Dr. Dirk Pohl, Dr. iur. Uwe Scholz
Rz. 98
Zur weitgehenden Ausschöpfung der Steuerquellen sieht § 371 AO die Möglichkeit einer strafbefreienden Selbstanzeige im Falle der Steuerhinterziehung nach § 370 AO vor. Durch das in Anlehnung an die Rechtsprechungsänderung des BGH erlassene Schwarzgeldbekämpfungsgesetz vom 28.4.2011 und das Gesetz zur Änderung der Abgabenordnung und des Einführungsgesetzes zur Abgabenordnung vom 22.12.2014 wurde diese Möglichkeit jedoch erheblich eingeschränkt.
a) Wirkung
Rz. 99
Die wirksame Selbstanzeige stellt einen persönlichen Strafausschließungsgrund dar. Sie wirkt allein für den Anzeigenden und nicht auch ohne weiteres für etwaige Mittäter oder Teilnehmer. Bei jedem Beteiligten sind die Voraussetzungen selbstständig zu prüfen. Im Falle mehrerer Beteiligter kann sich eine gemeinsame Selbstanzeige empfehlen.
b) Inhalt
Rz. 100
Die Selbstanzeige muss die Berichtigung oder Ergänzung der ursprünglich unrichtigen oder unvollständigen Angaben oder die Nachholung der unterlassenen Angaben in offener und ausdrücklicher Form enthalten. Es ist grds. erforderlich, der Finanzbehörde derart konkrete Angaben zu den Besteuerungsgrundlagen zu machen, dass diese ohne weitere langwierige eigene Ermittlungen zum Sachverhalt die Steuern veranlagen kann. Die strafbefreiende Wirkung tritt jedoch nunmehr nur ein, wenn die Angaben "in vollem Umfang" berichtigt, ergänzt bzw. nachgeholt werden (sog. Vollständigkeitsgebot). Es ist den Steuerpflichtigen also nachdrücklich zu raten, im Falle einer Selbstanzeige endgültig "reinen Tisch" zu machen, da eine Teilselbstanzeige, wie sie bisher immer wieder praktiziert wurde, nicht mehr strafbefreiend wirkt.
c) Erklärungszeitraum
Rz. 101
Die Festsetzungsfrist beträgt im Fall der Steuerhinterziehung zehn Jahre und fünf Jahre, soweit Steuern leichtfertig verkürzt worden sind, § 169 Abs. 2 S. 2 AO. Die Festsetzungsfrist beginnt mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem der Steuerpflichtige die Steuererklärung eingereicht hat, spätestens jedoch mit Ablauf des dritten Kalenderjahres, das auf das Kalenderjahr folgt, in dem die Steuer entstanden ist. Im Fall einer Steuerhinterziehung kann die Finanzbehörde daher bis in das 13. Jahr zurückgehen. Um Straffreiheit zu erlangen, braucht der Steuerpflichtige aber nicht diesen Zeitraum in seiner Selbstanzeige abzudecken. Die Straftat Steuerhinterziehung verjährt in fünf Jahren nach der Tatvollendung. Nur diesen Zeitraum hat die Selbstanzeige zu erfassen. Für diese Zeit müssen die Steuerpflichtigen also die Angaben vollständig nachholen.
d) Selbstanzeige in Stufen
Rz. 102
Oft haben Steuerpflichtige mit Schwarz-Einkünften keine Belege (mehr) über die verschwiegenen Einkünfte. In solchen Fällen kann die Möglichkeit einer strafbefreienden Selbstanzeige genutzt werden. Man gibt eine Selbstanzeige in Stufen ab. In der ersten Stufe der Selbstanzeige teilt man der Finanzbehörde mit, dass der Mandant es unterlassen hat, in seinen Steuererklärungen die Angaben zu machen, schätzt die Besteuerungsgrundlagen – um die Wirkung der Steuerfreiheit zu erhalten – großzügig zu seinen Lasten und bittet um eine Frist, die konkreten Zahlen anzugeben. In der zweiten Stufe der Selbstanzeige sind innerhalb der Frist – die man nach Möglichkeit mit dem Finanzamt aushandelt – die unterlassenen Angaben nachzuholen. Gelingt es dem Steuerpflichtigen nicht, die konkreten Angaben zu beschaffen, kann er sich die Straffreiheit auch dann erhalten, wenn er in der zweiten Stufe die Besteuerungsgrundlagen schätzt und die Grundlagen der Schätzung genau angibt.