdirektion; darüber hinaus Landesfinanzministerium).
aa) Sachlich
Rz. 70
Sachliche Billigkeitsgründe bestehen, wenn eine Besteuerung nach dem Gesetz zu einem vom Gesetzgeber offensichtlich nicht gewollten Ergebnis führt. Dies ist eine absolute Ausnahmesituation. Die bloße Rechtsfehlerhaftigkeit eines Steuerbescheides rechtfertigt nach der Verwaltungspraxis den Erlass einer Steuer aus sachlichen Billigkeitsgründen in aller Regel nicht.
bb) Persönlich
Rz. 71
Persönliche Billigkeitsgründe liegen vor, wenn entweder die Fortführung eines Unternehmens des Steuerpflichtigen oder dessen notwendiger Lebensunterhalt vorübergehend oder dauernd gefährdet werden und eine Stundung nicht ausreichend ist. Der Erlass muss geeignet sein, die Verhältnisse des Steuerpflichtigen in absehbarer Zeit wieder zu normalisieren.
c) Muster: Antrag auf Erlass von Säumniszuschlägen
Rz. 72
Muster 39.7: Antrag auf Erlass von Säumniszuschlägen
Muster 39.7: Antrag auf Erlass von Säumniszuschlägen
An das Finanzamt Bonn-Innenstadt
Identifikationsnr.: 12/345/678/912; W. Schulz, Franzstraße 87, 53111 Bonn
Namens und in Vollmacht unseres Mandanten beantragen wir den
Erlass
von Säumniszuschlägen zur Umsatzsteuer 2019 i.H.v. 50 % der angefallenen Säumniszuschläge von insgesamt 240 EUR.
Begründung:
Dem Steuerpflichtigen ist eine Stundung versagt worden, da eine Vollstreckung zwar eine erhebliche Härte bedeutet hätte, jedoch der Steueranspruch aufgrund der wirtschaftlichen Schwierigkeiten des Mandanten nach dem Ausfall eines wichtigen Kunden gefährdet war. Gegen ihn ist schließlich vollstreckt worden. Es sind Säumniszuschläge nach § 240 AO für vier Monate i.H.v. insgesamt 240 EUR angefallen. Die Säumniszuschläge konnten ihre Funktion als Druckmittel nicht mehr erfüllen, da der Steuerpflichtige in einer wirtschaftlich angespannten Situation vor der Zahlungsunfähigkeit stand. In solchen Fällen ist regelmäßig die Hälfte der Säumniszuschläge zu erlassen, da bei einer Stundung lediglich Stundungszinsen i.H.v. 0,5 % pro Monat angefallen wären und eine erhebliche Härte i.S.d. § 222 AO gegeben ist (vgl. BFH-Urt. v. 8.3.1984, BStBl II 1984, 415; BFH v. 16.7.1997, BStBl II 1998, 7; AEAO Nr. 5f) zu § 240).
(Unterschrift)
d) Anmerkungen zum Muster
Rz. 73
Je nach Sachverhalt kann es sich auch anbieten, den Erlass der gesamten Säumniszuschläge zu beantragen, so insbesondere, wenn auch Voraussetzungen für einen Verzicht auf die Festsetzung von Stundungszinsen erfüllt sind (BFH v. 16.7.1997, BStBl II 1998, 7).